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       # taz.de -- Innenminister contra „Letzte Generation“: Klima-Kleber kriminell?
       
       > Die Union-Innenminister der Länder wollen prüfen, ob die Letzte
       > Generation eine kriminelle Vereinigung ist. Die Justiz ist da bislang
       > milder.
       
   IMG Bild: Tanzen sie den Innenminister:innen auf der Nase herum? Blockade der Letzten Generation
       
       Berlin taz | Es ist der Stoff, aus dem die Albträume von
       Innenminister:innen gemacht sind. Eine „maximale Störung der
       öffentlichen Ordnung“ wollen die [1][Aktivist:innen der Letzten
       Generation] künftig verursachen. Die Albträume der Aktivist:innen sehen
       freilich anders aus. Sie verweisen auf die absehbare Knappheit an
       Lebensraum, Nahrung und Wasser, an der die Menschheit mit ihren
       CO2-Emissionen schuld ist.
       
       Wie ist umzugehen mit den Menschen, die Straßen und zuletzt den Berliner
       Flughafen in der Hoffnung blockierten, die klimaschädliche Normalität zu
       durchbrechen? Die Politik reagiert angespannt. Der [2][Ton wird schärfer].
       Während die Aktivist:innen vor der Klimakrise als Sicherheitsproblem
       warnen, stehen sie nun im Fokus derer, die die innere Sicherheit qua Amt
       wahren wollen. [3][Mehrere Innenminister:innen prüfen] derweil, ob
       sie wegen der Blockaden ihre Gesetze verschärfen und den
       Unterbindungsgewahrsam verlängern.
       
       „Der Rechtsstaat darf sich nicht auf der Nase rumtanzen lassen“, erklärte
       Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) nach einem Treffen mit seinen
       Amtskolleg:innen aus anderen Bundesländern. Einmal im halben Jahr
       konferieren die Innenminister:innen. Diesmal beschäftigten sie sich in
       München explizit mit dem Klimaprotest. Grundsätzlich sei der legitim,
       räumte Herrmann ein, die Letzte Generation aber verübe dabei „gravierende
       Straftaten“. Die Polizei müsse diese „effektiv verhindern“, auch mit
       präventiven Mitteln. „Wir müssen alle rechtlichen Maßnahmen ausschöpfen.“
       
       Auch Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) sprach von „politischen
       Erpressungsversuchen“. Die Letzte Generation „gängele“ die Allgemeinheit.
       Es müsse geprüft werden, ob die Gruppe inzwischen eine kriminelle
       Vereinigung sei, da sie bundesweit koordiniert agiere. „Dieser Verdacht
       drängt sich auf.“ Die Innenminister:innen forderten vom Bund ein
       Lagebild zu den Protesten ein. Niedersachsens Boris Pistorius (SPD) gab
       sich bei einer Einstufung als kriminelle Vereinigung indes zurückhaltend:
       Das entschieden nicht die Sicherheitsbehörden, sondern Gerichte.
       
       ## Hunderte Verfahren liefen und laufen
       
       In der Justiz ist der Tonfall allerdings milder. Die
       Generalstaatsanwaltschaft Berlin hat sich beispielsweise bereits mit der
       Frage auseinandergesetzt, ob sie die Letzte Generation für eine kriminelle
       Vereinigung hält. Bescheid: negativ. Dabei beschäftigt die Gruppe die
       Juristerei gut. Hunderte Verfahren liefen und laufen mittlerweile gegen die
       Aktivist:innen.
       
       Allein in Berlin liegt die Zahl schon bei beinahe 900. Erst am Freitag kam
       ein Neues hinzu: Ein Bilderrahmen in einer Berliner Galerie muss
       restauriert werden, nachdem eine Aktivistin sich daran festgeklebt hatte.
       Am Ende blieb etwas Goldfarbe an den Fingern haften und Sekundenkleber am
       Rahmen. Laut der Staatsanwaltschaft entstand ein Schaden von 2.385 Euro.
       
       Freigesprochen werden die Aktivist:innen dabei in der Regel nicht.
       Meist bekommen sie vergleichsweise niedrige Strafen. In Berlin führten 298
       Verfahren bisher zu Strafbefehlen und 24 zu Urteilen mit Geldstrafe.
       Oftmals artikulieren die Richter:innen sogar Verständnis für das
       Anliegen der Angeklagten. Ein Münchner Richter etwa gab zu, seiner Meinung
       nach hätten die drei Aktivist:innen auf der Anklagebank in allem Recht,
       was sie zum Klimawandel und dem Unvermögen der Politik vorgebracht hätten.
       
       Der Argumentation der Aktivist:innen, die Klimakrise sei ein
       rechtfertigender Notstand für Straftaten, folgen die Richter:innen
       bislang aber eher nicht. Nur ein Beispiel dafür gibt es bisher: Das
       Amtsgericht Flensburg sprach Anfang November Klimaaktivist:innen
       frei, die Bäume besetzt hatten, um gegen deren Rodung zu protestieren. Die
       Klimakrise rechtfertige die Aktion. Die Staatsanwaltschaft hat allerdings
       Revision eingelegt, sodass der juristische Erfolg für die
       Aktivist:innen nicht von Dauer sein dürfte.
       
       2 Dec 2022
       
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