URI: 
       # taz.de -- Polizeiruf 110 Krimi im Ersten: Menschliche Abgründe im Grenzgebiet
       
       > Das ungleiche Team versucht den Mord an einer Geologin aufzudecken. Nicht
       > selten stehen sie sich dabei selbst im Weg.
       
   IMG Bild: Schaut in menschliche Abgründe: Kommissar Vincent Ross verhört am Tatort in der Lausitz
       
       Ein Frau rennt panisch durch den Wald, sie stolpert. Es ist dunkel, nur die
       Umrisse der Bäume sind zu erkennen. Sie schreit angsterfüllt, bevor sie
       niedergeschlagen wird. Es geht alles ganz schnell, am Ende der Szene ist
       sie tot. Erstickt mit einer Plastiktüte über dem Kopf. Mit diesem
       altbekannten Krimi-Bild beginnt der Polizeiruf 110 „Abgrund“ in der
       Lausitz.
       
       Die Kulisse, in der der Polizeianwärter Vincent Ross (André Kaczmarczyk)
       und Kriminalhauptkommissar Adam Raczek (Lucas Gregorowicz) den Fall lösen
       müssen, ist dagegen ziemlich eindrücklich.
       
       Die Leiche wird von dem Partner der Verstorbenen in der Nähe eines
       ehemaligen Braunkohlegebiets gefunden. Kamerafahrten zeigen im Laufe der
       Folge viel Sand im deutsch-polnischen Grenzgebiet, das wuchtige,
       stillgelegte Braunkohlenwerk, ein verlassenes Ferienlager. Die Tote ist die
       Geologin Magdalena Nowak, sie arbeitete an einem Bodengutachten für de
       Renaturierung des Gebiets.
       
       Die Ermittler müssen herausfinden, ob der Mord mit dem Tod einer anderen
       Person zusammenhängt, deren Leiche bei einer Rutschung im ehemaligen Werk
       auftaucht. Sie quartieren sich in dem kleinem Ort Fehlow ein, das von
       Einwohnerschwund geprägt ist.
       
       ## Toxische Männlichkeit
       
       Die Leute scheinen nicht viel Gutes in dem Ort zu finden: Die Mutter, mit
       Gemüseladen, hat seit eineinhalb Jahren keinen Kontakt zu ihrer Tochter,
       der Wirt, der beinahe ein Hotel gebaut hätte, und der unsichtbare Wärter
       des stillgelegten Braunkohlenwerks. Menschen von außerhalb werden in der
       Gemeinde nicht akzeptiert, obwohl manche hierherkommen, um „alles Schlechte
       hinter sich zu lassen“, wie die Barkeeperin Eva Wozniak aus Breslau in
       einer Kneipe dem Hauptkommissar anvertraut.
       
       Die Kommissare schauen in menschliche Abgründe und sehen Trauer, Wut und
       Perversion. Sie betrachten aber auch ihre eigenen und stehen sich bei den
       Ermittlungen häufig selbst im Weg. Die Zusammenarbeit zwischen dem urbanen
       Polizeianwärter Ross im pinken Pullunder und dem überarbeiteten
       Hauptkommissar [1][ist von toxischer Männlichkeit geprägt].
       
       Im Laufe der Folge spitzt sich die Dynamik zu, Raczek verweigert jedes
       Gespräch über seine Panikattacken, aber auch Ross versucht sich mit seinem
       psychologischen Wissen über seinen älteren Partner zu stellen.
       
       In Nebensträngen zeigt sich dieser Machtkampf am besten: Als sich die
       beiden in Fehlow in ein Hotel einmieten, bestellt Ross zunächst ein Zimmer
       mit Doppelbett, Raczek will aber unbedingt alleine schlafen. Sie spielen
       ihre unterschiedlichen Methoden gegeneinander aus und einigen sich: Wer am
       Ende recht hatte, gibt ein Bier aus. Klassisch.
       
       Weniger gelungen sind bei diesem „Polizeiruf“ die als Rückblenden gedachten
       Filmaufnahmen. Mit lachenden, feiernden Menschen kontrastieren sie die
       Tristesse im Ort, stehen so aber ziemlich zusammenhanglos da. Die
       Landschaftsaufnahmen des alten Werks im Dämmerlicht, das die zweite Leiche
       offenlegt, sind dafür umso eindrucksvoller.
       
       Neben den Aufnahmen können die Zuschauer*innen vor allem den zunehmend
       verschlechterten psychischen Zustand des Hauptkommissars Adam Raczek
       verfolgen, der am Ende eine folgenschwere Entscheidung trifft. Denn für
       Lucas Gregorowicz ist das die letzte Folge im [2][deutsch-polnischen Team].
       
       11 Dec 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Fleischkonsum-und-Maennlichkeit/!5895554
   DIR [2] /Halb-frisches-Team-beim-Polizeiruf/!5828807
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ann-Kathrin Leclere
       
       ## TAGS
       
   DIR TV-Krimi
   DIR Toxische Männlichkeit 
   DIR ARD
   DIR Mord
   DIR Lausitz
   DIR Polizeiruf 110
   DIR Polizeiruf 110
   DIR Tatort Berlin
   DIR TV-Krimi
   DIR TV-Krimi
   DIR Wochenendkrimi
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR „Polizeiruf 110“ in der ARD: Ermitteln zwischen Halbwahrheiten
       
       Das Heimkind Ronny verschwindet mitten in der Nacht. Der
       ARD-Sonntagabend-Krimi lässt einen schön lange im Nebel aus Wahrheit und
       Lüge tappen.
       
   DIR „Polizeiruf“ aus Rostock: Die eigentliche Geschichte
       
       Neues Team, neuer Fall. Eine Grundschullehrerin will Bedrängungen nicht
       still hinnehmen. Dann ist sie tot und es wird ermittelt.
       
   DIR Neuer „Tatort“ aus Berlin: Urlaub „vom Leben“
       
       Kommissarin Nina Rubin ist tot. Ihrem Kollegen Karow fehlt sie, dem
       Berlin-„Tatort“ aber nicht. Der kommt vielschichtig und unerwartet daher.
       
   DIR ZDF-Krimi „Die purpurnen Flüsse“: Die Pest ist wieder da
       
       Im Sonntags-Krimi stört ein Toter die Idylle eines französischen
       Provinzortes. Ob es Mord war, bleibt zunächst unklar. Ein spannend
       erzählter Film.
       
   DIR Münster-Tatort: Ein Anwalt kommt selten allein
       
       Der Krimi handelt von Rechtsanwälten und vom schmalen Grat zwischen
       Mitwissen und Mitmachen. Aber gewohnt klamaukig.
       
   DIR ARD-Krimi „Polizeiruf“ aus Magdeburg: Fragiles Provinz-Patriarchat
       
       Ute Wieland erzählt einen Krimi über ein Dorf voller Frauen, die die Faxen
       dicke haben. Von den immer gleichen Typen: halsstarrig, träge, beharrend.