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       # taz.de -- Irans Repressionsapparat: Geflecht der hasserfüllten Männer
       
       > Was machen die Sittenpolizei und die Revolutionsgarden? Wer sind das
       > Quds-Korps und die Basidsch-Miliz? Ein Überblick über Irans
       > Unterdrückungsinstrumente.
       
   IMG Bild: Ein Bild von Ali Chamenei in einer Mülltonne in einer Schule während eines Protestages am 6. Oktober
       
       ## In Iran reißen die Proteste nicht ab. Um der Bewegung den Rücken zu
       stärken, will die EU die Revolutionsgarden auf ihre Terrorliste setzen. Was
       ist das für eine Truppe?
       
       Der heutige Iran wäre nicht Iran ohne die Revolutionsgarden. Mit einer
       Truppenstärke von 200.000 sind sie eine der mächtigsten paramilitärischen
       Organisationen der Welt. Gegründet 1979, im Jahr der „Islamischen
       Revolution“, existieren die Garden parallel zur Armee und unterstehen nicht
       der Regierung, sondern dem [1][Revolutionsführer Ali Chamenei]. Sie sollen
       die vermeintliche Revolution, also das ideologisch-repressive System, vor
       inneren und äußeren Feinden schützen. Die Parallelstruktur von Armee und
       Garden entspricht dem politischen Hybridsystem, das republikanische und
       theokratische Elemente verbindet.
       
       Die Revolutionsgarden kontrollieren einen großen Teil der iranischen
       Wirtschaft und sind die ausführende Kraft der aggressiven Außenpolitik des
       Regimes, das in Staaten wie Libanon, Afghanistan oder dem Irak
       einflussreiche Verbündete aufbaut und so seinen Hegemonieanspruch
       durchsetzt. Die Grenzen zwischen Partei, Miliz und Terrorgruppe sind bei
       proiranischen Verbündeten oft fließend – etwa bei der Hisbollah im Libanon
       oder den Huthis im Jemen.
       
       Gegen die Protestestierenden geht vor allem die Basidsch-Miliz vor. Wer ist
       das? 
       
       Die Basidschis sind die repressive Kraft der Revolutionsgarden im Inland.
       Die Einheit hat 100.000 aktive Mitglieder und soll laut Regime in der Lage
       sein, Millionen Freiwillige zu mobilisieren. Männer und Frauen werden in
       Moscheen und Schulen angeworben. Dass [2][die Basidschis gegen Proteste
       vorgehen], ist nicht neu: Schon nach der Wahl 2009 waren sie es, die die
       „Grüne Bewegung“ niederschlugen.
       
       ## Welche Rolle spielt die Sittenpolizei? Gibt es sie überhaupt noch?
       
       Die Sittenpolizei ist Teil der regulären Polizei und untersteht dem
       Innenminister. Mittlerweile soll sie von den Straßen weitgehend
       verschwunden sein. Sie patrouillierte in der Öffentlichkeit, um
       vermeintlich sittsames Verhalten vor allem der Frauen durchzusetzen.
       Geldstrafen, Festnahmen und Misshandlungen zählen zu ihren Instrumenten.
       Der Tod Mahsa Aminis, die von der Sittenpolizei mutmaßlich misshandelt
       wurde, hat den aktuellen Aufstand ausgelöst.
       
       [3][Ob die Sittenpolizei wirklich abgeschafft wird], wie der
       Generalstaatsanwalt kürzlich behauptete, bleibt abzuwarten. So oder so
       würde der Schritt nicht viel ändern. Der Kopftuchzwang würde weiter
       bestehen, die Systemfrage, um die es bei den Protesten geht, hängt nicht
       von der Zukunft der Sittenpolizei ab. Regimegegner*innen werten die
       Diskussion über das Ende jener Einheit als Regimepropaganda, die
       Reformbereitschaft vortäuscht.
       
       Außerdem gibt es mit der staatlich finanzierten „Zentrale für Förderung der
       Tugend und Verhütung des Lasters“ eine weitere Instanz, die sich um
       sogenannte Moral kümmert. Sie setzt Berichten zufolge vor allem auf Druck
       und Denunziation durch regimetreue Mitbürger*innen. Auch gab es
       [4][Diskussionen], die Basidschis, also die Revolutionsgarden, noch stärker
       auch als Sittsamkeitswächter einzusetzen.
       
       Kurz nach Neujahr 2020 töteten die USA einen iranischen Kommandeur. Hat das
       die Revolutionsgarden geschwächt? 
       
       Qassem Soleimani war Chef der Eliteeinheit der Garden. Dieses Quds-Korps
       ist, grob gesagt, für alles verantwortlich, was die Garden jenseits der
       iranischen Grenzen machen. Und das ist viel: spionieren, Milizen aufbauen
       und trainieren, Verbündete mit Geld und Waffen ausstatten und ideologisch
       bei der Stange halten. In Syrien half das Quds-Korps auch dem Assad-Regime.
       [5][Die Tötung Soleimanis] soll einschneidend gewesen sein für die Garden,
       da er gut Arabisch sprach und jahrzehntelange Kontakte in der ganzen Region
       hatte. Von dem Verlust sollen sie sich aber erholt haben.
       
       Der Name „Quds-Korps“ weist auf die ideologische Stoßrichtung der Garden
       hin: Quds ist der persische und arabische Begriff für Jerusalem. In der
       Gedankenwelt der Garden muss Israel vernichtet und Jerusalem zurückerobert
       werden. Iran werde von Israel und den USA bedroht, was als Rechtfertigung
       für terroristische Aktivitäten dient. Die Garden sind ihrem Verständnis
       nach das Herz einer „Achse des Widerstands“, die von Teheran über den Irak,
       Syrien und den Libanon bis nach Jemen reicht.
       
       Bemerkenswert sind Äußerungen von Irans Außenminister zum Quds-Korps, die
       letztes Jahr geleakt wurden. In einer Audioaufnahme beklagte Dschawad
       Sarif, dass er „null“ Einfluss auf wichtige außenpolitische Entscheidungen
       habe. „Ich war noch nie in der Lage, einem militärischen Befehlshaber zu
       sagen, dass er etwas tun soll, um die Diplomatie zu unterstützen.“
       
       Und was spricht dagegen, die Revolutionsgarden auf die EU-Terrorliste zu
       setzen? 
       
       Der Schritt muss gut begründet werden, auch weil es sich de facto um das
       Militär eines souveränen Staats handelt und Iran dagegen klagen kann.
       Außenministerin Annalena Baerbock hat sich grundsätzlich dafür
       ausgesprochen; andere EU-Staaten bremsen aber offenbar. Doch auch die
       Bundesregierung hat als Voraussetzung angeführt, dass es in einem der
       EU-Staaten bereits Ermittlungen oder eine Strafverfolgung in Zusammenhang
       mit Terroraktivitäten der Garden geben müsse, was hier nicht der Fall sei.
       Über diese Auffassung herrscht allerdings kein Konsens.
       
       Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen wies außerdem auf eine
       [6][Enttarnung iranischer Spitzel in Deutschland] hin, was die USA 2019
       anführten, als sie die Garden auf ihre Terrorliste setzten. Auch in
       etlichen anderen Fällen gibt es Verbindungen zu den Garden. Jüngst ist ein
       weiterer hinzugekommen: Hinter den Anschlägen auf Synagogen in
       Nordrhein-Westfalen im November vermuten Ermittler die Revolutionsgarden.
       
       9 Dec 2022
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Jannis Hagmann
       
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