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       # taz.de -- Reptilien in Gefahr: Bis dass der Tod uns scheidet
       
       > Viele Menschen bringen ihre Reptilien ins Heim. Aber auch in der
       > Energiekrise sollte man solidarisch bleiben.
       
   IMG Bild: Denken Sie immer daran: Ihre Schlange liebt Sie!
       
       Ach, Reptil müsste man sein! Die [1][schuppigen Überlebenswunder] gelten
       als Energiesparwesen. Sie kommen mit erheblich weniger Brennstoff aus als
       der gemeine Fell- und Federträger mit seiner ressourcenintensiven internen
       Dauerheizung, die man auch bei glühendstem Zorn gegen Putin nicht einfach
       um zwei Grad herunterdrehen kann. Deswegen braucht das Reptil nur einen
       Bruchteil der Energie eines gleich massigen Warmblüters.
       
       Werden die Umweltbedingungen zu widrig, wir nennen es Winter, begeben
       [2][Reptilien] sich an ein geschütztes Örtchen, fahren ihren Stoffwechsel
       auf fast null herunter, stellen also oft über viele Monate nicht nur
       Bewegungen weitgehend ein, sondern auch den Herzschlag und sonstige
       Körperfunktionen. Ein verlockendes Konzept: Statt sich mit Krieg, Inflation
       und WM-Boykott herumzuschlagen, ein halbes Jahr wohliges Dämmern. Selbst
       Christian Lindner, Elon Musk und Harald Martenstein würden einfach mal Ruhe
       geben.
       
       Bleibt jedoch alles so unerfreulich, wie es momentan ist, könnte das
       Aufwachen für die eine oder andere Schlange oder Schildkröte im kommenden
       Frühjahr eine echte Überraschung bergen: Wo sie sich bislang gemütlich in
       einem [3][Terrarium eines Reptilienmenschen] (einem der guten!) räkelte und
       sich auf die zweiwöchentliche Mäusemahlzeit oder die tägliche Fuhre
       Löwenzahn freute, könnte sie sich nun plötzlich in einem Tierheim
       wiederfinden.
       
       Die Energiekrise zieht nämlich weite Kreise. Tierheime berichten, dass
       nicht nur verstärkt Hunde und Katzen abgegeben werden, weil ihre Menschen
       sie angesichts dramatisch steigender Preise nicht mehr durchfüttern können.
       Mit Schrecken erfahren wir: auch Reptilien unter den Opfern! Denn außerhalb
       der Winterruhe mögen Bartagame und Wasserschildkröte es deutlich heller und
       wärmer, als es in hiesigen Wohnungen üblich ist, und so werden zur
       artgerechten Pflege stromintensive, helle und oft auch UV-Licht
       abstrahlende Lampen benötigt.
       
       Ein paar hundert Watt kommen da schnell zusammen – und die schlagen nach
       den jüngsten Strompreiserhöhungsorgien nicht unerheblich zu Buche. Was erst
       recht zur Kostenfalle wird, wenn der Pflegling aus den Tropen kommt und auf
       die praktische Überwinterung gleich ganz verzichtet. Im Gegensatz zum
       Menschen kann sich der Leguan keinen dickeren Pullover anziehen und
       verlangt auch außerhalb der Weihnachtszeit vollen Lichterglanz.
       
       Doch mit Heimtieren ist es wie mit der Ehe: in guten wie in schlechten
       Zeiten. Die Tiere draußen „freizulassen“, sprich: auszusetzen, ist aus
       guten Gründen strikt verboten. Ein gewissenloser Schuft, wer es dennoch
       tut. Das gilt für Fell- wie Schuppentragende. Die Tierheime sind
       überlastet. Also heißt es: Solidarisch bleiben und die eigenen Ansprüche
       herunterdrosseln. Oder für eine Photovoltaikanlage auf dem Dach sorgen, wie
       es viele Reptilienenthusiasten gerade angehen. So dringt die Energiewende
       bis ins Schlangenheim vor.
       
       Ansonsten ein kleiner Tipp zur Vereinbarkeit von Familie und
       Tierleidenschaft: Versuchen Sie es doch mal mit Salamandern! Die mögen es
       kalt und dunkel, und mit ihrer Pflege kann man sogar aktiv zum Artenschutz
       beitragen, denn ihnen geht es in der Natur zunehmend an den schleimigen
       Kragen.
       
       10 Dec 2022
       
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