# taz.de -- Tabu-Themen am Arbeitsplatz: Höhenangst in Vorwurfskaskaden
> Reizthemen vermeiden, ist bei Freundschaften und in Kneipen manchmal von
> Vorteil. Aber ein Verbot am Arbeitsplatz wie beim Facebook-Konzern?
> Empörend.
IMG Bild: Das Meta-Logo am Hauptquartier des Konzerns im kalifornischen Menlo Park
Es gibt Themen, über die zu streiten man in bestimmten Konstellationen
besser lässt: mit Deutschen über Luther, mit Briten über Tee mit Milch, mit
Südeuropäern über Trinkgeld, mit den Eltern über sein Leben.
Auch weiß man nach einigen dramatischen Auffahrunfallerfahrungen, mit wem
man besser nicht über Politisches redet. Die Gefahr platzender Hutschnüre
ist einfach zu groß, und es ist absehbar, dass Bill Gates und „die Medien“
beziehungsweise „Du machst ja sowieso, was du willst“-Sätze vorkommen.
Meist lassen sich diese Unterhaltungen nur mit Mühe in die Kategorie
Gespräch einordnen, handelt es sich doch in aller Regel um ein
anschwellendes Empörungsrauschen, das in Vorwurfskaskaden endet, in denen
man sich gegenseitig bezichtigt, infiziert, infiltriert,
instrumentalisiert, indoktriniert, indiskutabel, inkompetent, infam,
gekauft, gebrainwasht, irre und Teil des Problems zu sein.
Dass jetzt ausgerechnet Meta seinen Mitarbeiter*innen politische
Unterhaltungen am Arbeitsplatz verbietet, ist sehr lustig. Themen wie
Waffen, Wahlen, Impfstoffe und Schwangerschaftsabbrüche dürfen dort zwar
noch in kleinen Gruppen diskutiert werden, aber nicht in Chats, die mehrere
Leute mitlesen könnten.
## Wo das Geschäftsmodell auf Empörung basiert
Die Begründung für das Tabu: „Die Gesundheit des Unternehmens“ sei besser
gewährleistet, weil strittige Themen zu einem „feindseligen Arbeitsumfeld“
führten und eine respektvolle Arbeitsatmosphäre behinderten.
[1][Ausgerechnet Facebook, das Unternehmen, dessen Geschäftsmodell unter
anderem auf Empörung basiert,] verpasst also seinen Mitarbeitern einen
Maulkorb für Reizthemen.
Sicher finde ich es mega schlimm, wenn vorgeschrieben wird, über was man
sich nicht aufregen darf und die Empörung darüber ist berechtigt. Aber ich
kann diese Meta-Regel, die im Übrigen auch schon andere Unternehmen aus der
Social-Media-Welt praktizieren, trotzdem gut nachvollziehen. In fast jeder
Familie, Freundschaft, Beziehung, Bekanntschaft, unter Kollegen und in der
Kneipe hat sich so gut wieder jeder eigene, unausgesprochene
Compliance-Richtlinien aufgestellt. Man vermeidet Reizthemen, wenn man
weiß, wo das endet.
[2][Man erkennt irgendwann, dass es besser für die eigene Gesundheit und
den Fortbestand der Freundschaft ist.] Ich jedenfalls halte das in einigen
Fällen so. Nicht, weil ich grundsätzlich konfliktscheu wäre. Oder, Moment,
vielleicht doch? Was bedeutet eigentlich konfliktscheu? Ist Konfliktscheue
vielleicht ähnlich wie die Höhenangst eine dieser natürlichen Leitplanken,
die der Menschheit eingerichtet wurden, damit sie ihr Leben nicht ständig
unnötig in Gefahr bringen?
Sicher, jeder soll sich über alles aufregen dürfen. Ich glaube trotzdem,
der Peak der Empörung ist erreicht, und hin und wieder ein bisschen
Empörungstabu kann vielleicht nicht schaden.
11 Dec 2022
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## AUTOREN
DIR Doris Akrap
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