# taz.de -- Kurdische Jesid:Innen: Sie brauchen unsere Solidarität
> Die vom IS an den kurdischen Jesid:innen verübten Verbrechen müssen
> als Völkermord international anerkannt werden. Deutschland sollte dabei
> helfen.
IMG Bild: Ein bisschen Solidarität: Gedenkmarsch für die Opfer des IS-Massakers in Berlin
Im August 2014 griff der selbsternannte „Islamische Staat“ (IS) das
historische Siedlungsgebiet der Jesiden in der Provinz Ninive in der Stadt
[1][Shengal] an und beging einen Völkermord. Von mehr als einer halben
Million Menschen leben mittlerweile nur noch um 80.000 Jesiden in Shengal;
die restlichen 450.000 leben entweder in einem der 21 Flüchtlingslager in
der Autononem Region Kurdistan oder flohen in westliche Länder.
Laut Angaben des Gouverneurs von Shengal wurden bei dem Angriff 6.417
Menschen [2][vom IS deportiert]; von 2.877 fehlt bis heute jede Spur. Das
Gebiet wurde zwar 2017 befreit, doch ist an eine Rückkehr der religiösen
kurdischen Minderheit kaum zu denken. Die komplette Infrastruktur wurde
beim Angriff zerstört: Häuser, Kliniken und Schulen, die Wasserversorgung.
Die politische Lage ist kaum besser: Es konkurrieren vom Irak finanzierte
Milizen, PKK-Unterorganisationen, kurdische Peschmerga sowie jesidische
Kampfeinheiten. Der Status der Region zwischen der Zentralregierung in
Bagdad und der kurdischen Autonomieregion ist ungeklärt, ein vor 2014
vereinbartes Referendum verweigert die Zentralregierung in Bagdad.
Gerade Europa hat hier eine historische Verantwortung, da Genozide an
Kurden oder der [3][Völkermord an den Jesiden] auf die Teilung des
kurdischen Gebietes zwischen Frankreich und Großbritannien im
Sykes-Picot-Abkommen von 1916 zurückgeht. Deutschland spielt ebenfalls eine
große Rolle: Die Chemieangriffe von Saddam erfolgten unter anderem durch
Produkte deutscher Firmen. Eine Auseinandersetzung damit fand bisher nicht
statt. Um etwas Verantwortung zu übernehmen, sollte Deutschland wenigstens
bei der Beseitigung von Minen helfen.
Deutschland hat mit der Aufarbeitung seiner Nazivergangenheit Zeichen
gesetzt. Die Hoffnung ist groß, dass es seine Solidarität mit den Jesiden
zeigt und sich dafür einsetzen wird, den Völkermord international
anerkennen zu lassen sowie den Jesid:innen in den Flüchtlingslagern eine
Perspektive zu geben.
2 Jan 2023
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## AUTOREN
DIR Abdullah Incekan
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