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       # taz.de -- Regierung und Opposition in Venezuela: Aus für Interimspräsident Guaidó
       
       > Juan Guaidó, der Kontrahent von Staatschef Maduro, wurde von der
       > Opposition abgesetzt. 2024 soll eine neue Präsidentschaftswahl
       > stattfinden.
       
   IMG Bild: Nach seiner Absetzung sagte der venezolanische Interimspräsident Juan Guaidó: „Heute haben wir kapituliert. Es ist ein Sprung in die Dunkelheit“
       
       Buenos Aires taz | Venezuelas selbsternannter Interimspräsident Juan Guaidó
       ist abgesetzt. Am Freitag stimmte die Mehrheit der oppositionellen
       Nationalversammlung für das Ende der Parallelregierung – 72 Abgeordnete
       dafür, 29 dagegen, 8 enthielten sich. Die Parlamentarier stimmten zugleich
       für die Einrichtung einer Kommission, die die Präsidentschaftswahl 2024
       überwachen soll, und einer Kommission zur Verwaltung des Auslandsvermögens
       des Landes.
       
       Juan Guaidó hatte sich bis zuletzt gewehrt. „Heute haben wir kapituliert.
       Es ist ein Sprung in die Dunkelheit“, sagte der 39-Jährige nach der
       Abstimmung der Nationalversammlung. Sie tagt seit 2016, als die Opposition
       die Mehrheit der Mandate errang, und lehnt die 2020 von der
       Regierungspartei gewonnene Parlamentswahl unter dem Vorwurf des Wahlbetrugs
       ab.
       
       Mit dem Votum am Wochenende endete endgültig der Versuch, die Regierung von
       Staatschef Nicolás Maduro über die Bildung einer Parallelregierung zu
       stürzen und Neuwahlen auszurufen. [1][Juan Guaidó war im Januar 2019 zum
       Parlamentspräsidenten gewählt worden] und hatte sich in dieser Eigenschaft
       wenig später zum Interimspräsidenten ernannt.
       
       ## Nicolás Maduro ist zurück in der internationalen Bühne
       
       Dass diese Aktion mit der US-Regierung von Donald Trump abgesprochen war,
       ist unbestritten. Washington erkannte Guaidó unmittelbar als
       Interimspräsidenten an. Fast im Minutentakt folgten dann mehr als 35
       Staaten, darunter die Europäische Union. Doch der internationale Rückhalt
       ist schon längst zu einer Formalie verkommen.
       
       Ein Beispiel: die scheinbar [2][zufällige Begegnung des französischen
       Präsidenten Emmanuel Macron mit Maduro] in den Gängen der Klimakonferenz
       COP27 im November im ägyptischen Scharm al-Scheich. Dabei sprach Macron
       seinen vermeintlichen Amtskollegen mit „Präsident“ an und versicherte ihm,
       dass er ihn anrufen werde.
       
       Venezuelas Staatschef Maduro ist nun der große Gewinner. Jahrelang
       international geächtet, hat sich seine Rolle mit der durch den
       Ukrainekrieg ausgelösten Ölkrise gewandelt. Kaum eine Regierung will es
       sich noch leisten, den Machthaber eines Landes mit den größten Ölvorkommen
       der Welt zu ignorieren. US-Präsident Joe Biden macht es vor. So gab es
       Lockerungen bei einigen US-Sanktionen gegen Venezuelas staatlichen
       Ölkonzern PDVSA und zu einer vom US-Finanzministerium genehmigten
       Zusammenarbeit mit dem US-Ölkonzern Chevron.
       
       Ins Bild passt auch der Austausch von Gefangenen. Im Oktober waren [3][die
       beiden in den USA inhaftierten Neffen von Venezuelas First Lady Cilia
       Flores] gegen sieben ehemalige Ölmanager von Citgo, der
       US-Tochtergesellschaft des staatlichen venezolanischen Ölkonzerns PDVSA,
       ausgetauscht worden.
       
       ## Politische Neusortierung in Südamerika
       
       Gewendet hat sich auch das politische Blatt in Südamerika. Mit dem Abgang
       von Jair Bolsonaro in Brasilien hat Guaidó seinen stärksten Unterstützer in
       der Region verloren. Noch vor der Amtseinführung seines Nachfolgers Lula da
       Silva am Sonntag hat Brasiliens scheidender Präsident das Land Richtung
       Florida verlassen.
       
       Auch Kolumbiens Präsident Gustavo Petro war schon kurz nach seinem
       Amtsantritt zu Maduro nach Venezuela gereist. Ein Grund der
       Wiederannäherung der beiden Nachbarstaaten waren die Friedensverhandlungen
       zwischen der kolumbianischen ELN-Guerilla und der Regierung, die im
       November in Caracas begannen, und bei denen Venezuela als Garantieland und
       als wichtigstes Rückzugsgebiet der ELN eine große Rolle spielt. Am
       Wochenende verkündete der kolumbianische Staatschef einen Waffenstillstand
       mit den fünf wichtigsten Guerillagruppierungen. Bis Ende Juni soll es
       Friedensverhandlungen geben. Am Sonntag gab es einen neuen Schritt der
       Annäherung: Den letzten bislang noch geschlossenen Grenzübergang zwischen
       Venezuela und Kolumbien wurde nach der Wiederaufnahme ihrer diplomatischen
       Beziehungen wieder eröffnet. Die seit 2019 wegen politischen Differenzen
       geschlossene Brücke, die den Ort Ureña mit der kolumbianischen Grenzstadt
       Cúcuta verbindet, ist nun auf.
       
       Noch eine Entwicklung: Die sogenannte Lima-Gruppe, in der sich 2017 14
       lateinamerikanische Staaten gegen das Maduro-Regime zusammengeschlossen
       hatten, [4][hat sich aufgelöst].
       
       ## Dialog zwischen Regime und Opposition wird fortgesetzt
       
       Damit rückt der Dialog zwischen dem Regime von Staatschef Maduro und Teilen
       der Opposition nach vorne, [5][der Ende November in Mexiko-Stadt] unter der
       Aufsicht von Norwegen begonnen hat. Dabei geht es in erster Linie um die
       Festlegung der Rahmenbedingungen für die Präsidentschaftswahl 2024.
       
       Schon bei ihrer ersten Verhandlungsrunde unterzeichneten beide Seiten eine
       Vereinbarung über die Freigabe von drei Milliarden Dollar für die
       Lebensmittelversorgung und soziale Projekte. Dafür soll ein Fonds
       eingerichtet werden, der von den Vereinten Nationen verwaltet wird. Dahin
       sollen die Gelder fließen, die auf internationalen Konten liegen, zu denen
       der bisherige Interimspräsidenten Zugriff hatte und die nun von der
       beschlossenen Kommission verwaltet werden soll.
       
       1 Jan 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Politische-Krise-in-Venezuela/!5568306
   DIR [2] https://www.youtube.com/watch?v=aY2nuzhwgKo
   DIR [3] /Kokain-aus-Venezuela-in-den-USA/!5251292
   DIR [4] /Venezuela-Krise/!5576758
   DIR [5] /Regierung-und-Opposition-in-Venezuela/!5898226
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jürgen Vogt
       
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