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       # taz.de -- Alternativen für WM-Muffel: Singendes Eis
       
       > Für diejenigen, die die Fußball-WM boykottieren, testet die taz
       > Alternativen. Dieses Mal ein Sport, mit dem eine Stadt schöner wird.
       
   IMG Bild: Der Traum aller Schlittschuhfreunde: Natureis in Amsterdam
       
       Sie haben Rick Astley entsorgt! Endlich! Offenbar hat sich der oder die DJ,
       bekannt für die immer gleichen Soul-Klassiker und Untoten aus den
       Achtzigern, über den Sommer das Repertoir vorgeknöpft und entschieden: kein
       „Never gonna give you up“ mehr, wenn man nach dem Übersetzen hinten auf der
       Geraden wieder beschleunigt!#
       
       [1][Sonst war alles wie immer, als die Jaap-Eden-Eisbahn am Rand von
       Amsterdam im Oktober die Saison eröffnete]: die Bäume noch im Herbstlaub,
       Temperaturen für die Jahreszeit zu warm, sehnige Siebzigjährige, die einen
       mit ihrer makellosen Technik noch immer in Grund und Boden fahren.
       
       Seitdem drehen wir wieder unsere 400-Meter-Runden, Woche für Woche, und
       inzwischen fühlt es sich tatsächlich nach Winter an. Ein Gefühl, das nie
       nur für sich steht, sondern automatisch zu einer einzigen Frage führt: Wird
       es dieses Jahr Natureis geben?
       
       Sobald sich die Temperaturen um den Nullpunkt einpendeln – bei fanatischen
       Wetterfröschen, die den ganzen Winter über die Prognosen im Blick haben,
       auch schon vorher –, hängt diese Frage über jedem Gespräch rund um die
       Eisbahn.
       
       ## Wie ein altes Wintergemälde
       
       Ist die Eisqualität entsprechend, können fünf Zentimeter genug sein. Die
       aufgekratzte, fiebrige Welle, die dann die Stadt erfasst, muss man erlebt
       haben. Solange das Eis hält, gibt es wenig anderes mehr.
       
       Wir schwirren aus, über Grachten und Kanäle, kleine Runden in der
       Mittagspause oder abends, entlang all der bekannten Orte, die sich nun in
       eines dieser alten Wintergemälde verwandelt haben. Alle Jubeljahre, wenn
       das Eis wirklich dick ist, gibt es Rennen auf der Prinzengracht. Abends
       machen wir Pläne für den nächsten Tag: „Ich hab Zeit, du auch? Lass uns
       rausfahren!“
       
       Und dann steht man dort, weit draußen auf dem See. Das erbärmliche Grau des
       nordholländischen Winters hat sich verzogen. Keine 400-Meter-Bahn
       korsettiert das Gleiten mehr, und das tiefe, schwarze Eis singt dazu. Das
       letzte Mal geschah dies im trüben Coronawinter, Anfang 2021. Eine
       versunkene glitzernde Stadt tauchte aus dem Lockdown auf, Kufenhedonismus,
       eine knappe Woche lang, bevor sie im Taumatsch versank.
       
       Die Bilder aus diesen Tagen fahren bis heute jede Runde auf der
       Jaap-Eden-Bahn mit. [2][Und wenn es diesen Winter nichts] wird mit
       schaatsen, Schlittschuhlaufen auf Natureis, dann eben im nächsten. Bis
       dahin haben wir nicht das singende Eis im Ohr, sondern Plastic Bertrand.
       Immerhin kein Rick Astley.
       
       12 Dec 2022
       
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