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       # taz.de -- Leipziger Erklärung der Linkspartei: Linke will gegen Spaltung kämpfen
       
       > Führungsriege der Linkspartei distanziert sich in Leipzig indirekt von
       > Sahra Wagenknecht und bekennt sich zum Selbstverteidigungsrecht der
       > Ukraine.
       
   IMG Bild: Kampf für Zukunft der Linken: Amira Mohamed Ali, Martin Schirdewan, Janine Wissler, Dietmar Bartsch
       
       BERLIN taz | Es ist der Versuch eines Schulterschlusses. Auf Einladung der
       Vorsitzenden Janine Wissler und Martin Schirdewan traf sich am Wochenende
       in Leipzig die komplette Führungsriege der Linken im Bund und in den
       Ländern zur Aussprache. Und statt großen Streits demonstrierte sie
       ungewohnte Geschlossenheit. Die Botschaft, die von dem Treffen ausgehen
       soll: Die Partei hat sich noch nicht aufgegeben.
       
       Dabei befindet sich die Linke in einer existenziellen Krise: Zermürbt vom
       [1][Dauerstreit um die frühere Bundestagsfraktionsvorsitzende Sahra
       Wagenknecht] und vier Landtagswahlen, bei denen die Partei mehr oder
       weniger deutlich unter der Fünfprozenthürde landete.
       
       Das scheint inzwischen auch das führende Personal der Partei begriffen zu
       haben. Die Linkspartei sei „eine historische Errungenschaft“, die aber
       heute „in Gefahr“ sei, heißt es in einer von den Mitgliedern des
       geschäftsführenden Parteivorstands, der Bundestagsfraktionsspitze, dem
       Präsidium des Bundesausschusses sowie allen Partei- und
       Fraktionsvorsitzenden in den Ländern namentlich unterzeichneten „Leipziger
       Erklärung“.
       
       Zu oft biete die Linkspartei „ein Bild der Zerstrittenheit und
       gegensätzlicher Antworten“, schlechte Wahlergebnisse und Verlust von
       Mitgliedern seien „deutliche Alarmzeichen“, heißt es in dem dreiseitigen
       Papier weiter, auf das sich die Teilnehmer:innen am Samstag auf der
       internen Klausurtagung verständigt haben. Relevante Gruppen in der
       Gesellschaft fühlten sich von der Partei nicht mehr angesprochen. Die
       innerparteilichen Konflikte mündeten „aktuell in einem zerstörerischen
       Gegeneinander“. In der Öffentlichkeit werde „sogar über die Bildung eines
       alternativen Parteiprojekts spekuliert“. Die 53 Unterzeichner:innen
       seien „dagegen bereit, für unsere gemeinsame Partei zu kämpfen, das
       historische Projekt einer geeinten, pluralen sozialistischen Partei zu
       verteidigen und weiterzuentwickeln“.
       
       ## Bekenntnis zum alten Gründungskonsens
       
       Jenseits solcher Lippenbekenntnisse werden in der „Leipziger Erklärung“
       einige inhaltliche Pflöcke eingeschlagen, die als deutliche Distanzierung
       vom Kurs Wagenknechts und ihres Anhanges zu verstehen sind. Beispiel
       Ukrainekrieg: Die Linkspartei verurteile den völkerrechtswidrigen
       Angriffskrieg Russlands, der zu unermesslichem Leid, Tod und Zerstörung
       geführt habe, und fordere „den sofortigen Rückzug der russischen Truppen“,
       ist da zu lesen. Und: „Wir bekennen uns zum Selbstverteidigungsrecht der
       Ukraine und fordern die volle Wiederherstellung der ukrainischen
       Souveränität.“ Solche Töne sind von Wagenknecht nicht zu hören.
       
       Als Abgrenzung von ihrer prominenten ehemaligen Frontfrau ist auch das
       Bekenntnis zum alten Gründungskonsens zu verstehen: „Linke einigend,
       demokratisch und sozial, ökologisch, feministisch und antipatriarchal,
       offen und plural, streitbar und tolerant, antirassistisch und
       antifaschistisch, eine konsequente Friedenspolitik verfolgend“, zitiert die
       „Leipziger Erklärung“ aus den „Programmatischen Eckpunkten“, auf die sich
       die PDS und die WASG 2007 verständigt hatten. Für eine solche Partei
       wollten die Unterzeichner:innen kämpfen. Bemerkenswert: Damit knüpfen
       sie an das [2][Treffen der „progressiven Linken“] am Wochenende zuvor in
       Berlin an. Auch in der dort verabschiedeten Erklärung findet sich
       ebendieses Zitat aus den Anfangszeiten.
       
       Als Warnung ist die Feststellung zu verstehen, die Linke sei zwar eine
       plurale Partei, aber „Pluralität ist nicht Beliebigkeit“. Ob das Eindruck
       bei Wagenknecht hinterlassen wird, die als einfache Abgeordnete ohne
       Funktion in der Bundestagsfraktion und ohne Parteiamt in Leipzig nicht
       dabei war, ist allerdings zweifelhaft. Schon in mehreren Gesprächen, die im
       Vorfeld mit ihr unter anderem von der Partei- und Fraktionsführung sowie
       dem Parteigranden Gregor Gysi geführt worden sind, hatte sie keinen Zweifel
       daran gelassen, dass sie keine Perspektive für die Partei mehr sieht.
       
       Die Parteivorsitzende Janine Wissler zeigte sich dennoch zuversichtlich.
       „In Leipzig haben wir geschlossen gezeigt, dass wir bereit sind, um unsere
       Partei zu kämpfen und das historische Projekt einer pluralen
       sozialistischen Partei zu verteidigen und weiterzuentwickeln“, sagte sie.
       
       11 Dec 2022
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Pascal Beucker
       
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