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       # taz.de -- Organisatorin über Veranstaltungsreihe: „Ein Forum, um zuzuhören“
       
       > Am Schauspielhaus Hamburg eröffnet im Theaterkeller der „Salon
       > Arsenalna“. Hier soll ukrainische Literatur und Musik Begegnungen
       > ermöglichen.
       
   IMG Bild: Die U-Bahnstation Arsenalna in Kyiv schützt vor Bomben. Außerdem behauptet sich dort die Kultur
       
       taz: Frau Hannig, der Titel der Veranstaltungsreihe, „Salon Arsenalna“,
       macht neugierig: ein Salon in einer U-Bahnstation in Kyiv – was hat es
       damit auf sich?
       
       Ute Hannig: Die Titelsuche hat ein bisschen gedauert. Vielleicht ähnlich
       wie bei einem Buch fragt man sich: Was ist die Überschrift des Ganzen? Von
       Ludwig Haugk, der das Projekt mitinitiiert hat, kam die Idee, das einen
       Salon zu nennen, weil die Reihe im Theaterkeller stattfindet, der einer
       Kneipe ähnelt. Die Idee eines Salons hat etwas nicht so Beschwerendes, was
       den Krieg nicht sofort anklingen lässt. Ein Ort, an dem eine gewisse
       Schönheit herrscht. Uns ist dabei wichtig, dass es keine Bühne wird, von
       der herab wir zu Leuten runtersprechen. Es geht vielmehr darum, einen Ort
       zu schaffen, an dem Leute zusammenkommen.
       
       Und wie kam es dann zu „Arsenalna“? 
       
       Es sollte erst „Salon Odessa“ heißen. Wir fanden das super. Dann hat aber
       die ukrainische Schauspielerin in unserem Team, Nika Kushnir gesagt, dass
       Odessa schwierig sei, weil das ein russisch besetzter Name ist. Das klinge
       zwar schön, würde aber eigentlich nicht für unser Vorhaben passen. Dann
       haben wir weitergesucht, bis unser Dramaturgieassistent Martin Györffy die
       tolle Idee mit dem U-Bahnhof [1][Arsenalna] hatte, der in Kyiv ist.
       
       Wieso gerade ein U-Bahnhof? 
       
       Wir kennen ja alle die Bilder von den Menschen, die sich in den U-Bahnhöfen
       vor den Bombenangriffen in Sicherheit gebracht haben und dort miteinander
       in Kontakt gekommen sind, sich gegenseitig geholfen haben, gemeinsam Musik
       gemacht haben, um sich lebendig zu halten, um zu überleben. Den Bezug
       darauf finde ich total gut. Ein Bahnhof ist ja auch etwas, wo man reinkommt
       und wieder rausfährt. Das zeigt, dass es ein Prozess ist, der auch unfertig
       ist. Die ersten literarischen Texte, die vorgetragen werden, sind von
       [2][Serhij Zhadan], der schreibt toll, macht aber auch Musik und ist mit
       seiner Band auch in [3][U-Bahnhöfe] gegangen, um dort Musik zu machen. In
       diesem Kontext ist dann der Titel entstanden.
       
       Ist das zentrale Thema der Reihe der Ukraine-Krieg? 
       
       Der Ukraine-Krieg, der jetzt bald ein Jahr alt wird und den wir in nächster
       Nachbarschaft alle in uns tragen, ist der Anlass und auch der Boden, auf
       dem dieser Salon entstanden ist. Am Anfang waren wir alle erschrocken über
       den Krieg. Der Schrecken hat sich nun langsam in ein Grauen verwandelt.
       
       Ist das besser? 
       
       Also ich kann emotional für mich sagen, dass dieses Grauen so wie ein Nebel
       ist, der immer weiter schwelt und es immer schwieriger wird, die Hoffnung
       zu behalten, dass das bald zu Ende ist. Das Ende eines Krieges ist ja auch
       nicht der Frieden. So ein Salon kann vielleicht ein Ort werden, an dem man
       sich mit dem Grauen des Krieges auseinandersetzen kann, jenseits von
       Ideologie, jenseits von Politik und Machtfragen und einander zuhört.
       
       Sie betonen das Zusammenkommen. Wie stellt sich das Orga-Team das genau
       vor? 
       
       Wir wollen zum einen ukrainische Literatur zusammenkommen lassen, sich
       versammeln lassen. Dazu nehmen wir uns jeden Monat ein literarisches Werk
       vor. Jetzt fangen wir mit dem etwas älteren Roman „Internat“ von Serhij
       Zhadan an, der sich vor allem auf die Ukraine im Jahr 2014 bezieht. Wir
       wollen uns außerdem der ukrainischen Sprache widmen, also zusammenkommen,
       um die Sprache in Ruhe und Frieden hören zu können, weil sie durch den
       Krieg keinen friedlichen Platz mehr hat, fast verzerrt ist. Also ein
       Zusammenkommen, um einander zuzuhören.
       
       Wen lädt der „Salon Arsenalna“ als Gesprächspartner*innen ein und wie
       kommt der Kontakt zustande? 
       
       Nika Kushnir ist ziemlich gut vernetzt. Sie ist schon seit 1999 in
       Deutschland und hat hier gute Kontakte zur ukrainischen Community, sowohl
       zu Freund*innen, die schon länger hier sind, als auch zu Geflüchteten, um
       die sie sich im letzten Jahr gekümmert hat. Denn wir werden auch Menschen
       einladen, die geflüchtet sind. Es geht nicht darum, prominente Leute
       einzuladen, sondern viel mehr Menschen, die zu dem Buch oder dem Ort
       passend sind, um den es dann geht. Wir wollen da keine Statements, sondern
       persönliche Eindrücke von Menschen, mit denen wir sonst nicht so schnell
       zusammenkommen würden und damit ein Forum schaffen, um ihnen zuzuhören.
       Außerdem beteiligt ist die Musikerin Mavka, die mit ihrer Tochter aus der
       Ukraine geflüchtet ist und gerade in Berlin wohnt.
       
       Wann ist die zu Gast? 
       
       Mavka wird immer dabei sein und zwischen den Texten als stetige Begleiterin
       Musik machen. So kommen auch die Künste zusammen, es geht also um ein
       Zusammenkommen auf allen Ebenen. Das ist unser Wunsch.
       
       Wie wird mit sprachlichen Hürden umgegangen? 
       
       Ludwig Haugk hat zum Beispiel neulich gesagt, dass es erstaunlich ist, was
       er von Nika Kushnir durch die gemeinsamen Treffen schon gelernt hat. Es ist
       allerdings wirklich sehr komplex. Es gibt zum Beispiel viele
       Ukrainer*innen, die nur Russisch sprechen. Das war mir vorher auch nicht so
       klar. Wenn man aus der Ostukraine kommt, ist es eigentlich üblich, dass man
       Russisch spricht, im Westen eher Ukrainisch. Wir haben jetzt einen Gast,
       der ist 16 Jahre alt und spricht nur Russisch, obwohl er Ukrainer ist.
       
       Gibt es dann verschiedene sprachliche Fassungen der Werke? 
       
       Es gibt bei der ersten Veranstaltung eine deutsche Fassung von „Internat“,
       die gelesen wird. Wir wollen die gleichen Passagen aber auch auf Ukrainisch
       lesen. Das wollen wir so bauen, dass man die Sprache gut hören kann und
       hoffen natürlich, dass wir auch viele Gäste haben, die ukrainisch sprechen
       und die sich gemeint fühlen: Sie sollen Freude daran haben, dort zu sein.
       Im Gespräch werden wir das wahrscheinlich mischen. Nika Kushnir wird unsere
       Schnittstelle und Vermittlerin sein, die Ukrainisch, Russisch, Deutsch und
       Englisch übersetzen kann.
       
       15 Dec 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://schauspielhaus.de/st%C3%BCcke/salon-arsenalna-salon-arsenalna-no1
   DIR [2] /Friedenspreistraeger-Serhij-Zhadan/!5885502
   DIR [3] /Krieg-in-der-Ukraine/!5838870
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Paul Weinheimer
       
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