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       # taz.de -- Thüringer Landeshaushalt 2023: Kahlschlag bleibt aus
       
       > Nach wochenlangen Verhandlungen steht in Thüringen der Landeshaushalt für
       > 2023. Rot-rot-grün kann Kürzungen im Integrationsbereich verhindern.
       
   IMG Bild: Mario Voigt, Vorsitzender der CDU-Fraktion im Thüringer Landtag
       
       Leipzig taz | Die rot-rot-grüne Minderheitskoalition und die oppositionelle
       CDU-Fraktion in Thüringen haben sich nach wochenlangen Verhandlungen am
       Montagabend auf den Landeshaushalt für 2023 geeinigt. Rund 13 Milliarden
       Euro umfasst der Etat. Am Freitag soll der Haushalt im Landtag
       verabschiedet werden.
       
       Rot-Rot-Grün konnte die von der CDU geforderten massiven Kürzungen [1][im
       Integrationsbereich] verhindern, nicht aber im Demokratiebereich. 400.000
       Euro sollen nach Angaben der Grünen-Fraktion im Landesprogramm für
       Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit eingespart werden. Gefordert hatte
       die CDU Kürzungen in Höhe von 700.000 Euro. Die 400.000 Euro sollen an die
       Volkshochschulen im Freistaat gehen. Diese sollen das Geld für politische
       Bildung ausgeben.
       
       Die geplanten Kürzungen im Demokratiebereich bezeichnete
       Grünen-Fraktionsvorsitzende Astrid Rothe-Beinlich als „bitter“. „Ich halte
       das für einen politischen Fehler“, sagte sie. Zugleich betonte
       Rothe-Beinlich, dass Rot-Rot-Grün die Forderungen der CDU nach weiteren
       Kürzungen in den Bereichen Integration und Gleichstellung abwenden konnte.
       
       Die Sprecherin für Antifaschismus der Linksfraktion, Katharina
       König-Preuss, sagte, die Kürzungen bei der Demokratieförderung um etwa
       sechs Prozent seien ärgerlich, gefährdeten aber nicht die
       Funktionsfähigkeit der Projekte und deren Existenz. Außerdem sei es
       Rot-Rot-Grün gelungen, die 400.000 Euro nicht – wie von der Union gewollt –
       in „sinnlose Videoüberwachung im öffentlichen Raum und
       Grundrechtseinschränkungen zum Fenster rauszuwerfen“, sondern in der
       politischen Erwachsenenbildung einzusetzen.
       
       ## „Klare rote Linien, die nicht überschritten werden durften“
       
       Der SPD-Fraktionsvorsitzende Matthias Hey erklärte: „Wir hatten bei den
       Verhandlungen klare rote Linien, die nicht überschritten werden durften.
       Der von der CDU geforderte Kahlschlag bei entscheidenden Landesprogrammen,
       etwa für Demokratie oder Migration, blieb aus.“
       
       Laut CDU-Fraktionschef Mario Voigt habe die CDU die „schlimmsten
       Verfehlungen von Rot-Rot-Grün“ verhindern können. Dennoch bleibe es ein
       schlecht aufgesetzter Haushalt.
       
       Die CDU hatte der rot-rot-grünen Minderheitsregierung, die bei
       Entscheidungen auf vier Stimmen [2][aus der Opposition angewiesen] ist,
       wochenlang Gespräche verweigert und auf weitreichende Einsparungen im
       Integrations- und Demokratiebereich gepocht. So wollte die CDU unter
       anderem bei Maßnahmen zur Integrationsförderung um drei Millionen Euro
       kürzen, beim [3][Landesaufnahmeprogramm Afghanistan] sowie den
       Erstattungskosten für Geflüchtete an die Krankenkassen um je 1,5 Millionen
       Euro, beim Landesprogramm „Arbeit für Geflüchtete“ um rund 2,2 Millionen
       Euro.
       
       Viele befürchteten, dass sich die CDU mit der AfD zusammentun könnte, um
       ihre Forderungen bei der Haushaltsplanung durchzusetzen – wie im November
       beim [4][Antrag gegen das Gendern in Behörden.] Für die Mehrheit im Landtag
       ist die CDU auf Stimmen von der FDP, den Bürgern für Thüringen und der AfD
       angewiesen.
       
       Während der Schulterschluss mit der AfD in Thüringen ausblieb, stimmte am
       Montagabend die CDU-Kreistagsfraktion in Bautzen (Sachsen) einem AfD-Antrag
       zur Kürzung von Integrationsleistungen für Geflüchtete zu. 47 Kreisräte
       votierten für den Antrag, davon 28 aus der AfD und 19 aus der CDU. Nur ein
       CDU-Politiker stimmte dagegen, fünf weitere enthielten sich.
       
       Der Kreisvorsitzender der Linken, Silvio Lang, sagte dazu: „Die Bautzner
       CDU-Kreistagsfraktion sucht den bewussten und offen zur Schau gestellten
       Schulterschluss mit den Verfassungsfeinden der AfD.“ Besonders erschreckend
       sei dabei der Zeitpunkt. „Keine Woche [5][nach den Razzien gegen die
       Reichsbürger-Verschwörer], die unter anderem genau aus den Reihen ebenjener
       Verfassungsfeinde der AfD kommen.“ Lang betonte, dass die CDU-Kreisräte
       ganz bewusst offen abgestimmt und eine vorherige geheime Abstimmung
       abgelehnt hätten. „Sie wollten also, dass jeder diesen Tabubruch sehen
       kann.“
       
       Der Grünen-Kreisrat Jonas Löschau bezeichnete es als [6][„Dammbruch“], dass
       ein AfD-Antrag durch ein geschlossenes Votum der CDU zum Erfolg führt. Auf
       Twitter [7][schrieb er]: „Wer der AfD eine Mehrheit besorgt – ausgerechnet
       auf Kosten der Menschen, die sie immer wieder für Hass und Hetze
       instrumentalisiert –, hat die Tragweite seines Mandats nicht verstanden.“
       
       13 Dec 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Landesaufnahmeprogramm-Afghanistan/!5892133
   DIR [2] /Winkraft-Kompromiss-in-Thueringen/!5860234
   DIR [3] /Landesaufnahmeprogramm-Afghanistan/!5892133
   DIR [4] /Thueringer-Antrag-gegen-das-Gendern/!5894568
   DIR [5] /taz-Recherche-zu-Reichsbuerger-Razzia/!5898528
   DIR [6] /CDU-in-Thueringen/!5896825
   DIR [7] https://twitter.com/JLoeschau?ref_src=twsrc%5Egoogle%7Ctwcamp%5Eserp%7Ctwgr%5Eauthor
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Rieke Wiemann
       
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