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       # taz.de -- Die Wahrheit: Schorse der Coach
       
       > Ein scheinbar übermotivierter Übungsleiter, eine kolossale Standpauke und
       > ein Fußballteam, das vor Scham schier im Boden versinken will.
       
       Wir hatten uns in der Soccer-5-Arena für zwei Stunden zum Kicken
       verabredet, aber dann bekam einer Rücken und ein anderer zerrte sich den
       Oberschenkel. Nach einer halben Stunde waren wir wieder raus aus unserem
       Käfig und saßen in der Sportsbar, um begleitet von den spöttischen
       Kommentaren des Wirts unseren Elektrolythaushalt auf Vordermann zu bringen.
       
       „Hör zu, das geht so“, sagte einer aus meiner Bezugsgruppe, „du bringst das
       Bier, und wir machen die Witze!“ Der Wirt schmollte etwas, sagte aber
       nichts mehr. Genau wie kurz zuvor die C-Jugend-Mannschaft in der
       Umkleidekabine, die sich den Anschiss ihres Lebens vom Trainer abgeholt
       hatte.
       
       „Ich dachte, wir spielen Fußball“, rief er, „aber was ihr hier abzieht, hat
       mit Fußball nichts mehr zu tun.“ Auweia, dachte ich, schon wieder so ein
       übermotivierter Übungsleiter, vermutlich einer der Väter der Jungs, der
       nicht verlieren kann und die Niederlage seiner Mannschaft als persönliche
       Beleidigung auffasst.
       
       Ich hatte das oft genug selbst erlebt. Als ein Ball, den mein
       René-Adler-Auge als weit drüber erkannte, von der Latte gegen meinen Kopf
       ins eigene Tor geprallt war, schrie mein Trainer-Dad außer sich vor Wut, er
       würde mich jetzt gern runternehmen – wenn jemand da wäre zum Auswechseln.
       Es war Samstagnachmittag und ich wusste, mindestens bis Montag würde dieser
       Kasus für beste Laune in der Familie sorgen. „Werd doch später mal
       Komiker“, riet mein Bruder, und ich fragte mich, ob ich damals auf der
       Säuglingsstation vertauscht worden war.
       
       Ich hörte also genauer hin und nahm mir vor, moderierend einzugreifen, wenn
       dieser Ehrgeizling seine Losertruppe zu hart rannahm. Aber ich hatte mich
       getäuscht in dem Kerl. Er erhob jetzt seine Stimme, aber nicht weil sie
       verloren hatten. Im Gegenteil, sie hatten haushoch gewonnen.
       
       „Reicht ja nicht, dass die sich eine Packung abgeholt haben“, brüllte er.
       „Nein, man muss auch noch blöde Witze machen, oder wie?! Wer lacht denn
       über den Verlierer? Das ist das allerletzte! Was glaubt ihr, wie die Jungs
       sich jetzt fühlen?“
       
       Dieser Ehrenmann – ich weiß nicht, warum, ich hätte einfach gern, dass er
       Schorse heißt – Schorse hielt seinen Eleven eine Standpauke, die sie in
       diesem Leben nicht mehr vergessen würden und die mir Tränen der Rührung in
       die Augen trieb. Wenn sie weiterhin wollten, dass er ihr Coach bliebe, dann
       müssten sie ihm beim nächsten Training in die Hand versprechen, jeder
       einzelne, dass so etwas nie wieder vorkäme. Nie wieder. „Ist das klar?“ Sie
       sagten nichts. „O-b d-a-s k-l-a-r i-s-t?“ Verzagte Stimmen bejahten. „Linus
       nimmt die Trikots mit! Wir sehen uns Mittwoch. Großen Bock habe ich nicht,
       das kann ich euch sagen.“
       
       Er verließ mit gesengtem Kopf die Kabine und seine Jungs lästerten nicht
       über ihn, sondern schämten sich. Ich ging auch. Unten warteten, hübsch
       aufgereiht, die SUV-Eltern auf ihre kleinen Racker. Gut, dass es einen wie
       Schorse gab.
       
       15 Dec 2022
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Frank Schäfer
       
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