# taz.de -- Studie über Sexismus: Antifeminismus im Familiengericht
> Eine Studie zeigt auf wie sexistische Narrative Frauen in
> Gerichtsverfahren schaden. Die Bundesregierung scheint keinen
> Handlungsbedarf zu sehen.
IMG Bild: „Viele Entscheidungen orientieren sich nicht am Kindeswohl“, sagt Gökay Akbulut
Berlin taz | An Familiengerichten und in Jugendämtern begünstigen
„ideologische antifeministische Narrative“ Entscheidungen. So lautet ein
Ergebnis der im Frühjahr erschienenen [1][Hammer-Studie] „Familienrecht in
Deutschland – Eine Bestandsaufnahme“. Doch die Bundesregierung scheint
diese Erkenntnisse wenig bis gar nicht zu berücksichtigen.
So urteilt Gökay Akbulut, familienpolitische Sprecherin der Linksfraktion
im Bundestag nach einer Kleinen Anfrage an die Bundesregierung. Aus der
Antwort geht hervor: Laut Justizministerium „liegen keine Erkenntnisse vor,
dass häusliche Gewalt in familiengerichtlichen Verfahren systematisch nicht
angemessen berücksichtigt würde“.
Die Hammer-Studie bilanziert, dass Umgangsentscheidungen an
Familiengerichten regelmäßig zur Gefährdung von Frauen und Kindern
beitragen. Wolfgang Hammer untersuchte dafür etwa 1.000
familiengerichtliche Fälle – davon 92 Verfahren, die am
Bundesverfassungsgericht und Bundesgerichtshof verhandelt wurden.
In einem zweiten Teil untersuchte er etwa 1.000 Fälle von Inobhutnahmen.
Vier Narrative seien dabei entscheidend – unter anderem, dass Mütter Gewalt
und Missbrauch erfinden. Oftmals wird Partnerschaftsgewalt deshalb
verschwiegen. „Ich kann euch echt empfehlen, wenn ihr Gewalt erfahren habt
– thematisiert das nicht vor Gericht“, sagte [2][Autorin Jacinta Nandi dazu
in einem taz Talk Ende November]. Damit stünden die Chancen für das
Sorgerecht besser.
## Ministerium plant keine Studie
Das Justizministerium werte im Moment die Studie aus und prüfe weitere
Maßnahmen, heißt es weiter. Auch weist es in der Antwort auf die
entsprechende Vereinbarung im Koalitionsvertrag hin: „Wenn häusliche Gewalt
festgestellt wird, ist dies in einem Umgangsverfahren zwingend zu
berücksichtigen.“ Momentan werde die „bestmögliche Umsetzung“ dieses
Vorhabens geprüft.
„Viele Entscheidungen orientieren sich nicht am Kindeswohl und gefährden
dieses sogar“, so Akbulut. „Beispielsweise gibt es Entscheidungen, in denen
mit einer zu engen Mutter-Kind-Bindung argumentiert wird. Die
Bundesregierung hat allerdings auf viele meiner Nachfragen zur Studie keine
Erkenntnisse.“
Das Familienministerium fördere jedoch im Rahmen des
Bundesinnovationsprogramms „Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen“ ein Projekt,
das zu bestehenden kommunalen Verfahren zur Berücksichtigung von häuslicher
Gewalt bei Sorge- und Umgangsregelungen im familiengerichtlichen Verfahren
forsche. Im Moment wird das Projekt ausgewertet und einzelne Vorhaben
werden diskutiert.
Die Antwort lässt aber auch erkennen: Es ist kein Forschungsvorhaben
geplant in Bezug auf die „Umplatzierung von Kindern in den Haushalt des
anderen Elternteils“ mit Begründung eines [3][„entfremdenden Verhaltens“
eines Elternteils]. Auch dies ist ein Narrativ, das Hammer in seiner Studie
in Urteilsbegründungen herausarbeitete. In 90 Prozent sei das die
Begründung: Die Mutter würde durch eine zu enge Bindung das Kind vom Vater
entfremden.
Auch liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse zu diskriminierenden
Vorfällen in Jugendämtern gegenüber Eltern aufgrund ihrer Herkunft vor.
16 Dec 2022
## LINKS
DIR [1] https://www.frauenhauskoordinierung.de/fileadmin/redakteure/Publikationen/Stellungnahmen/2022-04-12_Hammer_studieUmgang.pdf
DIR [2] https://www.youtube.com/watch?v=wWyzjzxk0ZY
DIR [3] /Aktivistin-ueber-Gewalt-gegen-Frauen/!5813900
## AUTOREN
DIR Nicole Opitz
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