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       # taz.de -- Kämpfe in der Ostukraine: Blutige Schlacht um Bachmut
       
       > Seit Monaten stecken die ukrainische Armee und russische Soldaten in
       > einem brutalen Stellungskampf. Beobachter sehen Parallelen zu Verdun
       > 1916.
       
   IMG Bild: Am 29. November in Bachmut: Die meisten Einwohner haben die Stadt verlassen
       
       Berlin taz | Die Fotos von matschigen Schützengräben in zerbombten
       Mondlandschaften erinnern an den Ersten Weltkrieg. In Berichten werden
       Parallelen zur Schlacht von Verdun gezogen, der französischen Stadt, bei
       der in 302 Tagen im Jahr 1916 weit über 700.000 deutsche und französische
       Soldaten fielen. Die Kämpfe um die Stadt Bachmut im ukrainischen Donbass
       währen erst vier Monate, aber sie entwickeln sich zur tödlichsten Schlacht
       dieses Krieges.
       
       Diese Woche vermeldete die russische Seite ihre größten Erfolge seit
       Wochen, mit der Eroberung dreier Dörfer am Südrand von Bachmut entlang der
       Eisenbahnlinie, die in südöstliche Richtung bis ins 90 Kilometer entfernte
       Donezk führt. Zumindest von Süden her rückt damit das russische Ziel einer
       Einkesselung der bereits weitgehend menschenleeren und zerstörten
       Frontstadt mit einst gut 70.000 Einwohnern näher.
       
       Von Norden her gibt es allerdings keine entsprechenden Vorstöße, und
       pausenlose russische Frontalangriffe aus östlicher Richtung haben in vier
       Monaten nur wenige Kilometer Geländegewinne gebracht – bei beträchtlichen
       eigenen Verlusten. Überraschungseffekte sind ausgeschlossen: Anders als im
       Ersten Weltkrieg wissen in diesem Krieg dank der Luftüberwachung mit
       Drohnen beide Seiten genau, was der Feind macht. Die Artillerie wird
       zumeist aus Bunkern ferngesteuert.
       
       Am 1. August hatte Russlands Verteidigungsministerium den Beginn der
       „Schlacht um Bachmut“ ausgerufen, nachdem die Ukraine sich zuvor von einem
       wichtigen Kraftwerk und der lange umkämpften Kleinstadt Popasna
       zurückziehen musste. Es war die Zeit, als Russland langsam, aber
       unerbittlich [1][im Donbass auf dem Vormarsch schien.]
       
       ## Russland schickt die berüchtigten „Wagner“-Söldner
       
       In mehrmonatigen Kämpfen hatte Russlands Armee die komplette Kontrolle über
       das ostukrainische Gebiet Luhansk errungen, mit besonders schweren Kämpfern
       um die Stadt Sewerodonezk – nun sollte das Gebiet Donezk komplett erobert
       werden, wo seit 2014 die stärksten ukrainischen Verteidigungslinien
       unmittelbar westlich der Stadt Donezk verlaufen, mit Frontstädten wie
       Bachmut.
       
       Zur Eroberung Bachmuts stellte Russland Kämpfer der privaten Söldnerarmee
       Wagner an vorderste Front. Wagner rekrutiert Strafgefangene aus Russland
       mit der Ansage, entweder sie überlebten und kämen frei – oder eben nicht.
       Sie kämpfen unter Anleitung von Söldnern mit Auslandserfahrung, etwa in
       Syrien. Ein russischer Militärblogger bezeichnet sie als „teufelsmutige
       Sturmtruppen“, die „ohne Rücksicht auf Verluste“ vorgehen.
       
       Auf ukrainischer Seite sind die Verluste immens. „Wenn wir sehen, dass
       unsere Truppen großer Gefahr ausgesetzt sind, ziehen wir den Rückzug vor“,
       zitiert die französische Zeitung Le Monde in einer Reportage aus Bachmut
       einen Armeesprecher. „In 80 Prozent der Fälle ziehen wir uns zurück und
       decken das mit Artillerie ab.“
       
       Aber die ukrainische Artillerie, zusammengewürfelt aus Eigenbeständen,
       erbeutetem russischen Material und Spenden unterschiedlicher Nato-Länder,
       ist beim Nachschub mit Munition der russischen Seite weiterhin unterlegen.
       Auch der Verschleiß ist hoch. Die New York Times berichtete vergangene
       Woche, von den 350 Haubitzen aus westlicher Lieferung in der Ukraine seien
       zu jedem Zeitpunkt rund ein Drittel in der Wartung oder Reparatur.
       
       ## Bachmut ist zu wichtig, um aufzugeben
       
       Auch auf russischer Seite schwindet die Kampfkraft. Immer wieder geraten
       Frontberichte russischer Soldaten an die Öffentlichkeit, wonach fast alle
       ihre Kameraden tot seien und Versorgung mit den elementarsten Dingen
       ausbleibe. Die ukrainische Armee meldet, dass sich russische Einheiten
       immer häufiger ungeschützt zu Fuß im Kampfgebiet bewegen, und findet nach
       eigenen Angaben in eroberten russischen Stellungen Papiere von erst im
       Oktober einberufenen Rekruten. Überprüfen lassen sich die Angaben beider
       Seiten nicht.
       
       Für beide Seiten ist Bachmut zu wichtig, um aufzugeben. Die Befürchtung der
       Ukraine: Fällt Bachmut, fällt der Donbass. Die Hoffnung der Wagner-Kämpfer:
       Siegen wir in Bachmut, nachdem die russische Armee sich in Cherson und vor
       Charkiw geschlagen gab, sind wir Nummer eins in der Nach-Putin-Ära. Von der
       Front in Bachmut aus gesehen, entscheidet sich dort die Zukunft der Ukraine
       und Russlands.
       
       30 Nov 2022
       
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