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       # taz.de -- Der Nazi aus dem Norden
       
       > Für Schüler*innen der Mittel- und Oberstufe und
       > Geschichtsinteressierte: Ein neues Schulbuch aus Schleswig-Holstein
       > erzählt, was im Nationalsozialismus in der Region passierte
       
       Von Matthias Propach
       
       Der „Adolf-Hitler-Koog“ in Schleswig-Holstein, [1][heute Dieksanderkoog],
       war eine Mustersiedlung für den Nationalsozialismus, eine Art
       Volksgemeinschaft im Reagenzglas. 1935 eingeweiht, durften dort nur
       gebürtige Dithmarscher Siedler Land bewirtschaften, die ihre arische
       Herkunft nachweisen konnten.
       
       Dieses und weitere konkrete Beispiele illustrieren die Autor*innen Uwe
       Danker und Astrid Schneider von der Europa-Universität-Flensburg in dem
       neuen Schulbuch „Die Volksgemeinschaft in der Region Schleswig-Holstein und
       der Nationalsozialismus“.
       
       Auf 560 Seiten verfolgen sie mit ihrem Fokus auf die Region
       Schleswig-Holstein einen durchaus unkonventionellen Ansatz: „Wenn sie den
       NS nur reichsweit betrachten, wie das überwiegend in Schulbüchern der Fall
       ist, bleibt das ein Abstraktum, das irgendwo stattgefunden hat“, sagt
       Historiker Danker. „Wir holen den Nationalsozialismus mit all seinen
       Facetten von der Attraktivität hin bis zur äußersten Gewalt hier in die
       unmittelbare Nachbarschaft.“ Für Jugendliche sei Adolf Hitler heute genauso
       weit weg wie Luther oder Karl der Große. „Daher werden zu jedem Kapitel
       biographische Fallbeispiele geliefert.“
       
       ## Warum die Gesellschaft mitmachte
       
       Schüler*innen solle so vermittelt werden, „warum ihre Großeltern
       offensichtlich mit starker Mehrheit hinter diesem Regime gestanden haben“.
       Es geht den Autor*innen vor allem darum, die Selbstmobilisierung der
       Bevölkerung zu beschreiben, ohne die das Regime nie derart hätte erstarken
       können. Die NSDAP nutzte die Sehnsucht der Bevölkerung nach einer
       identitätsstiftenden und beschützenden Volksgemeinschaft und knüpfte die
       Idee an ihre Weltvorstellung. Vor allem in der agrarisch strukturierten
       Region, in der der Adolf-Hitler-Koog entstehen sollte, schien das bestens
       anzukommen: Bereits 1932 bekam die Partei in Dithmarschen 67 Prozent, im
       ganzen Bundesland sogar 51 Prozent – bei einem reichsweiten Schnitt von 37
       Prozent.
       
       Neben dem inkludierenden Charakter der nationalsozialistischen
       Volksgemeinschaft ist jedoch auch das Prinzip der gewaltsamen Exklusion von
       zentraler Bedeutung gewesen.
       
       Ein besonders eindrückliches Beispiel: 1941 wurde Heinrich Lohse, der
       Oberpräsident der Provinz Schleswig-Holstein, von Hitler zum
       Reichskommissar von Ostland ernannt. Er war damit verantwortlich für die
       Verwaltung der Besatzung der baltischen Staaten und Teile Weißrusslands.
       Zusammen mit seinem Personal, das überwiegend aus Schleswig-Holstein
       stammte, organisierte er die öffentliche Erschießung Hunderttausender
       Juden. Nach Kriegsende wurde Lohse zu einer zehnjährigen Haft verurteilt. 
       
       Allein am Beispiel Lohse, sagt Danker, könne man „in Schleswig-Holstein die
       komplette NS-Geschichte regional begreifen“.
       
       7 Dec 2022
       
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