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       # taz.de -- In der EU nicht zugelassene Pestizide: Exportverbot mit Schlupflöchern
       
       > Ackergifte, die in der EU verboten sind, sollen auch nicht exportiert
       > werden dürfen. Kleinbauern im Globalen Süden begrüßen das grundsätzlich.
       
   IMG Bild: Das von Cem Özdemir geplante Ausfuhrverbot ist schon mal ein guter Plan. Kann er noch drauflegen?
       
       Berlin taz | 274 Menschenrechts-, Kleinbauern- und Umweltorganisationen aus
       dem Globalen Süden unterstützen das von der Bundesregierung geplante
       [1][Exportverbot von hierzulande untersagten Pestiziden].
       
       In einem Brief an Agrarminister Cem Özdemir danken sie dem Grünen-Politiker
       für seine [2][Ankündigung], Ausfuhren von gesundheitsschädlichen
       Pflanzenschutzmitteln zu verbieten, die in Deutschland produziert werden,
       aber in der EU nicht eingesetzt werden dürfen. Unterzeichner sind zum
       Beispiel die Sektion des Pestizid Aktions-Netzwerks im
       asiatisch-pazifischen Raum und der brasilianische Verband des FoodFirst
       Informations- und Aktions-Netzwerks.
       
       „In unseren Ländern sind die Gesundheit und die Lebensgrundlagen der
       Menschen durch hochgefährliche Pestizide bedroht, die in der EU verboten
       sind“, heißt es in dem Schreiben, das der taz vorliegt. Mit einem
       Exportverbot werde Deutschland seine Verpflichtungen aus internationalen
       Abkommen erfüllen, „Menschen im Ausland vor Menschenrechtsverletzungen zu
       schützen“. Weltweit vergiften sich Umweltschützern zufolge jährlich 385
       Millionen Menschen akut mit solchen Pestiziden. 11.000 Erkrankte würden in
       der Folge sogar sterben – vor allem im Globalen Süden. Weitere erkrankten
       zum Beispiel an Krebs.
       
       Allerdings verlangen die Organisationen aus 54 Ländern in Afrika,
       Lateinamerika und Asien von Özdemir, dass er nicht nur wie bisher geplant
       die Ausfuhr kompletter Pestizidprodukte unterbindet, sondern auch die von
       Wirkstoffen in purer Form. Sonst könnten die Unternehmen einfach Wirkstoffe
       ausführen, die dann im Einfuhrland zusammen mit anderen Substanzen zu einem
       Pestizidprodukt gemischt werden, warnen die Verbände. Zudem sollten
       zusätzlich Substanzen ins Visier genommen werden, die wegen ihrer Gefahr
       für die Umwelt verboten worden sind. Letzteres gibt der Vertrag der
       Ampelkoalition jedoch nicht her.
       
       ## Özdemir: „Keine Doppelstandards“
       
       „Der überwältigend breite, internationale Zuspruch für unsere Politik
       bestärkt uns darin, ein Exportverbot schnellstmöglich umzusetzen“, sagte
       Özdemir der taz. „Wenn Deutschland ein echter Partner des Globalen Südens
       sein will, können wir Doppelstandards nicht weiter zulassen.“ Außerdem
       würde ein Exportverbot „ein Stück weit mehr Fairness im Wettbewerb“ für
       deutsche LandwirtInnen schaffen, wenn die Produkte auch anderswo nicht mehr
       eingesetzt werden dürfen. „Frankreich und die Schweiz gehen diesen Weg
       bereits, und [3][ich werbe dafür, dass sich uns weitere Länder
       anschließen“, so Özdemir].
       
       Eine Verordnung für das Exportverbot „soll nach Möglichkeit im ersten
       Halbjahr 2023 verabschiedet werden“, teilte sein Ministerium mit. Den
       Referentenentwurf hatte es für Ende dieses Jahres angekündigt.
       
       Deutschland hat dem Agrarministerium zufolge im vergangenen Jahr 8.525
       Tonnen Pfanzenschutzmittel exportiert, die in der EU nicht genehmigt sind.
       Etwa 160 der Substanzen seien Wirkstoffe mit potenziell
       gesundheitsschädlichen Eigenschaften. Insgesamt trägt die Bundesrepublik
       nach Angaben von Umweltorganisationen 9,5 Prozent zum globalen
       Pestizidexportgeschäft bei.
       
       ## Kritik der Hersteller
       
       Der Industrieverband Agrar, der die deutschen Pestizidhersteller vertritt,
       lehnt ein Ausfuhrverbot aller in der EU nicht zugelassenen
       Pflanzenschutzmittel ab. „Denn es würde die importierenden Länder wichtiger
       Hilfsmittel zum Schutz ihrer Ernten und damit der Ernährungssicherheit
       berauben“, schrieb ein Sprecher der Organisation der taz bereits im
       September. Für zahlreiche Pestizide würden in der EU Zulassungen gar nicht
       erst beantragt, weil die betreffenden „Kulturpflanzen hier nicht angebaut
       werden oder die Schädlinge hier nicht vorkommen“.
       
       Ein erheblicher Teil der betroffenen Exporte gehe in Industriestaaten wie
       die USA, Kanada oder Japan. „Diese Länder haben robuste
       Zulassungsverfahren, die sich allerdings von dem der EU unterscheiden.“
       Silke Bollmohr, Welternährungsreferentin des entwicklungspolitischen
       Netzwerks Inkota, wandte dagegen ein, es handele sich durchaus auch um
       Wirkstoffe, die in der EU jahrelang genehmigt waren und dann aufgrund neuer
       Erkenntnisse ihre Zulassung verloren hätten.
       
       4 Dec 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Ausfuhren-von-Pestiziden/!5881249
   DIR [2] https://www.bmel.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2022/119-vo-exportverbot-pestizide.html
   DIR [3] /Landwirtschaftsminister-Cem-Oezdemir/!5897278
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jost Maurin
       
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