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       # taz.de -- NATO-Beitritt Schwedens und Finnlands: Schweden liefert Kurden aus
       
       > Die Türkei verbindet die Nato-Erweiterung mit Bedingungen. Schweden
       > liefert Kurden aus, die angeblich mit der PKK zusammenarbeiten.
       
   IMG Bild: Der Ministerpräsident von Schweden besuchte den Präsidenten der Türkei Anfang November in Ankara
       
       Stockholm taz | Schweden hat am Freitag zwei Kurden in die Türkei
       abgeschoben. Während die Identität des einen Mannes am Sonntag noch nicht
       offiziell bekannt war, handelt es sich bei dem zweiten um den wegen
       angeblicher Zusammenarbeit mit der PKK in der Türkei verurteilten Mahmut
       Tat. Er wurde Freitagnacht bei seiner Ankunft am Flughafen Istanbul
       festgenommen und am Samstag inhaftiert. Türkische Medien waren vorab
       informiert worden und veröffentlichen Foto- und Filmaufnahmen der
       Festnahme.
       
       Die Ausweisung wird in mehreren türkischen Medien als großer Erfolg der
       Regierung dargestellt. Sie habe es geschafft, Stockholm zu Gegenleistungen
       für eine Ratifizierung des schwedischen NATO-Beitrittsantrags zu der
       Auslieferungen gezwungen zu haben. Recep Tayyip Erdoğan hatte Schweden
       vorgeworfen, ein regelrechter Hort für kurdische Terroristen zu sein.
       [1][Als Bedingung für eine türkische Zustimmung zur NATO-Norderweiterung]
       hatte der türkische Präsident die Auslieferung von 73 namentlich genannten
       „Terroristen“ gefordert.
       
       Der Name von Mahmut Tat war nicht auf dieser Liste. 2015 flog er nach
       Schweden, nachdem ein türkisches Gericht ihn zu einer Gefängnisstrafe von
       sechs Jahren und zehn Monaten wegen „Zusammenarbeit mit einer
       Terrororganisation“ verurteilt hatte.
       
       Laut Tat handelt es um „eine Lüge“, er habe nichts mit der PKK zu tun
       gehabt. Der einzige Beweis, der vor Gericht vorgelegt wurde, sei die
       Aussage eines ehemaligen PKK-Mitglieds gewesen. Er hatte inzwischen Seiten
       gewechselt und wurde zum Polizeiinformanten.
       
       Tat stellte in Schweden einen Asylantrag, den die Migrationsbehörde erst im
       März 2020 negativ beschied. Im Februar 2021 lehnte das Migrationsgericht
       eine gegen diese Entscheidung erhobene Klage ab. Eine Ausweisung hatte aber
       offensichtlich keine Priorität.
       
       Tat versuchte nicht abzutauchen, sondern arbeitete weiterhin in einer
       Pizzeria in Göteborg und stellte mit Hinweis auf eine mittlerweile
       diagnostizierte Krebserkrankung einen Antrag auf Erteilung einer
       Aufenthaltserlaubnis. Ein Antrag, der in vergleichbaren Fällen gute Chancen
       auf eine positive Entscheidung hat.
       
       ## Verhaftet Ende November
       
       Plötzlich wurde dann Tat am 22. November verhaftet. Zwei Tage später kam
       dann er in Abschiebehaft. Die Abschiebung erfolgte eine Woche nachdem sich
       Repräsentanten der Regierungen Schwedens, Finnlands und der Türkei in
       Stockholm getroffen hatten, um „über die Umsetzung des Übereinkommens von
       Madrid“ zu verhandeln.
       
       Beim NATO-Gipfel in Madrid Ende Juni hatten die Länder ein „trilaterales
       Memorandum“ unterzeichnet, in dem sich Finnland und Schweden
       verpflichteten, die „Aktivitäten aller terroristischen Organisationen“ zu
       unterbinden. Am vergangenen Mittwoch hatte der türkische Außenminister
       Mevlüt Çavuşoğlu von „positiven Schritten“ gesprochen, die man mittlerweile
       machen konnte. „Konkrete Handlungen“ [2][erwartete allerdings nun die
       Türkei.]
       
       Tats juristischer Vertreter Abdullah Deveci kritisiert die Abschiebung als
       „fürchterlich – für Tat, aber auch für Schwedens Demokratie und für die
       Menschenrechte“. Schwedens Migrationsministerin Maria Malmer Stenergard
       bestritt jede Einflussnahme ihrer Regierung auf das Handeln von
       Migrationsbehörden und Polizei.
       
       ## Finnland lobt Ungarn
       
       [3][Um Ungarn, das zweite NATO-Land, das die Norderweiterung noch nicht
       ratifiziert hat], kümmert sich derweil Finnland. Während die EU die Tonlage
       gegenüber Ungarn zuletzt deutlich verschärfte, lobte Finnlands
       Staatspräsident Sauli Niinistö neulich Viktor Orbán nach einem Telefonat
       mit dem ungarischen Ministerpräsidenten: „Wie gut kann man sich auf Ungarn
       verlassen“, betonte Niinistö. Er freue sich „über eine weitere Stärkung der
       finno-ugrischen Verbindungen“.
       
       Mit Hinweis auf die „rückgratlosen finnischen Politiker der Nachkriegszeit“
       gegenüber der Sowjetunion, spricht nun der Kulturchef der finnischen
       Tageszeitung Hufvudstadsbladet von einer „Finnlandisierung 2.0“.
       
       4 Dec 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Schwedens-Ministerpraesident-in-Ankara/!5894201
   DIR [2] /Tuerkei-Blockade-bei-Nato-Norderweiterung/!5852247
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       ## AUTOREN
       
   DIR Reinhard Wolff
       
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