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       # taz.de -- Rechte Chatgruppen in der Polizei Berlin: Die Spitze der Eierköppe
       
       > Aus einem Verdächtigen werden 62: Ermittlungen wegen rechter Chatgruppen
       > in der Polizei weiten sich aus. Nun sind erneut 2 Gruppen bekannt
       > geworden.
       
   IMG Bild: 62 Polizist*innen in Berlin drohen strafrechtliche und disziplinarische Maßnahmen wegen rechter Chatgruppen
       
       Berlin taz | Es gibt deutlich mehr rechte „Eierköppe“ in der Berliner
       Polizei als bisher bekannt: Die Polizei hat eigenen Angaben zufolge die
       Ermittlungen um rassistische Chatgruppen ausgeweitet. Ging es zunächst
       gegen vier Polizisten in einer Gruppe namens „Eierköppe“, ermittelt die
       Polizei nun gegen 62 Beamt*innen, die rechtsextreme Inhalte, Bilder und
       Witze teilten. Ermittler*innen stießen demnach „bei der Auswertung
       beschlagnahmter Beweismittel auf zwei weitere polizeiinterne Gruppenchats,
       in welche potenziell strafbare und disziplinarwürdige Inhalte eingestellt
       worden sind“, wie es in einer [1][Mitteilung der Polizei von Freitag
       heißt]. Laut [2][Bericht des Tagesspiegels] sollen die Beamten dort rechte
       Propaganda und rassistische Sprüche geteilt haben.
       
       Die internen Ermittlungen werden von der [3][„EG Zentral“ des LKA Berlin]
       geführt, einer fünfköpfige Gruppe, die wegen des strukturellen
       Rechtsextremismusproblems in der Polizei geschaffen wurde. Weiter hieß es:
       „Nach erster rechtlicher Würdigung sind die Inhalte nicht strafrechtlich,
       aber disziplinar- und dienstrechtlich relevant.“ Die Rollen der beteiligten
       Dienstkräfte seien dabei unterschiedlich und reichten „von aktivem Tun bis
       zum Dulden entsprechender Inhalte“. Maßnahmen würden derzeit für alle
       Beteiligten dieser Chatgruppen geprüft, einige seien bereits vollzogen
       worden. So soll es bereits Versetzungen gegeben haben.
       
       Die Polizeipräsidentin Barbara Slowik ließ sich zitieren mit den Worten:
       „Die Achtung der Menschenwürde sowie die Verfassungstreue sind Grundfeste
       unseres Berufs.“ Dienstliches und außerdienstliches Verhalten von
       Polizist*innen dürfe keinen Zweifel daran aufkommen lassen. Mit der „EG
       Zentral“ gehe man daher nicht nur politisch motiviertem strafbaren Handeln
       nach, sondern prüfe auch Sachverhalte unterhalb der Strafbarkeitsschwelle,
       so Slowik.
       
       Den Anfang nahmen die Ermittlungen innerhalb der Polizei bei Detlef M.,
       einem Polizisten und AfD-Mitglied aus Neukölln. Er ist einer der
       „Eierköppe“-Gruppe, in der neben vier Polizist*innen auch [4][acht
       weitere Personen waren]. Zuvor hatte M. sich 2016 mehrfach auch mit dem
       [5][Neuköllner Neonazi Tilo P. ausgetauscht], der damals ebenfalls
       AfD-Mitglied war und in den Neukölln-Komplex verstrickt ist. Nach einer
       Durchsuchung bei P. waren die Sicherheitsbehörden auch M. auf die Schliche
       gekommen. Polizist M. hatte in einem AfD-Telegram-Chat geheime und sensible
       Polizeiinformationen nach dem islamistischen Terroranschlag am
       Breitscheidplatz geteilt. Die [6][Ermittlungen deswegen wurden im Juni
       2020] bekannt. Ein Verfahren wegen eines Strafbefehls, gegen den Detlef M.
       Widerspruch eingelegt hatte, stand zuletzt noch aus.
       
       ## „Nicht nur Einzelfälle“
       
       Der Verdacht gegen Detlef M. führte zu Durchsuchungen in seiner Wohnung und
       Beschlagnahmung von Geräten. Die Folge davon waren drei weitere
       beschuldigte Polizisten. Nachdem auch deren Adressen wegen Volksverhetzung
       und Verwendens von verfassungsfeindlichen Symbolen durchsucht wurden, gibt
       es nun die 62 Verdächtigen. Ob es bei diesen Polizist*innen wiederum zu
       Durchsuchungen und Sicherung von Beweismaterial kam, ließ die Polizei auf
       taz-Anfrage bisher unbeantwortet.
       
       Niklas Schrader, Innenpolitiker der Linken, sagte der taz: „Wenn die Zahl
       im Zuge der Ermittlungen wie bei einem Schneeballsystem von 4 auf 62
       anwächst, ist das ein alarmierendes Zeichen.“ Das müsste insbesondere die
       [7][Innensenatorin Iris Spranger (SPD)] anerkennen, fordert Schrader: „Ich
       erinnere daran, wie die Innensenatorin einen Ausraster bekommen hat, als
       wir im Innenausschuss das Problem angesprochen haben. Sie muss anerkennen,
       dass es nicht nur Einzelfälle sind.“
       
       Schrader forderte eine zügige Aufklärung, auch weil der Innenausschuss
       zuvor kaum Informationen über die Fälle hatte. Schrader will nun wissen,
       aus welchen Einheiten die Beschuldigten sind, inwieweit bereits Sanktionen
       verhängt wurden und ob der Vorgang wiederum weitere Ermittlungen nach sich
       ziehe. Ebenso müsse über Konsequenzen nachgedacht werden: „Allein durch
       Versetzungen bekommt man die Situation nicht in den Griff“, sagt Schrader.
       Auch frage er sich, ob es erneut, wie bei Detlef M., [8][Bezüge zum
       Neukölln-Komplex] gibt.
       
       Auch der grüne Innenpolitiker Vasili Franco kritisierte: „Dass nicht einmal
       Innenausschussmitglieder informiert wurden, ist kein guter Stil.“ Franco
       will bei der nächsten innenpolitischen Koalitionsrunde am Donnerstag
       nachhaken und das Thema auf die Agenda des Innenausschusses setzen. Beamte
       in Uniform trügen eine besondere Verantwortung, die auch für interne
       Kommunikation gelte. „Solche Vorfälle beschädigen das Vertrauen in die
       gesamte Polizei, umso wichtiger ist es, hier eine klare Grenze zu ziehen.“
       
       Mit den neuen, zumindest nach Polizeiangaben rein internen Gruppenchats
       sind [9][mittlerweile fünf rechte Chatgruppen in der Berliner Polizei]
       bekannt. Im Februar 2020 war bekannt geworden, dass sich 25
       Polizist*innen über Jahre [10][rassistische und rechtsextreme
       Nachrichten geschickt hatten]. Im Oktober desselben Jahres kam heraus, dass
       26 Polizei-Schüler*innen [11][Hakenkreuze und Tierpornos ausgetauscht]
       hatten. Dann gibt es noch die „Eierköppe“-Gruppe von M. sowie die zwei nun
       bekannt gewordenen Gruppen. Hinzu kommt wenigstens ein Polizist, der 2019
       aus Hessen nach Berlin wechselte und in einer [12][externen rechten
       Chat-Gruppe aktiv war].
       
       18 Dec 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.berlin.de/polizei/polizeimeldungen/2022/pressemitteilung.1275788.php
   DIR [2] https://www.tagesspiegel.de/berlin/fragwurdige-inhalte-in-gruppenchats-staatsschutz-ermittelt-gegen-62-polizeiangehorige-in-berlin-9045112.html
   DIR [3] /Rechtsextremismus-in-der-Polizei/!5757453
   DIR [4] https://www.tagesspiegel.de/berlin/die-rechten-eierkoppe-bei-der-polizei-berlin-4270183.html
   DIR [5] /Ermittlungen-gegen-Berliner-Beamten/!5690788
   DIR [6] /Anschlag-auf-Berliner-Weihnachtsmarkt/!5688454
   DIR [7] /Innensenatorin-Iris-Spranger/!t5827174
   DIR [8] /Rechter-Terror-in-Berlin-Neukoelln/!t5612550
   DIR [9] /Ermittlungen-gegen-Berliner-Polizisten/!5786938
   DIR [10] /Rassistische-Chat-Gruppe-bei-Berliner-Polizei/!5715614
   DIR [11] /Rechte-Chatgruppe-bei-der-Polizei-Berlin/!5717565
   DIR [12] https://www.tagesspiegel.de/berlin/berliner-polizist-soll-wortfuhrer-in-rechtsextremem-chat-sein-5953150.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Gareth Joswig
       
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