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       # taz.de -- Videoüberwachung auf Weihnachtsmärkten: Wer muss sich den Mist ansehen?
       
       > In Hannover wird der Weihnachtsmarkt videoüberwacht. Das finden
       > Bürgerrechtsaktivisten unverhältnismäßig.
       
   IMG Bild: Videoüberwachung eines Weihnachtsmarktes – hier 2016 in Frankfurt am Main
       
       Seit Jahr und Tag führen die tapferen Kämpfer von freiheitsfoo einen
       einsamen Kampf gegen die [1][Videoüberwachung im hannöverschen
       Straßenraum]. Diese Woche muss mal wieder das Verwaltungsgericht eine
       Eilentscheidung treffen: Die Bürgerrechtsaktivisten finden die mobilen
       Kameras, die die Polizei rund um den Weihnachtsmarkt postiert hat,
       unzureichend beschildert und unverhältnismäßig – immerhin scheint es so,
       als hätte man damit in den vergangenen Jahren nicht mehr erwischt als ein
       paar Taschendiebe und Rangeleien.
       
       Spannend wird jetzt, zu gucken, wer schneller ist: Das Verwaltungsgericht
       mit der Entscheidung im Eilantragsverfahren oder die Budenbetreiber beim
       Abbau. Der Weihnachtsmarkt geht nämlich nur noch bis Donnerstag.
       
       Vom konkreten Anlass abgesehen ist der Kampf gegen die Videoüberwachung
       aber wohl eher einer dieser Sisyphos-Jobs für die Ewigkeit oder alle Jahre
       wieder. Egal wie viele Studien noch belegen, dass [2][Kameras gar keine
       Kriminalität bekämpfen]– zum Beispiel, weil Affekttaten einfach trotzdem
       passieren und „rationale“ Täter schlicht ausweichen: Sie bleiben das
       Lieblings-Placebo eines jeden Innenpolitikers. Unheilbar ist das
       Wunschdenken, dass es für alles doch eine möglichst einfache technische
       Lösung geben müsste. Und nichts verkündet so schön „Sieh her, ich
       unternehme ja was“ wie die Kamera auf irgendeinem Dach.
       
       ## Angst im Land der XY-Gucker
       
       Man könnte hier ja einmal versuchen, das Lieblingsargument der Polizei
       gegen Rassismus-Studien anzubringen: Generalverdacht gegen jeden
       Weihnachtsmarktbesucher! Unverschämtheit! Aber das zieht natürlich nicht.
       Weihnachtsmarktbesucher sind offenbar Leute, die am Anfang noch gar nicht
       wissen, dass sie nachher etwas zu verbergen haben werden. Und im Zweifel
       ist den meisten vielleicht auch informationelle Selbstbestimmung zu
       abstrakt und Privatsphäre nicht so viel wert. Jedenfalls, wenn man das
       gegen die Angst abwägt, zum Opfer einer Straftat zu werden. Und die ist in
       Deutschland, dem Land der Tatort- und Aktenzeichen-XY-Gucker, nun einmal
       groß. Das Ansehen der [3][wackeren Kommissare] auch.
       
       Vielleicht sollten die Überwachungsbekämpfer die Strategie wechseln und
       versuchen, das Pferd andersrum aufzuzäumen. Kann man dem nicht
       arbeitsrechtlich beikommen? Welches arme Schwein muss sich den Mist denn
       ansehen? Das unbeholfene Paarungsverhalten, die zankenden Familien, die
       besoffenen Männer, die an Holzbuden pinkeln. Das ist ja wie Dschungelcamp,
       in noch schlechterer Bildqualität und ohne lustige Kommentare. Verstößt das
       denn gar nicht gegen irgendwas? Die deutsche Berufsbeamtenwürde? Und was
       ist mit der Verschwendung von Arbeitszeit, machen die nicht genug
       Überstunden? Wo sind diese Personalräte, Polizeigewerkschaften oder
       Steuerzahlervertreter, wenn man sie mal braucht?
       
       Nach Auskunft von Freiheitsfoo machte die Polizeidirektion jedenfalls
       widersprüchliche Angaben dazu, ob diese Videoaufnahmen ständig live
       überwacht oder bloß anlassbezogen betrachtet werden. Das ist doch
       verdächtig. Die verbergen doch was. Am Ende guckt dieses Dschungelcamp gar
       keiner. Oder es nützt einfach nichts. Sonst hätte es doch längst eine
       Pressekonferenz zur Verkündung der grandiosen Erfolge gegeben.
       
       22 Dec 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Ueberwachung-im-oeffentlichen-Raum/!5745026
   DIR [2] https://www.zeit.de/digital/datenschutz/2013-04/videoueberwachung-panopticon/komplettansicht
   DIR [3] /Polizisten-koennen-Systemfehler-sein/!5887060
       
       ## AUTOREN
       
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