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       # taz.de -- Nach den Reichsbürger-Razzien: Fehde ums Waffenrecht
       
       > Die terrorverdächtigen Reichsbürger besaßen etliche Waffen. Die FDP will
       > trotzdem keine Gesetzesverschärfung. SPD und Grüne machen nun Druck.
       
   IMG Bild: Frankfurt, 7. Dezember: Polizisten vor der Wohnung von einem der durchsuchten Terrorverdächtigen
       
       Berlin taz | Es war ein ganzes Pistolen- und Gewehrarsenal, das die Beamten
       bei dem Sachsen fanden, als sie vor anderthalb Wochen bundesweit zu
       [1][Razzien gegen terrorverdächtige Reichsbürger] ausrückten. Kein Wunder:
       Der Mann ist Waffenhändler. 20 Waffen durfte er legal privat besitzen, 43
       gewerblich. Nun gehört der Händler zu den Beschuldigten. Und die Ermittler
       müssen klären, ob seine Waffen auch für die Terrorpläne vorgesehen waren.
       
       Und nicht nur bei ihm wurden Waffen gefunden. [2][Mehr als 90 Waffen]
       wurden bei den Razzien bei den 54 durchsuchten Beschuldigten beschlagnahmt,
       44 davon Schusswaffen. Und mindestens 10 davon waren in illegalem Besitz,
       wie nun das Bundesinnenministerium dem Innenausschuss des Bundestags
       mitteilte.
       
       Womöglich wurden aber noch nicht einmal alle Waffen entdeckt: Denn laut
       Nationalem Waffenregister waren den Durchsuchten 94 legale Waffen
       zugeordnet – die meisten dem Waffenhändler. Aber auch die festgenommene
       AfD-Politikerin und Richterin [3][Birgit Malsack-Winkemann] soll legal
       einen Revolver und Gewehr besessen haben. Den Beschuldigten werden
       Putschpläne und die beabsichtigte Bildung von „Heimatschutzkompanien“
       vorgeworfen.
       
       ## Schießtraining im April in Bayern
       
       Einige der Festgenommenen sollen bereits Anfang April auf einem bayerischen
       Schießstand auf dem Oschenberg bei Bayreuth trainiert haben – teils unter
       Klarnamen, teils unter Pseudonym. Laut Spiegel waren die nun Festgenommenen
       [4][Peter W. und Rüdiger von P.] dabei, beide frühere Soldaten. W. soll
       auch an Überlegungen der Gruppe beteiligt gewesen sein, den Bundestag zu
       stürmen.
       
       Als Betreiber des Schießplatzes war zuletzt der frühere Waffenhändler
       Dieter W. eingetragen. Für taz-Nachfragen war er nicht erreichbar, seine
       Frau legte am Telefon einfach auf. Gegenüber der Frankenpost bestritt W.,
       die Festgenommenen zu kennen, kritisierte die Durchsuchungen aber als
       „maßlos übertrieben und aufgebauscht“.
       
       Innenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte nach den Razzien erklärt, sie
       wolle die Reichsbürgerszene [5][weiter entwaffnen und das Waffenrecht
       verschärfen]. Verboten werden soll der Besitz kriegsähnlicher
       halbautomatischer Waffen. Zudem sollen sich Sicherheits- und Waffenbehörden
       enger austauschen. Der Gesetzentwurf geht laut Faeser in Kürze in die
       Ressortabstimmung. Es ist ein Plan, den sie [6][bereits im Frühjahr
       verkündete], der durch die vielen legal besessenen Waffen der
       Festgenommenen nun aber neue Dringlichkeit bekommt.
       
       ## Justizminister Buschmann gegen Waffenrechtsverschärfung
       
       Die FDP jedoch [7][blockiert eine Waffenrechtsverschärfung schon länger].
       Und auch Justizminister Marco Buschmann (FDP) betonte nun, das Waffengesetz
       sei bereits streng genug und müsse nur besser durchgesetzt werden. Wenn
       sich Menschen illegal Waffen beschafften, würden auch strengste
       Waffengesetze nicht weiterhelfen. Schon Faesers Vorgänger Horst Seehofer
       (CSU) war mit einer Waffenrechtsverschärfung gescheitert – am Widerstand
       der Waffenlobby und der Unionsfraktion.
       
       Die Ampel-Koalitionspartner machen jetzt Druck auf die FDP. „Nancy Faeser
       arbeitet an klugen Vorschlägen für mehr Sicherheit“, sagte SPD-Innenexperte
       Sebastian Fiedler am Montag der taz. Man dürfe nicht bestehende
       Vorschriften oder den Kampf gegen illegale Waffen gegen diese Ideen
       ausspielen. „Ich kann allen Ampelpartnern inklusive den Freunden in der FDP
       nur raten, nicht vorbehaltlos der Waffen- und Schützenlobby
       hinterherzulaufen.“
       
       Auch der Grüne Konstantin von Notz betonte, die Razzien zeigten, dass
       Reichsbürger und Rechsextreme noch immer viel zu leicht an Waffen kämen.
       „Das Problem müssen wir dringend angehen.“ Er forderte die FDP auf, sich
       einer besseren Durchsetzung und möglichen Verschärfung des Waffenrechts
       „nicht von vornherein zu verschließen“. Auch im Ampel-Koalitionsvertrag sei
       eine Evaluation des Waffenrechts vereinbart worden. „Dies angesichts der
       jüngsten Ereignisse nun nicht zu tun, wäre schlicht absurd.“
       
       Ein zweiter Plan von Faeser ist dagegen auf dem Weg. Nach den Razzien legte
       die Innenministerin auch einen [8][Gesetzesentwurf für eine Verschärfung
       des Disziplinarrechts] vor, um extremistische Beamte wie die Richterin
       Malsack-Winkemann schneller aus dem Dienst zu entfernen. Hier äußerte
       Justizminister Buschmann keine Einwände.
       
       Menschen mit staatsfeindlicher Gesinnung frühzeitig zu identifizieren und
       aus dem öffentlichen Dienst zu entfernen, sei „entscheidend“, erklärte der
       FDP-Mann. Für Faesers Vorstoß werde man daher „eine vernünftige Lösung
       finden“. Eine Entfernung aus dem öffentlichen Dienst müsse aber die
       Ausnahme bleiben und „höchste rechtliche Standards erfüllen“. Effektiver
       Rechtsschutz und rechtliches Gehör der Betroffenen blieben unverzichtbar,
       so Buschmann. Das sichert auch Faesers Gesetzentwurf zu.
       
       19 Dec 2022
       
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