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       # taz.de -- LNG-Terminal geht in Betrieb: Wieder Gas aus Russland
       
       > Zu ersten Mal fließt Erdgas am neuen LNG-Terminal in Wilhelmshaven. Ein
       > Teil davon stammt aus Putins Reich.
       
   IMG Bild: Hier lief am Mittwoch erstmals Gas: LNG-Terminal in Wilhelmshaven
       
       BERLIN taz | Es floss bereits einen Tag früher als angekündigt: Am Mittwoch
       um 9 Uhr wurde das erste Gas vom [1][ersten deutschen
       Flüssigerdgas-Terminal in Wilhelmshaven] ins hiesige Netz eingespeist.
       Wegen der „engen Zusammenarbeit von Behörden und Unternehmen“, so
       Terminalbetreiber [2][Uniper], sei alles zügiger gelaufen als gedacht.
       
       Eigentlich soll das angelieferte Flüssigerdgas (LNG, Liquefied Natural Gas)
       den bis Anfang September noch durch Pipelines aus Russland gelieferten
       Brennstoff ersetzen. Aber möglicherweise stammen zumindest Teile des LNG
       auch aus Putins Reich.
       
       Tatsächlich kauften die EU-Länder in diesem Jahr rund ein Viertel mehr LNG
       aus Russland ein als vor dem Ausbruch des Ukrainekriegs – während nun auch
       ein Ölembargo gegen das Land greift. Hauptsächlich geht das russische LNG
       in Europa derzeit aber nach Frankreich und Spanien. In Spanien wurde zum
       Beispiel für das im Jahr 2018 eröffnete LNG-Terminal in Galicien ein
       Liefervertrag für 24 Jahre abgeschlossen. Das Gas kommt von der
       Verflüssigungsstation auf der sibirischen Jamal-Halbinsel.
       
       In Spanien und Frankreich seien es Firmen wie TotalEnergies, Naturgy und
       Repsol, die langfristige Verträge mit der russischen Firma Novatek
       unterzeichnet hätten, sagt Andreas Schröder vom Datenunternehmen Icis, das
       auf Energiemärkte spezialisiert ist.
       
       ## Europa kauft mehr Flüssiggas aus Russland
       
       Aber auch andere Länder Europas kauften LNG in Russland ein. Bei den
       belgischen Importen aus Russland habe es im November und Dezember gar einen
       „bemerkenswerten Anstieg“ gegeben, sagt Schröder. Die Briten unterdessen
       hätten die LNG-Importe aus Russland im April bereits gestoppt.
       
       Da Deutschland seinen Erdgasbedarf nach dem Stopp der Pipeline-Lieferungen
       vor allem aus LNG-Lieferungen deckt, die in Frankreich, Belgien und den
       Niederlanden ankamen, flossen auf diesem Wege bereits beträchtliche Mengen
       russischen Erdgases in die hiesigen Speicher. Daran wird sich auch in
       Zukunft nichts ändern, weil sich in einem zusammenhängenden Netz die
       Herkunft einzelner Kontingente nicht definieren lässt.
       
       Obwohl Russland zuletzt deutlich mehr LNG lieferte als im Vorjahr, sank der
       Anteil russischen Erdgases an den LNG-Importen nach Europa. Das liegt
       daran, dass 2022 der Gesamtimport von LNG noch stärker, nämlich um gut 40
       Prozent anstieg.
       
       Der Anteil russischen LNG, der in der EU in den letzten Jahren stabil
       zwischen 19 und 20 Prozent gelegen hatte, liegt nun für das Jahr 2022 bei
       je nach Schätzung zwischen 13 bis 16 Prozent. Somit sind die Abhängigkeiten
       Europas von Russland beim LNG längst nicht mit den früheren Abhängigkeiten
       von russischem Pipelinegas vergleichbar.
       
       ## „EU-Importe von russischem LNG sind vertraglich nicht russisch.“
       
       Ob über das erste deutsche LNG-Terminal und weitere, die an der deutschen
       Küste in Bau sind, eines Tages auch russisches Gas direkt nach Deutschland
       kommen wird, ist nicht absehbar. „Wir gehen nicht davon aus, dass
       langfristige Verträge über die Lieferung von LNG aus Russland nach
       Deutschland unterzeichnet werden“, sagt Hanns Koenig vom
       Beratungsunternehmen Aurora Energy Research.
       
       Allerdings gebe es auch keine Vorschriften, die Importeure daran hindern,
       russisches LNG auf dem Spotmarkt zu kaufen. Zumal es an den kurzfristigen
       Märkten oft schwer ist, die Herkunft zu benennen: „Ein Großteil des nach
       Europa verkauften russischen LNG ist vertraglich nicht russisch.“ Es sind
       oft Händler dazwischengeschaltet, zum Beispiel asiatische LNG-Käufer.
       
       Spätestens aber wenn der Krieg in der Ukraine vorbei ist und die
       Aufmerksamkeit sich wieder von den russischen Wirtschaftsaktivitäten
       abgewendet hat, dürfte auch von dort LNG direkt nach Deutschland kommen.
       
       Es ist günstig: „Aufgrund der viel kürzeren Transportwege könnte dieses Gas
       im Vergleich zu LNG aus anderen Quellen relativ billig verfügbar sein, was
       europäische Importeure dazu bewegen könnte, dieses Gas zu kaufen“, sagt
       Energieexperte Koenig. Das gelte insbesondere für die Wintermonate, in
       denen die Schließung der nördlichen Seeroute LNG-Lieferungen aus den
       westlichen Regionen Russlands nach Asien wesentlich verteuert. Dann wird
       das russische LNG auf die europäischen Märkte drängen.
       
       ## USA liefert das meiste Flüssiggas nach Europa
       
       Aktuell dominiert in der EU das LNG aus den USA. „Die USA waren es vor
       allem, die uns in diesem Sommer geholfen haben“, sagt Gasmarkt-Experte
       Schröder. 44 Prozent des LNG, das nach Europa kam, stammte in diesem Jahr
       von dort. [3][Ein weiterer großer Lieferant sei Katar].
       
       Die USA seien inzwischen allerdings am Maximum ihrer Möglichkeiten
       angelangt. Denn während auf der Nachfrageseite sehr schnelle Verschiebungen
       der globalen LNG-Ströme möglich sind, könnten Änderungen auf der
       Exportseite nur langfristig geschehen. „Das hat zur Folge, dass es für die
       Mengen, die Deutschland im Jahr 2023 importieren will, nicht genug Verträge
       am Markt gibt“, sagt Icis-Experte Schröder.
       
       Die deutschen Terminals werden sich dann stets kurzfristig am Spotmarkt
       bedienen müssen. Deutschland wird also sein LNG, das es künftig über die
       eigenen Terminals importiert, anderen Ländern wegkaufen müssen.
       
       21 Dec 2022
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Bernward Janzing
       
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