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       # taz.de -- Kriegsangst in Moldau: Gefahr beginnt nicht mit Panzern
       
       > Gezielt versucht Russland, in Moldau einen weiteren Krisenherd zu
       > schaffen. Die Abhängigkeit von russischer Energie hat zu Rekordinflation
       > geführt.
       
   IMG Bild: Ungewisse Zukunft: Straßenszene in der moldawischen Hauptstadt Chișinău
       
       Schon wieder ging diese Woche die Angst um, Russland könnte seinen Krieg in
       der Ukraine auf Nachbarländer wie Moldau ausweiten: [1][In einem
       Fernsehinterview] machte der moldauische Geheimdienstchef Alexandru
       Musteata deutlich, dass die Frage nicht sei, ob Russland einen neuen
       Angriff in Richtung Moldau starte, sondern wann das passiere: „Entweder
       Anfang des Jahres, im Januar, Februar, oder später im März, April.“ Das
       Interesse bestehe darin, in [2][die abtrünnige Region Transnistrien] zu
       gelangen und die Ortschaft Cobasna zu nutzen, in der das vermutlich größte
       Munitionslager Europas mit 20.000 Tonnen Explosivstoff aus Sowjetzeiten
       lagert, das nur von russischen „Friedenstruppen“ bewacht wird, erklärte er
       noch.
       
       Nun kann man das für unwahrscheinlich halten. Zwar sind auf dem Gebiet
       Transnistrien, das im Westen an die Ukraine angrenzt, bis heute russische
       Truppen stationiert, die dort noch aus Sowjetzeiten untergebracht waren.
       Doch immer wieder ist zu hören, dass diese Truppen, die zum Großteil aus
       örtlichen transnistrischen Kräften bestehen, in einem miserablen Zustand
       seien. Veraltete Waffen und kaum Munition, damit könne niemand einen Krieg
       gewinnen, erzählte mir ein Mann, der seinen Wehrdienst im transnistrischen
       Militär absolviert hatte, einmal.
       
       Also alles nur übertriebene Angst? Nun, für unwahrscheinlich hielten auch
       viele einen russischen Überfall auf die Ukraine. Um Panik zu vermeiden,
       ruderte Geheimdienstchef Musteata später zurück, bisher sei es ruhig in
       Transnistrien, sagte er sinngemäß. Aber seinen Punkt hatte er gemacht:
       Moldau ist jederzeit bedroht durch Russland.
       
       Dass erst aufgehorcht wird, wenn von möglichen militärischen Angriffen die
       Rede ist, überrascht mich nicht. Dabei beginnt die Destabilisierung eines
       Landes schon viel früher. Alarmieren sollte Europa, dass Putin seit Monaten
       gezielt versucht, in Moldau einen weiteren Krisenherd zu schaffen. Panzer
       benötigt er dafür gar nicht. Moldaus Abhängigkeit von russischen
       Energieimporten hat zu einer Rekordinflation im Land geführt. Mittlerweile
       liegt sie bei 35 Prozent. Jedes Mal, wenn russische Raketen das Stromnetz
       in der Ukraine beschädigen, wird auch die Republik Moldau getroffen. Eine
       Abhängigkeit, die noch aus Sowjetzeiten stammt.
       
       ## Menschen weinen vor Schaufenstern
       
       Schon mehrfach hatten Hunderttausende Moldauer:innen deshalb keinen
       Strom. Für Gas fehlt vielen das Geld. Und auch die Lebensmittelpreise sind
       rasant gestiegen. „Ich sehe ältere Menschen, die vor dem Schaufenster
       weinen. Es ist nicht so, dass sie sich keine Salami leisten können; sie
       können sich nicht einmal das Nötigste wie Milch leisten“, berichtete eine
       Verkäuferin aus einem Vorort der Hauptstadt Chișinău vor Kurzem dem
       Guardian.
       
       Ihr Frust hat viele Menschen über Wochen [3][auf die Straßen getrieben].
       Manche schlugen ihre Zelte vor dem Regierungsgebäude auf. Sie riefen
       „Schande“ und forderten den Rücktritt der prowestlichen Regierung und
       Präsidentin Maia Sandu. Prorussische Oppositionspolitiker der Șor-Partei
       hatten die Proteste organisiert. Sie nutzen bis heute die Krise im Land
       aus, um gegen die europäische Ausrichtung Moldaus zu wettern. Investigative
       Recherchen örtlicher Journalist:innen fanden später heraus, dass viele
       Demonstrant:innen für ihre Teilnahme bezahlt wurden. Man hatte sie aus
       den Dörfern in die Hauptstadt karren lassen.
       
       Moldaus Regierung ist entschlossen, ihre junge Demokratie zu schützen. Erst
       vergangene Wochen verloren deshalb sechs Fernsehsender ihre Lizenz. Sie
       hätten Desinformationen über die Lage im Land und den Krieg in der Ukraine
       verbreitet. Die potentielle Bedrohung durch Russland ist seit dem Tag der
       Unabhängigkeit Moldaus da. Längst muss klar sein, dass der Krieg in der
       Ukraine auch die Nachbarländer bedroht – nicht nur mit Panzern.
       
       23 Dec 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.youtube.com/watch?v=6Y-ullcPZRk
   DIR [2] /Kriegsgefahr-in-Transnistrien/!5857844
   DIR [3] /Bezahlte-Proteste-in-Moldau/!5890842
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Erica Zingher
       
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