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       # taz.de -- Zukunft der Vierschanzentournee: Dasselbe in Grün
       
       > Die Vierschanzentournee beginnt. Nur: Ist sie ohne Schnee möglich?
       > Klimawandel und Energiekosten fordern den Skisport zu neuen Debatten
       > heraus.
       
   IMG Bild: Schaut so die Zukunft des Skisprungs ganzjährig aus? Karl Geiger im Sommer in Oberstdorf
       
       Wenn man in diesen Tagen nach Oberstdorf hereinfährt, ziehen die
       Skisprungschanzen am Schattenberg noch mehr als sonst den Blick auf sich.
       Zwischen grünen Wiesen und graubraunen Häusern strahlt die Zunge des mit
       Schnee präparierten Schanzenauslaufs in gleißendem Weiß. Genau wie das
       Auftaktspringen am Donnerstag (16.30 Uhr live in ZDF und Eurosport) sind
       auch die restlichen drei Wettbewerbe der 71. Vierschanzentournee gesichert.
       Obwohl beispielsweise rund um das traditionelle Neujahrsspringen von
       Garmisch-Partenkirchen 12 Grad plus vorhergesagt sind und anderswo in
       Deutschland sogar bis zu 20 Grad.
       
       In der Kälteperiode im Dezember konnte an allen vier Orten offenbar genug
       Kunstschnee produziert werden. „Mit minimalem Energieaufwand“, wie
       Tournee-Präsident Dr. Peter Kruijer eiligst hinzufügt. Die Organisatoren
       von Wintersport-Veranstaltungen wie der Vierschanzentournee sind nämlich
       [1][durch die mit dem Ukrainekrieg verbundene Energiekrise] noch mehr unter
       Rechtfertigungsdruck geraten. Neben den immer wärmer werdenden Wintern
       schaut die zum Stromsparen aufgeforderte Öffentlichkeit ganz genau darauf,
       wie viel Energie durch die Produktion von Schnee und das Flutlicht
       „verbrannt“ wird.
       
       „Die Beschneiung einer Schanze kostet laut Aussagen der Betreiber derzeit
       etwa 150.000 Euro“, weiß Horst Hüttel, der im Deutschen Skiverband (DSV)
       für Skispringen und Nordische Kombination zuständig ist. Steigen die Preise
       weiter, kann dies auch für Organisatoren von
       Wintersport-Großveranstaltungen existenzbedrohend werden. Lohnt sich dieser
       Aufwand in Zeiten von Klima- und Energiekrise noch?
       
       Der Saisonauftakt der Skispringer Anfang November in Wisla hat bewiesen,
       dass es auch anders geht: In Polen wurde erstmals bei einem Weltcup
       Kunststoffmatten ausgelegt. Der Großteil der Skisprungszene hat diesen
       Schritt mitgetragen, auch wenn er für viele [2][wie Karl Geiger] ziemlich
       gewöhnungsbedürftig war.
       
       ## Die Macht der Bilder
       
       Dass die Vierschanzentournee als größtes Traditionsevent im Skispringen im
       „grünen Matten-Gewand“ statt in Weiß daherkommt, kann sich der
       Ur-Oberstdorfer Geiger weiterhin „schwer vorstellen. Da hätte ich mit
       Sicherheit melancholische Gefühle, weil zu diesem Traditionsevent zum
       Jahreswechsel ganz einfach Schnee gehört. Außerdem wäre es nicht so
       einfach, das Ganze auf Matten durchzuziehen. Wenn man die Schanze
       wintertauglich macht, werden Netze über die Matten gespannt und das Wasser
       wegen der Frostgefahr abgestellt. Wenn man das nicht tut und es schneit
       dann, sammelt sich der ganze Schnee im Auslauf und es wäre schwer, die
       Schanze dann sprungfertig zu bekommen.“
       
       Die Entscheidung, ob man die Tournee ohne Schnee durchzieht, müsste also
       früh getroffen werden. Auch die deutsche Skisprung-Legende Martin Schmitt
       sieht eine Tournee ohne Schnee in nächster Zeit noch nicht kommen. „In den
       nächsten zehn Jahren werden sie es sicher mit dem Schnee noch hinbekommen.
       Man darf die Macht der Bilder im Fernsehen nicht unterschätzen. Zum
       Skisport und zum Skispringen gehört einfach Schnee“, sagt der 44-Jährige,
       der bei der Tournee als TV-Experte für Eurosport arbeitet: „Und so ein
       Aufsprunghang kann ja auch mit relativ wenig Aufwand mit Schnee präpariert
       werden – ganz im Gegensatz zu einer alpinen Abfahrt wie der Streif.“
       
       Schmitt erinnert sich, dass schon im Winter 2000/2001 über eine
       Vierschanzentournee ohne Schnee diskutiert wurde, nachdem nach dem
       Weltcup-Auftakt im finnischen Kuopio alle Weltcups wegen Schneemangels
       abgesagt werden mussten. Der damalige Tourneepräsident Hans Ostler wischte
       die Gedanken an eine Tournee ohne Schnee vor inzwischen über zwei
       Jahrzehnten mit Blick auf das für die bessere Gleitfähigkeit der
       Landematten nötige Wasser weg: „Wer sich nur ein wenig mit Skispringen
       befasst hat, dem ist bekannt, dass bei möglichem Frost im Winter nicht auf
       Matten gesprungen werden kann.“
       
       Inzwischen wird über diese Alternative im Internationalen Skiverband FIS
       viel ernsthafter nachgedacht, zumindest, was die Zukunft des gesamten
       Skisprung-Weltcups betrifft. „Es gibt Ideen und Diskussionen, zumindest in
       den Herbst reinzugehen“, verrät Bundestrainer Stefan Horngacher. Man könne
       auch die Sommer-Grand-Prix-Serie der Skispringer zum Weltcup machen –
       schließlich würden die Skispringer beim Grundlagentraining im Sommer
       „gemacht“. Und seien deshalb ohnehin Sommer- und Wintersportler.
       
       Laut Horngacher sind die Skispringer [3][für alle Probleme der Klima- und
       Energiekrise] gerüstet und könnten unter allen Bedingungen fliegen: „Ob
       Tag, Nacht, Sommer oder Winter – es ist alles egal.“ Nur der (Kunst-)Schnee
       bei der Vierschanzentournee scheint noch unverzichtbar.
       
       28 Dec 2022
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Lars Becker
       
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