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       # taz.de -- „Tatort“ aus Köln: Mafia mal hellhaarig
       
       > Der Neujahrs-“Tatort“ hat Potential für einen wilden Krimi. Er bleibt
       > aber eine ideenlose Aneinanderreihung von Themen aus dem
       > Ethik-Unterricht.
       
   IMG Bild: Freddy Schenk (Dietmar Bär) kommt am Tatort an
       
       Der erste „Tatort“ im neuen Jahr ist verraucht. Auch wenn nur in der
       deutschen Kneipe des Kölner Viertels, in dem er spielt, geraucht wird,
       liegt über dem ganzen Film ein Aroma, das in alten Gardinen, Gummipflanzen
       und Holzvertäfelungen hängt. Über allem liegt ein Nebelschleier, auch
       hinter der Pommesbude und vor dem Fußballplatz.
       
       Nebel ist ja am [1][ersten Tag des neuen Jahres] ganz gut zum Reinkommen
       und deswegen findet man auch erst mal ganz gut in diesen Neujahrs-„Tatort“.
       
       Bald jedoch merkt man, dass die Geschichte, die da erzählt wird, allzu
       vernebelt ist. Was zum einen daran liegt, dass hier nichts zu stimmen
       scheint, was die Leute sagen. Zum anderen daran, dass die Leute meistens
       schweigen. Wegen der Mafia. Und die ist in diesem Fall einigermaßen
       überraschend mal nicht der dunkelhaarige Teil der Besetzung, sondern der
       hellhaarige.
       
       Das Setting: Der Feinkosthändler Viktor Raschke und seine beiden Söhne
       kontrollieren mit mafiösen Methoden das Viertel. Einer seiner Söhne aber
       wird ermordet. Die Bäckereibetreiberin Aylin Göktan, deren Ehemann es mit
       der Leiche, als sie noch lebte, zu tun bekam, sagt super Sätze wie „Wir
       sind hier keine Fremden, also gab es auch keinen Fremdenhass“ oder „Wir
       gehören im Viertel zu den Alteingesessenen. Genau wie die Raschkes.“
       
       ## Jeder kann es gewesen sein
       
       Dazu gibt es „Wir sind das Volk“ grölende und durch das Viertel
       marschierende Nazis, einen hüftsteifen Hund namens Hugo und das durch einen
       Brandanschlag ruinierte Restaurant „Wunderlampe“, das Sonja, der Tochter
       des Kommissars Fredy Schenk, und deren persischem Freund Karim gehört.
       
       In dem verkohlten Restaurant liegt der verkohlte Sohn des Feinkosthändlers
       und jeder, der und die in dieser „Tatort“-Folge auftaucht, könnte sowohl
       hinter dem Anschlag als auch hinter dem Mord stecken.
       
       Alle fünf Minuten fragt man sich allerdings, ob das [2][einer dieser
       Slapstick-„Tatorte“] sein soll, wo alles nicht so ernst gemeint ist, dafür
       aber der Unterhaltungsfaktor hoch gefahren wird. Aber, ach.... Aus all den
       Zutaten, die entweder eine knallige Crime-Komödie hätten werden lassen
       können oder eine krude verwickelte Geschichte, die die Vorurteile der
       Zuschauenden auf falsche Fährten lockt, ist nichts geworden.
       
       Aus dem erkennbaren Willen, was Wildes zu machen, bleibt am Ende nur eine
       ideenlose Aneinanderreihung von Themen aus dem Ethik-Unterricht:
       rassistische Klischees, vernachlässigte Jungs, aus denen Nazis werden,
       Homophobie, Korruption und Clanstrukturen.
       
       Sicher, die Welt ist komplex und ein Problem hängt meistens mit einem
       anderen zusammen. Aber dieser „Tatort“ scheitert leider an der
       Komplexitätsreduktion. Auch das Schauspiel leidet daran. Vor allem das
       Verhältnis von Tochter Sonja und Enkelin Frida zu ihrem Vater bzw. Opa,
       Kommissar Freddy Schenk, ist hölzerner als es Pinocchio je sein könnte. Und
       das Bier, das Enkelin Frida und Opa Freddy gemeinsam am Büdchen trinken,
       bringt nicht nur keine Besserung, sondern verstärkt beim Zuschauen das
       Gefühl, das hier nichts an der Stelle ist, wo es hingehört.
       
       Schade. Das Verhältnis der deutschen Feinkosthändler und der türkischen
       Bäckersfamilie hätte ein super Stöffchen sein können.
       
       31 Dec 2022
       
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   DIR Doris Akrap
       
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