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       # taz.de -- Prozess gegen KZ-Sekretärin: Angeklagte bricht ihr Schweigen
       
       > Im Stutthof-Prozess von Itzehoe verlangt die Verteidigung einen
       > Freispruch für die 97-jährige Beschuldigte. Am 20. Dezember soll das
       > Urteil fallen.
       
   IMG Bild: Die Angeklagte Irmgard F. (verpixelt) am 6. Dezember im Gerichtssaal neben ihrem Anwalt
       
       Berlin taz | Dutzende Mal ist Irmgard F. in ihrem Verfahren vor dem
       Landgericht Itzehoe dazu aufgefordert worden, ihr Schweigen zu brechen. Sie
       solle als eine der letzten Zeugen berichten aus dem Inneren des
       Konzentrationslagers Stutthof, wo sie als Sekretärin der Lagerkommandanten
       eingesetzt war, verlangten Vertreter der Nebenklage. Sie solle sich zu
       ihrer Schuld bekennen, forderten sie ebenso wie die überlebenden Zeugen.
       [1][Doch die Angeklagte blieb stumm wie ein Fisch] – was ihr gutes Recht
       ist.
       
       In Ihrem Schlusswort hat Irmgard F. jetzt aber tatsächlich gesprochen. Es
       waren nur wenige dürre Sätze. „Es tut mir leid, was geschehen ist“, sagte
       die 97-Jährige, und weiter: „Ich bereue, dass ich zu der Zeit gerade in
       Stutthof war. Mehr kann ich nicht sagen.“
       
       Neues zu dem Verfahren hat die Beschuldigte damit nicht beigetragen. Denn
       dass sie vom Juni 1943 bis zum April 1945 in der Kommandantur des KZ
       Stutthof bei Danzig (heute Gdańsk in Polen) gearbeitet hat, stand in dem
       Verfahren nie in Zweifel. Ihr Bedauern darüber, dass sie dort gewesen ist,
       kann nicht als Schuldeingeständnis gewertet werden – allenfalls als eine
       Entschuldigung an die Opfer.
       
       Irmgard F. ist der Beihilfe zum Mord in mehr als zehntausend Fällen
       angeklagt. Der Tatvorwurf ergibt sich für die Staatsanwaltschaft daraus,
       dass sie als Teil der großen Mordmaschine das Töten dort mit möglich
       gemacht habe. Ein individueller Mordvorwurf besteht nicht.
       
       Ihr Verteidiger Wolf Molkentin verlangte am Dienstag einen Freispruch. Er
       zweifele die Mordtaten in Stutthof nicht an, sagte er. „Dass Stutthof die
       Hölle war, konnte schon vorher nicht bezweifelt werden“, sagte Molkentin.
       Die Verteidigung sei den überlebenden Zeugen, die vor Gericht ausgesagt
       haben, dankbar und verneige sich vor ihnen.
       
       ## Staatsanwaltschaft will Bewährungsstrafe
       
       Es blieben jedoch „unüberwindliche Zweifel“ daran, dass Irmgard F. sich
       schuldig gemacht habe, es fehlten die Beweise dafür, dass die Beschuldigte
       die Verbrechen mitbekommen und von ihnen gewusst habe, sagte der
       Verteidiger. So sei unklar geblieben, welchen genauen Einblick Frau F. aus
       dem Fenster ihres Büros in der Kommandantur auf das Lager gehabt habe.
       Ebenso wisse man nicht, was sie von den Grausamkeiten gewusst habe und
       welche Rolle sie in der Befehlskette des Lagers gehabt habe.
       
       Molkentin stellt einen Vergleich der Rolle von Irmgard F. mit einem im Jahr
       2000 vom Landgericht Hamburg zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilten
       SS-Wachmann an. Dieser habe sich im Gegensatz zu F. im Lager bewegen können
       und auf einem Wachturm Dienst getan, während F. das KZ-Gelände selbst nie
       betreten habe.
       
       Die [2][Staatsanwaltschaft hatte Mitte November für die Angeklagte eine
       Jugendstrafe] von zwei Jahren auf Bewährung für die Angeklagte verlangt. F.
       war zum Zeitpunkt der ihr vorgeworfenen Taten noch minderjährig.
       
       Der seit über 14 Monaten währende Prozess soll am 20. Dezember mit der
       Urteilsverkündung enden.
       
       6 Dec 2022
       
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