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       # taz.de -- Alternativen für WM-Muffel: Ja, Angeln
       
       > Für WM-Boykotteure testet die taz Alternativen und stellt sie vor.
       > Diesmal nähert sich unsere Autorin einem Sport an, der vielleicht gar
       > keiner ist.
       
   IMG Bild: Kescher und Rute: Zwei Forellen mit Folterinstrumenten
       
       In einem anderen Leben dachte ich, zum Angeln bräuchte man eine Angel und
       einen Köder. Dann setzt man sich und fängt Fische. Weil ich keinen Fisch
       esse, war mir diese Bildungslücke außerdem weitgehend egal. Aber mit
       Sportarten ist es ja wie mit Familie, man kann nicht ändern, wo man
       einheiratet. Seit ich einen Freund habe, der angelt, bin ich in das Angeln
       eingeheiratet. Gut, mit am Wasser war ich jetzt noch nie.
       
       Entweder war es zu kalt oder zu regnerisch, zu windig oder zu schönes
       Wetter, zu früh morgens (5 Uhr!) oder zu spät abends (Nachtangeln!), und
       wenn das alles nicht zutraf, dann, Sie verstehen schon, hatte ich wohl
       etwas anderes vor. Aber völlig egal ist mir Angeln gewiss nicht mehr.
       
       Eine Erkenntnis, die mich überrascht hat: Angeln ist nicht billig und
       einfach. Vergessen Sie das Capri-Fischer-Narrativ. Beim Fußball gibt es
       Stollenschuhe, Noppenschuhe und Hallenschuhe, aber Angeln lässt jeden
       Marketingfuzzi ganz wuschig werden. Es gibt Ruten für jedes Gewässer (See,
       Fluss, Meer, verschiedenste Strömungen), mit jedem Gewicht und jeder Länge
       (Ultraleichtrute, Feederrute, Spinnrute, Teleskoprute …) und sogar für
       einzelne Fische ([1][Karpfenrute!]). Ich glaube, Markus hat alle.
       
       [2][Wie haben die Neandertaler mit Stock und Schnur überlebt], frage ich
       mich manchmal, wenn mein Freund zurückkommt und wieder nicht an der
       richtigen Strömungskante stand oder eine Angel die falsche Wahl war oder
       das Wetter für Zander nicht optimal. Man geht nämlich nicht und sagt: „Mal
       schauen, was wir heute fangen.“ Man sagt: „Heute gehen wir an Platz X auf
       Zander.“
       
       ## Der nächste Top-Angler
       
       Angeln hat sich, wie jeder Sport, zu einem Wettbewerb versportelt. Gerade
       läuft zum Beispiel [3][YPC-Bank-Cup]. Das Intro spreche ich mittlerweile
       sicher nach („24 Angler. Dreizehn Angeltage …“). YPC-Bank ist ein bisschen
       wie Germany’s Next Topmodel, man fliegt mit einer stetig schrumpfenden
       Gruppe an Locations. Nur, dass da weiße Männer statt magerer Frauen stehen
       und aussortiert wird, wer nicht genug Fische fängt. Ein eingängiges Konzept
       also.
       
       Es gibt auch eine Art Angler-Instagram und Angel-Influencer. Und natürlich
       Zeitschriften, von der Angelwoche („Die Bild-Zeitung des Angelns“, würde
       Markus sagen) bis zum gehobenen Raubfisch. Angeln, habe ich gelernt, ist
       kein Hobby, sondern ein Universum. Und von der Diversität her ungefähr da,
       wo der Fußball der Achtziger war.
       
       Was ich mag, ist, dass man offenbar viel ins Gespräch kommt. Mit wirklich
       allen Mitgliedern der Gesellschaft, die irgendwie abends an einem Fluss
       unterwegs sind, von Teenies auf MDMA bis hin zu arabischstämmigen Kids, die
       zum Tee einladen. Was ich auch mag, sind die Köder. Es gibt nämlich nicht
       nur Lebendköder (Würmer, Maden und dergleichen), sondern auch Kunstköder
       aller Arten. Viele davon bilden auf so liebevolle Weise Fische nach, dass
       sie echte Kunst sind.
       
       Seit ich mir den Haken von so einem Wobbler in den Finger gepiekst habe,
       bin ich bei den Dingern aber etwas weniger tatschig. Ob ich eines Tages
       mitgehe zum Angeln? Da will ich mich jetzt nicht festlegen. Aber eines
       blieb haften: Wenn Markus abends diese Angelvideos mit der beruhigenden
       Musik guckt, kann ich wirklich gut einschlafen.
       
       9 Dec 2022
       
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