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       # taz.de -- Studie zu Hetze in der Kommunalpolitik: Der Hass gefährdet die Demokratie
       
       > Mehr als die Hälfte der Lokalpolitiker:innen wurde schon bedroht,
       > beschimpft oder körperlich angegriffen. Viele erwägen, ihr Amt
       > aufzugeben.
       
   IMG Bild: Die meisten Politiker:innen zeigten sich angesichts der Bedrohungslage durch Hass und Hetze resilient
       
       Berlin taz | Fast fünf Prozent der deutschen
       Kommunalpolitiker:innen planen, wegen Gewalt, Hass, und Hetze ihr
       Amt niederzulegen. Forscher:innen der Universität Duisburg Essen nahmen
       den [1][Bundesdeutschen Warntag am 8. Dezember] zum Anlass, um die
       Ergebnisse der Studie „Anfeindungen und Aggressionen in der
       Kommunalpolitik“ vorzustellen, die in Kooperation mit der
       Heinrich-Böll-Stiftung entstand.
       
       Zwar wolle man „kein Untergangszenario zeichnen“, so Studienleiter Andreas
       Blättle: die weitaus meisten Politiker:innen zeigten sich angesichts
       der Bedrohungslage durch Hass und Hetze resilient und hegten keine
       Rückzugsgedanken. Trotzdem zeichnete sich bei der Befragung von über 2.000
       Politiker:innen aus 77 deutschen Großstädten ein besorgniserregendes
       Bild über die Qualität der repräsentativen Demokratie ab.
       
       Ein Drittel jener, die ein kommunalpolitisches Amt bekleiden, veränderten
       ihr Verhalten angesichts der Bedrohungslage: Sie gaben an, sich seltener zu
       kontroversen Themen zu äußern, bestimmte Orte oder Veranstaltungen zu
       meiden und auf die Nutzung von sozialen Medien zu verzichten. „Wenn sich
       Politiker:innen aus Angst vor Anfeindungen nicht mehr frei äußern
       wollen, hat das gravierende Auswirkungen auf das Gesicht unserer
       Demokratie“, sagte Blättle.
       
       Auch wenn 60 Prozent der Befragten „Beleidigungen, Bedrohungen oder
       tätliche Übergriffe“ persönlich erfahren, wirkt bereits die Sorge vor
       möglichen Anfeindungen abschreckend, so die Studie. 26 Prozent der
       Kommunalpolitiker:innen würden sich präventiv zurückhaltender
       verhalten, um die eigene Sicherheit oder die Gesundheit der Familie gar
       nicht erst zu gefährden.
       
       ## Das Dunkelfeld ist wohl groß
       
       Hier spielt auch der ökonomische Status, das Geschlecht oder die
       Migrationsbiografie eine Rolle. Menschen, die sich selbst als Frau, Person
       mit Migrationshintergrund, oder der Mittel- und Arbeiter:innenklasse
       zuordnen, würden Anfeindungen zwar nicht öfter erleben, jedoch öfter
       Konsequenzen aus der Erfahrung von Hass ziehen, fasst Blättle den
       Erkenntnisstand zusammen.
       
       Neben den direkten Ergebnissen der Studie weisen die Annahmen über das
       Dunkelfeld auf weitere Missstände hin. So konnte beispielsweise keine
       verallgemeinernde Aussage über die spezifische Hetze gegen nicht-binäre
       Personen getroffen werden, da sich nur 13 Befragte weder als „Mann“ noch
       als „Frau“ identifizierten. Und da die Studie sich lediglich mit der
       Erfahrung von aktiven Kommunalpolitiker:innen beschäftigte, bleibt
       weiterhin unklar, wie viele Menschen aus Sorge vor Hass, Hetze und Gewalt
       gar nicht erst in die Politik eintreten.
       
       „Anfeindungen und Aggressionen sind mittlerweile [2][Teil der kommunalen
       Politik] geworden und in der Breite präsent“, fasst Blättle die drängendste
       Erkenntnis der Studie zusammen. Sowohl in West- als auch in Ostdeutschland
       und unabhängig von der Parteizugehörigkeit: Beleidigungen und
       Gewaltandrohungen per Mail, Telefon, Kurznachricht oder verbaler Äußerung
       gehören zum Alltag der meisten Kommunalpolitiker:innen. Der Mord an dem
       Kasseler Regierungspräsidenten [3][Walter Lübcke] im Jahr 2019 und
       Fackelmärsche vor dem Haus des Halberstädter Oberbürgermeisters Daniel
       Szarata (CDU) bildeten hierbei nur die erschreckende Spitze eines größeren
       Problems.
       
       Neben dem Bundesdeutschen Warntag wollte man aber auch den Tag des
       Ehrenamtes, der weltweit am 05. Dezember 2022 gefeiert wurde, zum Anlass
       der Studienveröffentlichung nehmen. Denn die meisten
       Kommunalpolitiker:innen sind ehrenamtlich für die Demokratie tätig.
       Man sollte ihnen besonderen Schutz zukommen lassen, so Blättle. Nur dann
       könne auch die repräsentative Demokratie, die von Vielfalt und freier
       Meinungsäußerung lebe, gewahrt werden.
       
       8 Dec 2022
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Tatjana Söding
       
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