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       # taz.de -- Deutsche Islamkonferenz: Engagement und Wahlkampf
       
       > Muslimische Vertreter*innen wünschen sich klare Maßnahmen – sei es
       > zur Stärkung der Zivilgesellschaft oder im Umgang mit dem türkischen
       > Wahlkampf.
       
   IMG Bild: Innenministerin Nancy Faeser bei der Islamkonferenz am 7. Dezember
       
       Berlin taz | Rund fünfeinhalb Millionen Muslim*innen leben in
       Deutschland. Sie sind hier geboren oder zugewandert, konservativ oder
       liberal, sehr oder sehr wenig religiös. Um ihre Belange geht es auf der
       Deutschen Islamkonferenz (DIK), bei der seit 2006 regelmäßig
       Vertreter*innen von Staat und muslimischer Gemeinschaft zusammenkommen.
       
       Am Mittwoch [1][eröffnete Bundesinnenministerin Nancy Faeser die fünfte
       Phase der DIK]. Die drei aktuellen Schwerpunkte: der Kampf gegen
       Muslimfeindlichkeit, die Verbesserung der gesellschaftlichen Teilhabe von
       Muslim*innen sowie ihrer Gemeinden und Fortschritte bei der Ausbildung
       von Imam*innen in Deutschland.
       
       Es sei ihr dabei „sehr wichtig, die Vielfalt des muslimischen Lebens
       abzubilden“, sagte Faeser. Dieses sei „in den vergangenen Jahren bunter
       geworden“. Ein Satz, den Deniz Nergiz so nicht ganz stehenlassen will.
       „Diese Vielfalt ist nicht in den letzten Jahren entstanden, sie ist nur
       jetzt erst sichtbarer geworden“, sagt die Geschäftsführerin des
       Bundeszuwanderungs- und Integrationsrats (BZI).
       
       Sie begrüßt, dass bei der Auftaktveranstaltung betont wurde, man wolle
       konkret junge Muslim*innen und Frauen in ihrem Engagement fördern. „Ich
       bin aber gespannt, wie das dann in der Praxis aussieht – ob diese Gruppen
       und ihre Themen dann auch wirklich in den entsprechenden Runden mit am
       Tisch sitzen.“ Denn bisher seien sie dort deutlich unterrepräsentiert.
       
       ## Abkehr von Seehofer
       
       Faeser hatte am Montag immer wieder betont, wie wichtig ehrenamtliches
       Engagement von Muslim*innen sei – für die Integration vor Ort, aber auch
       für die Gesellschaft als Ganzes. „Wir brauchen Sie und Ihr Engagement für
       die partizipative, pluralistische Demokratie und den Zusammenhalt aller
       Bürger“, so die Innenministerin.
       
       „Es ist sehr gut, dass die Bundesinnenministerin im [2][Gegensatz zu ihrem
       Vorgänger Horst Seehofer] die Zugehörigkeit des Islams und der
       Muslim*innen zu Deutschland nicht mehr in Frage stellt“, sagt Saba-Nur
       Cheema. Die Politologin ist Mitglied des von der Bundesregierung
       [3][eingesetzten unabhängigen Expert*innenkreises zu
       Muslimfeindlichkeit], der im kommenden Sommer seine Ergebnisse und klare
       Handlungsempfehlungen vorstellen soll. Die Aufforderung an die Gemeinschaft
       aber sieht Cheema auch kritisch.
       
       Einerseits gäbe es dieses Engagement längst, sei es in der Stadtteilarbeit
       oder bei der Unterstützung Geflüchteter. „Und andererseits schwingt da
       immer dieses alte Narrativ mit: Muslim*innen sind erst mal nicht Teil
       der Gesellschaft, und wenn sie sich engagieren, kommen sie rein.“ Auch
       dürfe es in Fragen Empowerment nicht bei Floskeln bleiben. Stattdessen
       müsse man sich intensiv mit dem Aufbau von Strukturen beschäftigen.
       
       Zum Beispiel beim Thema Imame: Zwar werden in den vergangenen Jahren mehr
       und mehr islamische Geistliche in Deutschland ausgebildet. Trotzdem aber
       kommt der Großteil der praktizierenden Imame aus dem Ausland. Im Fall des
       größten Verbands Ditib, zu dem in Deutschland beinahe 1.000
       Moscheegemeinden gehören, wird der Großteil der Imame gar direkt vom
       türkischen Staat entsandt – und auch bezahlt. Das wolle man nun nach und
       nach reduzieren und schließlich beenden, hatte beim DIK-Auftakt Juliane
       Seifert erklärt, Staatssekretärin im Innenministerium.
       
       ## Imame werden gebraucht
       
       „Zu sagen, das soll ein Ende haben, ist nicht neu, dass Imame jetzt hier
       ausgebildet werden auch nicht“, sagt Cheema. Auch Faesers Vorgänger Horst
       Seehofer hatte das Thema zum Schwerpunkt der Islamkonferenz gemacht. „Aber
       wie sieht die Alternative aus?“ Viele Gemeinden hätten schlicht [4][nicht
       die finanziellen Mittel, ihr geistliches Personal angemessen zu bezahlen].
       
       Der Bedarf aber sei klar und werde noch wachsen. „Die Zahl der Musliminnen
       und Muslime in Deutschland wächst. Und Moscheen sind keineswegs nur für die
       Religiösen unter ihnen wichtig“, so Cheema. „Sie sind auch für viele
       säkular lebende Muslim*innen ein wichtiger sozialer und kultureller Raum
       – zum Beispiel, wenn sie heiraten.“
       
       „Nancy Faeser hat in ihrer Grundsatzrede einige sehr wichtige Stichworte
       genannt“, sagt Eren Güvercin, Mitbegründer der Alhambra-Gesellschaft. „Dass
       Muslimfeindlichkeit auf der Agenda sein wird, war eine klare Erwartung der
       muslimischen Community, sowohl aus den Verbänden als auch
       verbandsunabhängig.“ Ein aus seiner Sicht wichtiges Thema habe aber beim
       Auftakt der Islamkonferenz gefehlt.
       
       „Nächstes Jahr wird in der Türkei gewählt – und seit zwei Monaten reisen
       AKP-Abgeordnete durch die Ditib-Moscheen in Deutschland und machen
       nationalistischen Wahlkampf“, sagt Güvercin. „Am Mittwoch saß ein
       Ditib-Funktionär beim Auftakt der Islamkonferenz auf dem Podium, kritische
       Fragen dazu gab es aber nur aus dem Publikum.“
       
       ## Gezielter Wahlkampf
       
       Güvercin und auch der ehemalige Grünen-Bundestagsabgeordnete Volker Beck
       hatten bei der Veranstaltung entsprechende Fragen an Eyüp Kalyon gestellt,
       Sprecher des Koordinationsrats der Muslime – und Verantwortlicher für die
       Imamausbildung beim Ditib-Bundesverband. Dieser hatte geantwortet,
       Abgeordnete aller Parteien seien bei Ditib willkommen. „Wahlkampf und
       Parteipolitik sind aber in unseren Moscheen nicht erlaubt.“
       
       In Deutschland leben rund 1,4 Millionen Menschen, die in der Türkei
       wahlberechtigt sind. Schon seit September gibt es [5][Medienberichte über
       Besuche von Abgeordneten] der Regierungspartei AKP sowie der rechtsextremen
       MHP in Moscheen der Ditib und der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüş
       (IGMG). Auch wirbt Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan offenbar [6][mit
       einem Brief] gezielt in Moscheegemeinden und türkischen Vereinen in
       Deutschland.
       
       Was Wahlkampf in Moscheen angehe, habe die Bundesregierung klare Regeln,
       hatte beim DIK-Auftakt Staatssekretärin Juliane Seifert. Seit 2017 gilt:
       Ausländische Vertreter*innen dürfen [7][in den drei Monaten vor einer
       Abstimmung nicht hier werben]. „Bei meinem Besuch in Ankara habe ich darauf
       auch hingewiesen“, sagte Seifert. Sie war vorige Woche in der Türkei, um
       über den künftigen Umgang mit der Imamentsendung zu sprechen.
       
       9 Dec 2022
       
       ## LINKS
       
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   DIR [5] https://www.fr.de/politik/tuerkei-akp-ditib-milli-goerues-wahlkampf-recep-tayyip-erdogan-zr-91813842.html
   DIR [6] https://www.merkur.de/politik/recep-tayyip-erdogan-brief-tuerkei-deutschland-wahl-wahlkampf-91927620.html
   DIR [7] https://www.dw.com/de/deutschland-verbietet-wahlkampf-ausl%C3%A4ndischer-politiker/a-39493078
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dinah Riese
       
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