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       # taz.de -- John-Peel-Sessions von To Rococo Rot: In den Ätherwellen treffen
       
       > Dreimal war die deutsche Band To Rococo Rot bei den legendären
       > John-Peel-Sessions der BBC zu Gast. Nun sind die Aufnahmen als Album
       > erschienen.
       
   IMG Bild: To Rococo Rot in den 1990ern: Stefan Schneider und die Brüder Lippok (v. l. n. r)
       
       John Peel hat es als britischer BBC-Radiomoderator und DJ zu großer
       Berühmtheit gebracht. Weniger bekannt geworden ist sein unbestreitbares
       Talent zur Lautpoesie, doch dürfte ein unlängst gehobener Archivfund diese
       Seite des Förderers progressiver Musik und treuen Anhängers des Liverpool
       FC erneut in den Fokus rücken.
       
       Hören wir ihm einmal zu: „Trr Rkko Rott“, sagt er in ein Radiomikrofon,
       nachdem ihm seine deutschen Gäste Robert Lippok, Ronald Lippok und Stefan
       Schneider, die Musiker des Trios To Rococo Rot, versichert haben, es gebe
       leider keine offizielle Aussprache des Bandnamens. „Anyway“, meint Peel
       darauf und wiederholt noch einmal: „Trr Rkko Rott.“
       
       Die Aufnahme bildet das Intro des aktuell erschienenen Albums „John Peel
       BBC Sessions 97–99“, auf der die drei englischen Radiosessions der
       Berlin-Düsseldorfer Band To Rococo Rot kompiliert versammelt sind und
       dabei, das stellt die ungemeine Schönheit dieser Musik unter Beweis, wie
       ein aus einem Guss legiertes Album wirken. Es bündelt, was das Klangbild
       der 1995 gegründeten Band ausmachte: Atmosphäre, Detail- und
       Experimentierfreude, Rhythmik und Eingängigkeit, und das alles so gut wie
       ohne Gesang.
       
       Der kam bei To Rococo Rot erst spät im Jahr 2014 mit dem [1][Gastsänger
       Arto Lindsay] auf dem Album „Instrument“ zum Tragen. Im selben Jahr
       spielten To Rococo Rot ihr letztes Berliner Konzert im Hebbel-Theater.
       
       ## Elektronischer Forscherdrang
       
       Als Support hatten sie sich The Pastels aus Glasgow eingeladen. Sie waren
       bereits in den Achtzigern bei John Peel zu Gast gewesen. Das
       Zusammentreffen vom Indiepop der Pastels mit dem elektronischen
       Forscherdrang von To Rococo Rot ist durchaus charakteristisch für die
       Offenheit, um die es in dieser Musik geht und die Ronald Lippok genauso
       seit den späten Siebzigern in den Radiosendungen John Peels kennen und
       lieben gelernt hat.
       
       Im Gespräch mit der taz schwärmt Lippok von dem unbedingten Eklektizismus
       John Peels. Lippok zitiert und intoniert „(I Saw) Batman (In The
       Launderette)“ von The Shapes, einer Punkrock-Band, die sich dem Absurden
       verschrieben hatte und bei Peel nicht fehlen durfte: „Und danach hat er
       afrikanische Musik gespielt. Das hatte ich so nicht erwartet, und das war
       der Clou an seinen Sendungen.“
       
       Die „BBC Sessions“ von To Rococo Rot lassen sich auch als Hommage an die
       Magie des Radioshörens verstehen. John Peel hat im Grunde das Kunststück
       fertiggebracht, dass sich [2][Ostberliner Jugendliche] wie Robert Lippok
       und Ronald Lippok und westdeutsche Jugendliche wie Stefan Schneider bereits
       in den Achtzigern unter einer gemeinsamen Kuppel zusammenfinden konnten.
       
       ## Bekanntes und Entdeckungen
       
       Ihr Kultus war ein unorthodoxer, transportiert wurde er über die
       Ätherwellen. To Rococo Rot lassen sich auch als Verschränkung der noch
       analogen Ästhetik der Achtziger und der sich verstärkt entwickelnden
       digitalen der Neunziger hören. Auffällig ist, dass diese Musik unweigerlich
       Visuelles anstößt. Robert Lippok und Ronald Lippok arbeiten beide auch als
       bildende Künstler, Stefan Schneider als Fotograf. Arbeiten der drei Musiker
       waren in den Zehnerjahren in der Staatsgalerie Prenzlauer Berg zu sehen.
       
       Die Musik von To Rococo Rot hat etwas von einem Ausstellungsrundgang durch
       mehrere Räume. Manchmal, das sind dann schon regelrecht privilegierte
       Momente, schaut man von einem Raum in den nächsten und erhascht bereits ein
       Motiv, das sich in der Annäherung ausformuliert.
       
       Man stößt auf Bekanntes und macht Entdeckungen: Die „BBC Sessions“ umfassen
       Tracks bis zum dritten Album „The Amateur View“ von 1999. Danach bietet
       sich von dem Album zum Beispiel „Glas“ an, einer von drei
       unveröffentlichten Tracks, dessen Stimmsamples mit dem Intro eine Klammer
       bilden. To Rococo Rot ist ein Palindrom, geht also vorwärts wie rückwärts.
       
       12 Dec 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Gitarrist-Arto-Lindsay/!5039601
   DIR [2] /Soul-Musik-aus-der-DDR/!5891551
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Robert Mießner
       
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