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       # taz.de -- Weihnachten für umme (24): Klauen ist auch Umverteilung
       
       > taz-Adventskalender, letztes (digitales) Türchen: Aktivist*innen
       > gehen klauen, um auf Armut aufmerksam zu machen. Ein Diebstahl-Tutorial.
       
   IMG Bild: Mundraub (Symbolfoto) ist Beweismittelvernichtung: Nicht nachmachen, ist wie Diebstahl strafbar!
       
       Die taz Berlin sucht in Zeiten von Inflation und Energiekrise Türchen für
       Türchen nach Wegen, wie es ganz ohne Geld etwas werden kann mit dem ach so
       besinnlichen Fest. 
       
       Als würden die Wohnungskonzerne nicht schon die letzten Euros aus der
       arbeitenden Klasse und denjenigen herauspressen, die auf
       Unterstützungsleistungen angewiesen sind, wurden im vergangenen Jahr mit
       der Energiekrise nicht nur Strom und Gas teurer, sondern auch nahezu alle
       Lebensmittel: Nahrungsmittel sind laut Verbraucherzentrale in nur einem
       Jahr um über 20 Prozent teurer geworden – und der Anstieg hat noch immer
       nicht aufgehört.
       
       Der Anstieg gilt für fast alle Grundnahrungsmittel: Sonnenblumenöl und
       Rapsöl kosten 81 Prozent mehr. Butter liegt bei plus 55 Prozent. Milch
       kostet zwischen 33 und 43 Prozent mehr, Joghurt 25 Prozent, Quark 57
       Prozent und Sahne 43 Prozent mehr. Fleisch und Gemüse verzeichnen ebenfalls
       hohe Preissteigerungen. Trotz Energiekrise und wachsender Armut macht der
       Einzelhandel gute Umsätze. Und Supermärkte sichern teilweise schon
       [1][Lebensmittel wie Butter gegen Diebstahl].
       
       Und nicht nur das: Es gibt offenbar tatsächlich Einzelhändler, die trotz
       der Krise mit versteckten Preiserhöhungen etwa durch kleinere
       Packungsgrößen auf dem Rücken der Kund*innen noch mehr Kasse machen, wie
       [2][die Verbraucherzentrale Hamburg kritisiert].
       
       Ebenso kritisiert die Verbraucherzentrale, dass nicht alle
       Preissteigerungen transparent sind und auch nicht immer auf höheren
       Herstellungskosten basieren. So werde nicht nur mit Energierohstoffen
       spekuliert, sondern auch mit Nahrungsmitteln wie Weizen, Butter und
       Pflanzenölen. Es gibt mittlerweile bereits Beschwerden beim
       Bundeskartellamt über überhöhte Lebensmittelpreise. Entsprechende
       Untersuchungen beziehen sich bislang vor allem auf den Einzelhandel.
       Kurzum: Kapitalismus kickt in der Krise mal wieder besonders rein – wie
       immer auf Kosten der Ärmsten.
       
       ## Umverteilung konkret
       
       Die Gruppe „Wir verteilen um“ schreitet wohl auch angesichts
       menschenverachtender Debatten um die Höhe vom neuen Notgroschen
       [3][„Bürgergeld“] zu drastischeren Aktionsformen: Die Aktivist*innen
       packen direkt an – beziehungsweise ein. Als politische Aktion geht die
       Gruppe in Supermärkten klauen und bietet die Waren in der Öffentlichkeit
       umsonst an. Motto: [4][„Alles nur geklaut.“]
       
       Anlass genug auch für den „Adventskalender für umme“ mal ein paar Hinweise
       zu Ladendiebstahl vom Lkw fallen zu lassen. Dabei gilt: Bitte nicht
       nachmachen, Klauen ist eine Straftat, die sogar mit Gefängnis bestraft
       werden kann. Wir sagen nicht, dass jemand klauen gehen sollte. Wer sich
       jedoch nicht anders zu helfen weiß, sollte sich wenigstens nicht erwischen
       lassen. Dabei können ein paar Tipps nützlich sein, die wir ausdrücklich
       nicht als Aufforderung zu Straftaten verstanden wissen wollen und nur zu
       Bildungszwecken veröffentlichen.
       
       Darüber hinaus kann man natürlich darüber streiten, ob Brot klauen
       überhaupt strafbar sein sollte, wenn das „Hartz“-Geld nicht reicht oder das
       Einkommen zu gering ist. Und grundsätzlich sollte man lieber aus der
       Feinkostwarenabteilung vom KaDeWe klauen als aus kleinen
       Familienunternehmen – ebenso lieber aus großen Discountern,
       Einzelhandelsketten und Kaufhäusern.
       
       ## Grundregeln einklauen
       
       Aber mal konkret: Es gibt ein paar Grundregeln, die man unbedingt beachten
       sollte. So sollte man möglichst [5][unauffällig aussehen], keine Base-Caps,
       auffällige Bartfrisuren, falsche Wimpern oder zu viel Makeup.
       Gesichtstattoos sind auch meistens schlecht – gleiches gilt für ironische
       oder auffällige Pullover und auch schwarze Riesen-Hoodys,
       überdimensionierte Baggy-Pants oder Trenchcoats, die drei Nummern zu groß
       sind und gleich so aussehen als könnte man darunter einen Sack Kartoffeln
       verstecken.
       
       Am Besten ist unauffällige Kleidung: ein normaler Pullover, ein schlichtes
       Hemd, Cordhosen oder Jeans und durchschnittliche Schuhe. Man sollte sich so
       anziehen wie man sich einen [6][Karstadtdetektiv] vorstellt: eine
       unscheinbare Person, deren Aussehen und Kleidungsstil man im Vorübergehen
       gar nicht wahrnimmt oder innerhalb von zwei Sekunden wieder vergessen hat –
       die Farbwahl sollte am besten auf grau oder weiß fallen, eine ordentliche
       Frisur kann auch nicht schaden.
       
       Zweitens sollte man natürlich ruhig bleiben. Freundlich sein, lächeln, sich
       normal verhalten eben. Wer nervös wirkt, zittert oder sich permanent
       umschaut, wirkt verdächtig. Und natürlich sollte man trotzdem unauffällig
       darauf achten, ob Ladendetektive in der Nähe sein könnten oder
       Sicherheitskameras Regale überwachen und wenn ja: welche bzw. welche nicht.
       
       Und wichtig: Nicht direkt in Sicherheitskameras schauen, nur durch
       Augenrollen aufblicken. Vorm Diebstahl sollte man gegebenenfalls etwaige
       Sicherheitsaufkleber, also elektronische Sicherungen vom Produkt entfernen
       oder darauf achten, dass sich keine solche Sicherung am Produkt befindet.
       In Aufklebern sind häufig elektronische Sicherungen versteckt.
       
       ## Pappbecher vs. Klemmbeutel
       
       Techniken gibt es viele, vorgestellt seien hier zwei: 1. [7][Die
       Pappbecher-Methode]: Man nehme einen großen McDonalds-Trinkbecher mit
       Strohhalm, der praktischerweise undurchsichtig ist, tue so als würde man
       daraus trinken und gehe damit shoppen. Wenn unbeobachtet, füllt man den
       Becher auf mit den Dingen, die man gerade so braucht. Beim Einstecken
       sollte man sich beeilen, danach einfach so tun, als würde man weiter seinen
       Shake trinken. Ebenso kann man eine Kleinigkeit kaufen, was einen meist
       unauffälliger erscheinen lässt.
       
       Noch besser nimmt man eine Tüte im Ladendesign dazu. Wenn beim Rausgehen
       doch der Alarm losgehen sollte, sieht man damit aus wie ein normaler Kunde
       – und der Kunde ist ja König. Wenn der Alarm losgeht, auf keinen Fall
       rennen, sondern etwas verwirrt dreinschauen und dann langsam weitergehen.
       Gut möglich, dass sich eh keiner dafür interessiert.
       
       2. Die [8][Klemmbeutel-Methode]: Man nehme ein altes T-Shirt, trenne einen
       länglichen Streifen heraus. Den tackere man an den Seiten zusammen, sodass
       man einen flachen Beutel hat, den man sich zwischen Hose und Unterhose oder
       Strumpfhose klemmen kann. Dafür nimmt man am besten acht kräftige
       Foldbackklammern, die man vorher aus dem McDonaldsbecher genommen hat.
       
       Dann nimmt man sich einen Einkaufswagen und tut dort größere sperrige
       Gegenstände rein, die am besten die Sicht auf die Leistengegend von vorne
       verdecken. Im Anschluss sucht man sich einen Gang ohne Kameras, anderen
       Kunden oder Ladendetektiven und steckt sich Dinge in den Klemmbeutel. Hat
       man das, was man benötigt, kann man den Einkaufswagen irgendwo im Laden
       stehen lassen und direkt rausgehen oder noch eine Kleinigkeit kaufen.
       
       Und wem das alles zu riskant ist, der kann natürlich auch in der Gruppe
       einklauen gehen, wie es die Gruppe „Wir verteilen um!“ jüngst in Berlin
       getan hat. Oder sich deren geklaute Waren einfach schenken lassen, wenn man
       das Glück hat eine Aktion mitzubekommen.
       
       24 Dec 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.derwesten.de/panorama/vermischtes/lidl-edeka-aldi-diebstahlsicherung-butter-oel-alkohol-diebstahl-preise-id236179031.html
   DIR [2] https://www.vzhh.de/themen/mogelpackungen/weniger-drin-preis-gleich-die-neuesten-mogelpackungen
   DIR [3] /Vor-der-Einfuehrung-des-Buergergeldes/!5900367
   DIR [4] https://twitter.com/wirverteilenum/status/1580475490267451392
   DIR [5] https://www.youtube.com/watch?v=dPa2atWWVk8
   DIR [6] https://open.spotify.com/track/0iM3CJ20DQSb4PeLI95rWQ
   DIR [7] https://www.youtube.com/watch?v=m8kCCB8osOE
   DIR [8] https://www.youtube.com/watch?v=dPa2atWWVk8
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Gareth Joswig
       
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