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       # taz.de -- Verschuldung durch Mikrokredite: „Entschädigung ist unser Ziel“
       
       > Der Investor Oikocredit investiert in Mikrofinanzinstitute in Kambodscha,
       > die Armut verschärfen. NGOs reichen OECD-Beschwerde ein.
       
   IMG Bild: Arbeit auf einem Reisfeld am Rand von Phnom Penh
       
       BERLIN taz | Obwohl Überschuldung und damit einhergehende
       Menschenrechtsverletzungen im [1][Mikrokredit-Sektor in Kambodscha] bekannt
       seien, habe die private Ethikbank Oikocredit in den vergangenen Jahren mehr
       in den Bereich investiert, kritisieren Nichtregierungsorganisationen
       (NGOs).
       
       Deswegen reichten die kambodschanischen NGOs LICADHO und Equitable Cambodia
       zusammen mit FIAN Deutschland eine Beschwerde gegen Oikocredit bei der
       Nationalen Kontaktstelle für OECD-Leitsätze in den Niederlanden ein, wo die
       Bank ihren Hauptsitz hat.
       
       Mit den [2][OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen] verpflichten
       sich Staaten dazu, Unternehmen zu überprüfen, wenn sie ihre
       Sorgfaltspflichten zur Einhaltung der Menschenrechte nicht erfüllen.
       Entsprechende Beschwerden können Personen oder Organisationen bei den
       Nationalen Kontaktstellen einreichen.
       
       Die Stelle überprüft die Berichte und leitet gegebenenfalls
       Einigungsgespräche ein. Das Verfahren wird mit einem Bericht abgeschlossen,
       etwa mit Empfehlungen zur Überarbeitung der Investitionsrichtlinien. Es
       gibt keine bindenden Konsequenzen.
       
       ## „Der Kreditmarkt in Kambodscha ist extrem übersättigt“
       
       „Der Kreditmarkt in Kambodscha ist extrem übersättigt. Viele Menschen
       können ihre Kredite nicht mehr zurückzahlen. Trotzdem schwatzen ihnen die
       Mikrofinanzinstitute immer mehr und immer größere Kredite regelrecht auf“,
       erklärt Mathias Pfeifer von FIAN Deutschland.
       
       Die Folge: Kreditnehmer:innen werden von den lokalen Finanzinstituten
       unter Druck gesetzt. So lange, bis sie etwa Landteile verkaufen, schlechter
       essen, ihre Kinder aus der Schule nehmen oder migrieren müssen.
       
       „Wir haben immer wieder von den Problemen der Kreditnehmer:innen
       berichtet und versucht, uns mit Oikocredit an einen Tisch zu setzen“,
       ergänzt Eang Vuthy, Geschäftsführer von Equitable Cambodia. Die
       Kommunikationsangebote der lokalen Organisationen habe Oikocredit
       ausgeschlagen. „Andere öffentliche und private Investor:innen haben uns
       wenigstens geantwortet oder ihre Investitionen in Mikrofinanzinstitute
       ausgesetzt“, so Vuthy.
       
       Im Februar 2022 legten die Organisationen bereits Beschwerde gegen mehrere
       Finanzinstitute in Kambodscha bei der Weltbanktochter International Finance
       Corporation (IFC) ein, die von Oikocredit finanziert werden.
       
       ## Die Probleme sind seit 2017 bekannt
       
       Auf Anfrage der taz erklärt Oikocredit, „jegliche Berichte über potentiell
       unethisches Verhalten unserer Partner“ sehr ernst zu nehmen. „Oikocredit
       vertraut weiterhin darauf, dass unsere sorgfältig ausgewählten Partner die
       Vereinbarungen mit Oikocredit erfüllen und sich zu besten Praktiken des
       Kundenschutzes verpflichten.“
       
       Pfeifer zieht dies in Zweifel: „Wir wissen, dass Oikocredit schon seit 2017
       von Überschuldungsproblemen in Kambodscha weiß.“ Schon damals ergab eine
       Studie, dass die Überschuldung in Kambodscha immer gravierender wird und
       damit der Verlust von Landtiteln droht. Die Studie war vom
       Entwicklungsministerium (BMZ) in Auftrag gegeben und von Oikocredit selbst
       unterstützt worden.
       
       [3][Der ethische Investor] habe daraufhin jedoch nichts unternommen, um die
       kambodschanischen Kreditnehmer:innen zu unterstützen. Im Gegenteil:
       Nach FIAN-Angaben erhöhte Oikocredit seine Investitionen in Kambodscha
       zwischen 2017 und 2022 von 50 Millionen auf mehr als 67 Millionen Euro.
       Oikocredit selbst gibt an, Stand Juni 2022 58,5 Millionen Euro an
       Investitionen laufen zu haben.
       
       Die Organisationen fordern: Landtitel, die eingezogen wurden, müssen
       zurückgegeben werden. Schulden der ärmsten Kreditnehmer:innen sollten
       erlassen werden. Profite, die Oikocredit mit den Investitionen in
       Mikrofinanzinstitute erwirtschaftet hat, [4][könnten in Entschuldungsfonds
       fließen]. Dies gelte für private ebenso wie für staatliche Investoren, wie
       die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW).
       
       „Wir wollen die Bank nicht einfach so weitermachen lassen“, sagt Eang
       Vuthy. Deshalb sei die [5][OECD-Beschwerde eingereicht] worden.
       „Kreditnehmer:innen, die unter der Überschuldung leiden, sollen entschädigt
       werden. Das ist unser Ziel.“
       
       15 Dec 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Mikrokredite-in-Kambodscha/!5879670
   DIR [2] /Messinstrumente-fuer-nachhaltige-Finanzen/!5869043
   DIR [3] /Finanzierung-von-Projekten-fuer-Arme/!5592529
   DIR [4] https://dserver.bundestag.de/btd/19/261/1926121.pdf
   DIR [5] https://www.fian.de/aktuelles/mikrokredit-ueberschuldung-in-kambodscha-menschenrechtsorganisationen-reichen-beschwerde-gegen-oikocredit-ein/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Nanja Boenisch
       
       ## TAGS
       
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