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       # taz.de -- Rechtes Netzwerk in Portugal: Gesetzlose Polizei
       
       > In Portugal verlangt die Opposition Ermittlungen im Fall einer rechten
       > Polizeigruppe. Aufgeflogen war es durch journalistische Recherchen.
       
   IMG Bild: Unter Beobachtung: die portugiesische Sicherheitspolizei PSP
       
       Madrid taz | Portugals Politik kennt dieser Tage nur ein Thema: den Zustand
       der Polizei. Die kleine links-grüne Oppositionspartei Livre verlangt, dass
       gegen 591 Beamte aus der im städtischen Raum eingesetzten
       Sicherheitspolizei (Policia de Segurança Pública, PSP) und der ländlichen
       Nationalgarde der Republik (GNR) richterlich ermittelt wird. Der Grund sind
       journalistische Recherchen in den sozialen Medien, die 3.090 Einträge mit
       rassistischen Beschimpfungen, frauenfeindlichen Äußerungen und Posts gegen
       den Rechtsstaat aufgedeckt haben. [1][Ein Dossier wurde dazu
       veröffentlicht].
       
       In einer Facebookgruppe heißt es etwa: „Gesucht wird ein Scharfschütze mit
       Erfahrung bei Ministern und Präsidenten, korrupten Politikern und
       schädlichen hohen Beamten – sowie deren Ehepartnern.“ Autor des Posts ist
       der Chef einer der portugiesischen Polizeigewerkschaften, Luís Filipe dos
       Prazeres Maria.
       
       „Diese Äußerungen dürfen nicht unterschätzt werden“, erklärte der
       Abgeordnete der rot-grünen Livre Rui Tavares vor dem portugiesischen
       Parlament. „Das Ausmaß und die Art des Problems werden nicht ernst genug
       genommen“, beschwerte er sich. Die Liste der möglichen Straftaten, weswegen
       nun die Einleitung eines Strafverfahrens verlangt wird, ist lang. Unter
       anderem umfasst sie: Diskriminierung und Aufstachelung zu Hass und Gewalt,
       Drohungen, Anstiftung zum kollektiven Ungehorsam und zu gewaltsamem
       Umsturz, Nötigung institutioneller Organe, Verleumdung und rassistische und
       religiöse Diskriminierung. Auch die öffentliche Rechtfertigung einer
       Straftat steht im Raum, wie etwa des Mordes an dem afrolusischen
       Schauspieler Bruno Candé, der 2020 in Lissabon auf offener Straße von einem
       76-jährigen Veteranen der portugiesischen Kolonialkriege erschossen wurde.
       Candé und seine Angehörigen werden in einer polizeilichen Facebookgruppe
       als „Parasiten“ beschimpf. Und es wird die Fake News verbreitet, die
       Hinterbliebenen würden vom Staat eine lebenslange Unterstützung erhalten.
       
       Während die Polizeiverbände den Anlass der journalistischen Recherche
       nutzen, um gegen „die schweren, strukturellen Probleme“ auf die Straße zu
       gehen, versucht der Innenminister der sozialistischen Regierung unter
       António Costa, Luis Carneiro, die Öffentlichkeit zu beruhigen und den Fall
       herunterzuspielen. Es gebe „keine gezielte Infiltration in den
       Sicherheitskräfte, wie dies in anderen Ländern der Fall ist“, erklärte er.
       
       ## Die Recherchen zeigen: Die Polizei ist längst rechtslastig
       
       Die sozialen Netzwerke der Polizeibeamten sind voller Sympathiebekundungen
       gegenüber der [2][rechtsextremen Partei Chega!], deren Chef André Ventura
       bei den letzten Präsidentschaftswahlen im Jahr 2020 11,9 Prozent der
       Stimmen erzielte. Die Partei, deren Namen auf Deutsch „Schluss jetzt!“
       bedeutet, zog dann 2022 bei den [3][Parlamentswahlen] mit 7,15 Prozent auf
       Anhieb als drittstärkste Kraft ins Parlament des südwesteuropäischen Landes
       ein.
       
       Chega!-Chef Ventura unterstützt die 591 Beamten aus den Gruppen in den
       sozialen Netzwerken. Für ihn sind die Betroffenen Opfer „gezielter
       Verfolgung“ und „Erniedrigung“ [4][durch die portugiesische
       Linksregierung].
       
       Mittlerweile wird zumindest intern ermittelt „Die Sicherheitskräfte stehen
       für die Autorität des Staates. Sie sind Ausdruck der Souveränität des
       Staates, daher ist jeder, der rassistische, fremdenfeindliche, homophobe
       Ideen in irgendeiner Form der Diskriminierung verteidigt, bei den
       Sicherheitskräften nicht willkommen“, erklärt gegenüber der portugiesischen
       Presse die Generalinspektorin der Abteilung für Innere Ermittlungen – der
       Polizei in der Polizei – Anabela Ferreira. „Es reicht aus, dass es einige
       wenige Fälle gibt, damit uns dies Sorgen bereitet“, fügte sie hinzu. Den
       Polizeibeamten in Portugal ist es untersagt, politische Äußerungen zu
       tätigen, die gegen den Rechtsstaat und die Verfassung verstoßen.
       
       In der Vergangenheit standen die portugiesischen Sicherheitskräfte immer
       wieder im Kreuzfeuer der Kritik. So veröffentlichte die
       Menschenrechtskommissarin des Europarats Dunja Mijatović 2021 einen Bericht
       über Rassismus und Frauenfeindlichkeit in Portugal, in dem sie die
       Regierung aufforderte, gegen entsprechende Tendenzen in der Polizei
       vorzugehen.
       
       15 Dec 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://setentaequatro.pt/investigacao-74/policias-sem-lei-o-odio-de-591-agentes-de-autoridade
   DIR [2] /Portugal-nach-der-Wahl/!5832866
   DIR [3] /Regierungskrise-in-Portugal/!5813224
   DIR [4] /Sozialisten-gewinnen-Wahl-in-Portugal/!5832566
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Reiner Wandler
       
       ## TAGS
       
   DIR Antonio Costa
   DIR Rechtsextremismus
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   DIR Polizei Niedersachsen
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