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       # taz.de -- Karlsruhe zu Zitaten des Ex-Kanzlers: Kein Schmerzensgeld für Kohl-Witwe
       
       > Maike Kohl-Richter wollte eine Million Euro Entschädigung erben, die
       > Helmut Kohl erstritten hatte. Sie scheiterte nun auch am
       > Bundesverfassungsgericht.
       
   IMG Bild: Auch am höchsten deutschen Gericht gescheitert: Maike Kohl-Richter (hier 2021 in Köln)
       
       Freiburg Maike Kohl-Richter kann nicht das Schmerzensgeld erben, das Helmut
       Kohl im Streit um das Buch „Vermächtnis – Die Kohl-Protokolle“ erstritten
       hatte. [1][Die Witwe des 2017 verstorbenen früheren Bundeskanzlers] kann
       auch nicht durchsetzen, dass die vertraulichen Zitate nach seinem Tod gar
       nicht verbreitet werden dürfen. Das hat das Bundesverfassungsgericht am
       Donnerstag entschieden. In beiden Verfassungsbeschwerden Kohl-Richters ging
       es um das „postmortale“ Persönlichkeitsrecht des Altkanzlers, als Schutz
       seines Ansehens nach dem Tod.
       
       Das Buch „Vermächtnis“ erschien 2014 und sorgte vor allem deshalb für
       Furore, weil es zahlreiche deftige Kohl-Zitate über andere wichtige
       Politiker:innen enthielt. Unter anderem hatte Kohl die Tischsitten der
       damaligen Kanzlerin Angela Merkel kritisiert.
       
       Autor des Buches war der Journalist Heribert Schwan, der die ersten drei
       Bände von Kohls Memoiren geschrieben hatte. Zur Vorbereitung hatte Schwan
       mit Kohl 2001 und 2002 rund 600 Stunden lang über dessen Leben gesprochen.
       Beim vierten Band der Autobiographie kam es jedoch zum Streit und die
       Zusammenarbeit wurde beendet. Im Buch „Vermächtnis – Die Kohl-Protokolle“
       wertete Schwan dann die alten Tonbänder aus.
       
       ## Anspruch auf Schmerzensgeld ist nicht vererbbar
       
       Kohl klagte gegen Schwan, dessen Co-Autor Tilman Jens und deren Verlag
       Random House. Er verlangte fünf Millionen Euro Schmerzensgeld. Die
       Keller-Gespräche mit Schwan seien vertraulich gewesen. Dass Schwan ihn nun
       mit der Veröffentlichung bloßstelle, verletze sein Persönlichkeitsrecht.
       Kurz vor Kohls Tod sprach ihm das Landgericht Köln im April 2017 Kohl
       immerhin eine Million Euro Schmerzensgeld zu. Es war der höchste Betrag,
       der bis dahin nach deutschem Recht wegen einer
       Persönlichkeitsrechtsverletzung zugesprochen wurde.
       
       Das Urteil war bei Kohls Tod im Juni 2017 aber noch nicht rechtskräftig,
       denn sowohl Kohl als auch Schwan und der Verlag hatten Rechtsmittel
       eingelegt. Seitdem wird darüber gestritten, ob der Anspruch auf das
       Schmerzensgeld vererbbar ist und auch von Maike Kohl-Richter eingeklagt
       werden kann. Das Oberlandesgericht Köln [2][und der Bundesgerichtshof haben
       dies verneint]. Das Schmerzensgeld diene der Genugtuung des Verletzten, die
       nicht mehr erreicht werden kann, wenn der Betroffene tot ist.
       
       Auch das Bundesverfassungsgericht lehnte also nun die Verfassungsbeschwerde
       von Kohl-Richter ab. Sie hatte sich auf ihr Eigentumsrecht und auf Helmut
       Kohls postmortales Persönlichkeitsrecht berufen. Das hohe Schmerzensgeld
       diene auch der Prävention gegen weitere Rechtsverletzungen. Die
       Verfassungsrichter:innen hielten es nun aber für eine zulässige
       Entscheidung des Gesetzgebers und der Fachgerichte, dass ein Schmerzensgeld
       nicht vererbbar ist. Es gebe hier einen weiten Gestaltungsspielraum. Die
       verfassungsrechtliche Pflicht zum Schutz der Menschenwürde sehe weder vor,
       dass eine Verletzung stets zu Entschädigungsansprüchen führen müsse, noch,
       dass solche Ansprüche an Erben übergehen.
       
       ## Streit mit Autor und Verlag geht noch weiter
       
       In einer zweiten Verfassungsbeschwerde ging Kohl-Richter gegen die
       Entscheidung der Fachgerichte vor, dass der Verlag nur die Verbreitung von
       Falschzitaten oder misinterpretierten Aussagen unterlassen muss. Auch diese
       Urteile verletzten Helmut Kohls postmortales Persönlichkeitsrecht, so die
       Witwe.
       
       Doch auch hier scheiterte Kohl-Richter. Nach dem Tod Helmut Kohls werde nur
       noch dessen Menschenwürde geschützt. Die Veröffentlichung korrekter
       Kohl-Zitate, die dieser aber selbst nie veröffentlicht hätte, sei keine
       Verletzung von Kohls Menschenwürde. Er werde dadurch nicht grob
       herabgewürdigt und erniedrigt, so die Verfassungsrichter:innen.
       
       Derzeit ist das Zitate-Buch nur noch als e-Book erhältlich. Das Buch war
       mehr als 200.000 Mal vekauft worden.
       
       Maike Kohl-Richter streitet immer noch mit dem Verlag und Heribert Schwan
       vor Gericht. Das Oberlandesgericht Köln hat im November die Beweisaufnahme
       zur Frage neu aufgenommen, ob es vielleicht doch eine
       Vertraulichkeitsabrede gab – was eine weitere Verbreitung vieler Passagen
       des Buches verhindern würde. Eine Entscheidung wird im Frühjahr 2023
       erwartet.
       
       (Az.: 1 BvR 19/22 und 110/22)
       
       15 Dec 2022
       
       ## LINKS
       
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   DIR Christian Rath
       
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