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       # taz.de -- Nabu Berlin über Neubau und Umweltschutz: „Der SPD ist Umweltschutz egal“
       
       > Der Nabu fordert eine Abkehr vom SPD-Mantra „Bauen Bauen Bauen“. Man
       > müsse Freiflächen schützen, innerstädtisch nachhaltiger bauen und das
       > Umland einbeziehen.
       
   IMG Bild: Finde jemanden, der dich so liebt, wie die SPD PR-Termine mit Bauhelm: Giffey und Geisel (beide SPD)
       
       taz: Herr Altenkamp, Berlin braucht günstigen Wohnraum. Warum halten Sie
       dennoch das Credo „Bauen Bauen Bauen“ der Berliner SPD für falsch? 
       
       Rainer Altenkamp: Weil es ein gewaltiges Flächenvernichtungsprogramm ist.
       Bausenator Andreas Geisel und die Regierende Bürgermeisterin richten mit
       ihrer Politik enormen Schaden an. Auch wenn die Neubauziele nicht erreicht
       wurden: In Berlin wird und wurde die letzten Jahre viel gebaut. Das Problem
       ist allerdings: Es wurde nicht günstig gebaut. Der Stadt fehlt bezahlbarer
       Wohnraum. Der jetzt forcierte teure Neubau schafft hauptsächlich Wohnraum
       im hochpreisigen Segment – und zwar zulasten von Natur- und Umweltschutz
       und unter dem Verlust von Freiflächen.
       
       Sollte man ausschließlich sozial und nachhaltig bauen? 
       
       Das Ziel, günstig zu bauen, ist unter derzeitigen Bedingungen in der
       Baubranche nicht zu erreichen aufgrund von Preiserhöhungen, Personalmangel
       und Ressourcenknappheit. Sinnvoller wäre es, günstigen Wohnraum zu erhalten
       und dagegen vorzugehen, dass jedes Jahr tausende Wohnungen aus der
       Sozialbindung fallen. Denn es ist derzeit gar nicht mehr möglich, günstig,
       klimagerecht und schnell neu zu bauen. Der Senat hat sich ja bereits
       offiziell vom Neubauziel von 20.000 Wohnungen verabschiedet – er weiß
       selber, dass es nicht funktioniert. Dennoch setzt Senator Geisel weiter auf
       Neubau im hochpreisigen Segment. Das Problem ist aber: Wenn Flächen bebaut
       sind, sind sie weg – auf Kosten des innerstädtischen Grüns. Zudem braucht
       jedes neue Gebäude Wasser und Infrastruktur und erhitzt das Stadtklima.
       Berlin sollte sich vom Mantra „Bauen Bauen Bauen“ verabschieden und fragen,
       wo ökologisches Bauen sinnvoll und möglich ist.
       
       Wo denn? 
       
       In München, ebenfalls eine Stadt mit wahnsinnigem Wohnraummangel, sagt
       man: Wenn wir weiter bauen, sind alle innerstädtischen Flächen weg – also
       müssen wir auf das Umland schauen.
       
       Also soll Berlin einfach Brandenburg bebauen? 
       
       Die Erhaltung innerstädtischer Flächen ist ohne Umland nicht möglich. Uns
       ist aber natürlich bewusst, dass man damit ein weiteres Problem schafft:
       mehr Pendler, die wiederum auf einen besseren ÖPNV angewiesen sind.
       
       Ginge nachhaltiger Neubau auch innerstädtisch? 
       
       Bauen an sich ist immer Freiflächenvernichtung, Ressourcenverbrauch und
       extrem klimaschädlich. 40 Prozent des CO2-Ausstoßes im Gebäudesektor geht
       auf Neubau zurück. Deswegen ist Neubau auf der grünen Wiese auf jeden Fall
       zu vermeiden. Stattdessen könnte man Gebäude aufstocken. Es geht nicht,
       dass es immer noch riesige Supermärkte ohne Wohnbebauung darüber gibt.
       Ebenso könnte man bereits versiegelte Flächen wie Parkplätze bebauen.
       
       Wie bilanzieren Sie nach einem Jahr die Arbeit des rot-grün-goten Senats
       mit Blick auf Natur- und Umweltschutz? 
       
       Wir sehen bei der Umweltsenatorin Bettina Jarasch ein paar richtige Ansätze
       – etwa die acht Stellen im Bereich Natur und Artenschutz, die endlich
       besetzt wurden, um Natur- und Landschaftsschutzgebiete auszuweisen. Wir
       sehen deutliche Ansätze dafür, dass Jarasch den Stau auflösen kann, den sie
       geerbt hat. Aber natürlich ist sie auch in einer Koalitionsdisziplin
       beigetreten, über der das Motto „Bauen Bauen Bauen“ steht. Der Schutz von
       Natur, Umwelt und Freiflächen ist für diese Koalition nachrangig. Wir
       hätten uns von Frau Jarasch mehr Einsatz gewünscht bei der Novelle der
       Bauordnung und der Charta Stadtgrün, wo auch die SPD blockiert.
       
       Bei der Novelle geht es um ökologische Vorgaben beim Neubau und bei der
       Charta Stadtgrün um den Erhalt innerstädtischer Flächen. Warum sperrt sich
       die SPD dort? 
       
       Der SPD ist Klima und Umweltschutz völlig egal. Sie ordnet alles dem Bauen
       unter. Tatsächlich machen wir mit dieser Politik in Berlin gerade keinen
       Klimaschutz. Dazu müssten wir viel weniger bauen.
       
       Dennoch muss man auch festhalten, dass Berlins Mietenmarkt kaputt ist und
       wir mehr günstigen Wohnraum brauchen. Wie soll dieser Bedarf denn gedeckt
       werden? 
       
       Wir brauchen eine ernsthafte Diskussion darüber, wie viele Bewohner dieser
       Ballungsraum verkraftet. Der Bedarf, der jetzt artikuliert wird, läuft auf
       die vollständige Vernichtung der privaten innerstädtischen Grünflächen
       hinaus. Die Lösung des Problems ist ohne das Umland nicht zu machen.
       
       20 Dec 2022
       
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