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       # taz.de -- Rechtslage bei Böllerattacken: Wenn der Schuss nach hinten losgeht
       
       > Nach den Angriffen an Silvester wird über Gesetzesverschärfungen
       > diskutiert. Doch vieles ist geregelt – vom Böllerverbot bis zur Bodycam.
       
   IMG Bild: Seit 2017 gilt für „tätliche Angriffe auf Vollstreckungsbeamte“ eine eigene Norm im Strafgesetzbuch
       
       Berlin taz | [1][Die Vorkommnisse der Silvesternacht] sind bereits heute
       strafbar, das heißt, es gibt keinen rechtsfreien Raum. Diskutiert wird also
       nur über Verschärfungen.
       
       So ist es heute bereits strafbar, Menschen mit Feuerwerkskörpern zu
       beschießen. Wenn eine Person dabei absichtlich verletzt wird, gilt dies als
       „Körperverletzung“ und wird mit einer Geld- oder Freiheitsstrafe bis zu
       fünf Jahren sanktioniert. Der Pyro-Angriff auf Menschen ist auch strafbar,
       wenn nichts passiert, weil die Raketen das Ziel verfehlen. Dies gilt dann
       als „versuchte Körperverletzung“. Je nach Einsatz der Böller und Raketen
       könnte auch eine „gefährliche Körperverletzung“ vorliegen, mit einem
       Strafrahmen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Wer Böller in eine
       Menschenmenge wirft und dadurch die Gesundheit anderer gefährdet, kann
       wegen „Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion“ verurteilt werden, die
       Mindeststrafe beträgt ein Jahr.
       
       Seit 2017 gilt für „tätliche Angriffe auf Vollstreckungsbeamte“ eine eigene
       Norm im Strafgesetzbuch, wonach mindestens drei Monate Freiheitsstrafe
       verhängt werden müssen und Geldstrafe ausgeschlossen ist. Geschützt sind
       hier zunächst Polizist:innen, durch einen Querverweis aber auch
       Feuerwehrleute und Rettungssanitäter:innen. Auch damals wurde mit
       zunehmenden Angriffen auf Einsatzkräfte argumentiert.
       
       Wer mit Feuerwerkskörpern fremdes Eigentum beschädigt (zum Beispiel
       Fahrräder), begeht eine „Sachbeschädigung“, die Höchststrafe beträgt zwei
       Jahre. Auch hier ist schon der Versuch strafbar. Mit bis zu fünf Jahren
       Freiheitsstrafe wird die „Zerstörung wichtiger Arbeitsmittel“ bestraft.
       Hierzu gehören seit der Einführung des Paragrafen 1986 auch
       Polizeifahrzeuge. 2011 wurde die Strafnorm auf den Schutz von
       Feuerwehrautos und Krankenwagen erweitert.
       
       ## Böllerverbote schon heute in der Sprengstoffverordnung geregelt
       
       Welche Strafe im Einzelfall verhängt wird, entscheidet das Gericht. In der
       Regel wird der Strafrahmen nicht ausgeschöpft, also nicht die Höchststrafe
       verhängt. Bei Ersttäter:innen bleibt es meist bei Geldstrafen. Wenn nur
       Freiheitsstrafen möglich sind, können diese bis zu einer Höhe von zwei
       Jahren zur Bewährung ausgesetzt werden (wobei eine Geldauflage zu bezahlen
       ist). Für unreife Heranwachsende (bis 21 Jahren) und Betrunkene sind
       mildere Strafen möglich. Aus Gründen der Generalprävention, also der
       Abschreckung, kann ein Gericht aber auch betont harte Strafen verhängen.
       
       [2][Böllerverbote sind schon heute in der Sprengstoffverordnung geregelt].
       Feuerwerkskörper der Kategorie F2, also Böller und kleinere Raketen, dürfen
       fast das ganze Jahre nicht benutzt werden. Nur an Silvester und Neujahr ist
       das Zünden erlaubt – allerdings nur durch Volljährige und nicht „in
       unmittelbarer Nähe von Kirchen, Krankenhäusern, Kinder- und Altersheimen
       sowie besonders brandempfindlichen Gebäuden oder Anlagen“.
       
       Die Sprengstoffverordnung wird vom Innenministerium erlassen und gilt
       bundesweit. Örtliche Behörden können schon heute in bestimmten Gegenden zum
       Lärm- oder Brandschutz das Abfeuern von Raketen und Böllern auch an
       Silvester verbieten.
       
       Der Einsatz von kleinen Kameras an den Fahrzeugen (Dashcams) oder am Körper
       (Bodycams) von Einsatzkräften gehört zum Recht der Gefahrenabwehr, für das
       die Bundesländer zuständig sind. Die meisten Bundesländer haben inzwischen
       entsprechende Regelungen in ihren Polizeigesetzen. In Berlin gibt es bisher
       nur eine Versuchsklausel, die bis April 2024 befristet ist. Auf dieser
       Grundlage wurden zunächst nur 30 Bodycams angeschafft und getestet. Seit
       Dezember 2022 sind 300 Bodycams im Einsatz, davon 250 bei der Berliner
       Polizei und 50 bei der Feuerwehr. Das Berliner Polizeigesetz (ASOG) würde
       auch die jetzt geforderte Beschaffung und den Einsatz von Dashcams bei der
       Feuerwehr zulassen.
       
       3 Jan 2023
       
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