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       # taz.de -- Schluss mit kostenlosem Aufladen: Harte Zeiten für Ladeschnorrer
       
       > Handelsketten schaffen den kostenlosen Strom für Elektroautos auf dem
       > Kundenparkplatz ab. Auch an anderen Ladepunkten wird es teurer.
       
   IMG Bild: Es wird immer verwickelter, an günstigen Strom zu kommen
       
       Freiburg taz | Die [1][steigenden Strompreise] kommen zunehmend auch an den
       Ladesäulen für Elektroautos an. Erst recht für Ladeschnorrer werden die
       Zeiten härter: Handelsketten, die zu Werbezwecken ihren Kunden bisher
       kostenloses Laden ermöglichten, können sich dies angesichts der gestiegenen
       Marktpreise und vermutlich auch aufgrund der zunehmend nachgefragten
       Strommenge nicht mehr leisten.
       
       Aldi Süd beendete das kostenlose Laden für Kunden schon im vergangenen
       Juni, Lidl folgte im September. Seither werden bei den Discountern jeweils
       reguläre Preise fällig. Selbiges gilt auch für den Heimwerkermarkt Bauhaus,
       der bereits seit Ende 2021 zusammen mit der EnBW die Ladeinfrastruktur
       betreibt und nun zu branchenüblichen Tarifen abrechnet.
       
       Nur das Möbelhaus Ikea bietet an seinen 54 Einrichtungshäusern in
       Deutschland noch kostenlose Ladepunkte an. Aber auch die Tage dieses
       Angebots dürften gezählt sein: „Aufgrund der aktuellen Situation auf dem
       Energiemarkt evaluieren wir diesen Service derzeit und schließen nicht aus,
       das Angebot in Zukunft neu zu gestalten“, teilt das Unternehmen auf Anfrage
       mit.
       
       Angesichts der gestiegenen Strompreise im Großhandel ist offenkundig, dass
       den Handelskonzernen die Kosten zu hoch geworden sind. Entsprechend
       bestätigt der Bundesverband eMobilität (BEM), dass „bei allen relevanten
       Einzelhandelsketten“ der Trend dahin gehe, den Ladestrom abzurechnen. Ob
       und in welchem Maße Kunden durch Rabatte bevorzugt würden, darüber habe der
       Verband allerdings keine Informationen.
       
       Die Ladepreise an den Parkplätzen der Handelsketten sind – wie auch sonst
       im Markt – abhängig von der Ladeleistung. [2][Lidl] zum Beispiel verlangt
       an den Wechselstromladesäulen, die bis zu 22 Kilowatt Leistung liefern,
       derzeit 29 Cent pro Kilowattstunde. Bei der Betankung mit bis zu 60
       Kilowatt Gleichstrom sind es 48 Cent und an den sogenannten HPC-Ladepunkten
       (High-Power-Charging) ab 150 Kilowatt Leistung 65 Cent.
       
       ## Auch an Tankstellen steigen die Preise
       
       Wer die Preise an der Strombörse beobachtet, wundert sich nicht, dass auch
       an den [3][Stromtankstellen] die Energie teurer wird. Auch Tesla hat
       kräftig aufgeschlagen. Bis Sommer 2021 konnten die Fahrer an den Ladesäulen
       ihres Herstellers noch für 37 Cent je Kilowattstunde tanken, inzwischen
       liegen die Preise laut Branchenportalen bei bis zu 71 Cent – ein Plus von
       92 Prozent. Fahrzeuge anderer Hersteller zahlten dort sogar bis zu 82 Cent.
       
       Unklar ist unterdessen, in welchem Maße Unternehmen weiter Gratisstrom für
       Mitarbeiter anbieten. Das Ausmaß solcher Bonusregelungen werde statistisch
       nicht erfasst, heißt es bei der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur.
       Auch der Branchenverband BEM teilt auf Anfrage mit, dazu gebe es „keine
       belastbaren Zahlen“. Wichtig ist dem Verband aber der Hinweis, dass
       Arbeitgeber „auf mess- und eichrechtskonforme Ladepunkte“ achteten, „um den
       möglichen geldwerten Vorteil korrekt abrechenbar zu machen“. Aber auch die
       kostenlosen Lademöglichkeiten für Mitarbeiter dürften rückläufig sein, weil
       die steigenden Strompreise ohnehin viele Unternehmen vor große
       Herausforderungen stellen.
       
       Schon fürchtet die Automobilbranche den Einbruch das E-Auto-Absatzes.
       „Bleiben die Strompreise dauerhaft so hoch, sind entsprechende Auswirkungen
       auf die zuletzt erfreulichen Zahlen beim Hochlauf der [4][Elektromobilität]
       unvermeidlich“, sagte vor einigen Wochen die Chefin des Verbandes der
       Automobilindustrie, Hildegard Müller.
       
       Daher fordert die Autolobbyistin nun weitere Steuernachlässe – etwa eine
       Senkung der [5][Stromsteuer]. Eine solche wäre freilich eher symbolischer
       Natur, denn die Steuer beläuft sich nur auf gut zwei Cent je
       Kilowattstunde. Zudem sind Elektroautos ohnehin schon – von den
       Subventionen beim Kauf abgesehen – steuerlich privilegiert: Reine
       Elektroautos sind bis Ende 2030 von der Kfz-Steuer befreit und auch die
       Dienstwagensteuer ist meist geringer als bei Verbrennern.
       
       Hinzu kommt die „THG-Prämie“ für Halter von Elektroautos, die sich auf
       mehrere Hundert Euro im Jahr beläuft. Diese ergibt sich daraus, dass die
       Fahrzeugeigentümer seit Anfang 2022 die rechnerisch von den Fahrzeugen
       eingesparten CO2-Mengen quasi „weiterverkaufen“ können. Angesichts der
       Privilegien für E-Automobilisten fragte jüngst eine Leserin in einem Brief
       an die taz: „Von wem sprach Herr Lindner, als er von Gratismentalität
       sprach?“
       
       5 Jan 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Fragen-und-Antworten-zu-Energiepreisen/!5876361
   DIR [2] https://www.lidl.de/c/e-ladesaeulen/s10007751
   DIR [3] /Umstieg-vom-Verbenner-aufs-E-Auto/!5834426
   DIR [4] /Elektromobilitaet/!t5033699
   DIR [5] /EEG-Autor-zur-Strommarktreform/!5877828
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bernward Janzing
       
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       noch.