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       # taz.de -- Forderung an künftigen Berliner Senat: Wirtschaft will Verwaltungsreform
       
       > Laut einer Umfrage der Industrie- und Handelskammer zur für den 12.
       > Februar geplanten Wahl ist das Land-Bezirke-Verhältnis das größte
       > Problem.
       
   IMG Bild: Wer auch immer die Wahl am 12.2. gewinnt, soll schnell die Verwaltung reformieren, fordert die IHK
       
       Berlin taz | Berlins Wirtschaft fordert vom künftigen Senat eine weit
       reichende Verwaltungsreform. „Da reicht es nicht, ein bisschen am
       Zuständigkeitsgesetz rumzufummeln, da muss es deutlich weiter gehen“, sagte
       der Präsident der Industrie- und Handeskammer (IHK), Sebastian Stietzel, am
       Donnerstag vor Journalisten. Anders als in früheren Jahren ruft die IHK
       nicht mehr nach einer Abschaffung der Bezirksebene, sondern spricht sich
       für eine genaue Abgrenzung von Aufgaben zwischen Senatsverwaltungen und
       Bezirksämtern aus. Der FDP-Forderung, künftig auf Stadträteposten zu
       verzichten, also quasi auf Bezirksminister, mochte sich Stietzel nicht
       anschließen.
       
       Die IHK hat anlässlich der am 12. Februar geplanten Wiederholungswahl zehn
       „Wahlprüfsteine“ aktualisiert, die zur Abgeordnetenhauswahl im September
       2021 entstanden waren. Zudem befragte sie rund 400 ehrenamtliche
       Gremienmitglieder zu ihren Erwartungen an die Wiederholungswahl. Ein
       Drittel davon hat sich zurückgemeldet. Ob es tatsächlich zur Wahl kommt,
       steht für die IHK wegen der [1][laufenden Beschwerde am
       Bundesverfassungsgericht] dazu noch nicht fest.
       
       Im Ergebnis messen 64 Prozent der Unternehmen dem Thema
       Verwaltungsmodernisierung die größte Bedeutung zu. Dahinter folgen
       Fachkräftesicherung und Wohnungsbau. Beides gehört für Präsident Stietzel
       zusammen: Es dürfe nicht passieren, dass Fachkräfte Berlin wegen fehlender
       Wohnungen verließen. Auch das in Bundesländervergleichen schlecht
       abschneidende Berliner Schulsystem dürfe nicht zu einem solchen Schritt
       führen.
       
       93 Prozent und damit 19 von 20 Befragten stimmten der Aussage zu, es
       bedürfe „einer grundlegenden Reform des Verhältnisses zwischen Senat und
       Bezirken, um den Wirtschaftsstandort Berlin konkurrenzfähig zu halten“.
       Stietzel forderte, künftig klar zwischen gesamtstädtischen und bezirklichen
       Aufgaben zu unterscheiden. Bei ihrer Arbeit sollten die Bezirke mehr
       Eigenständigkeit haben. „Die Leistungsfähigkeit der Verwaltung war, ist und
       bleibt die größte Baustelle in Berlin“, sagte er.
       
       Auf Nachfrage wies Stietzel den Eindruck zurück, dass sich diese Haltung
       der IHK am besten in einem Papier des Grünen-Landesverbands wiederfindet.
       Die Grünen hatten Anfang Dezember [2][ein umfangreiches Konzept einer
       Verwaltungsreform] präsentiert. Aber auch die CDU, die FDP und die
       SPD-geführte Senatskanzlei haben, wenn auch bislang weniger detailliert,
       Reformideen vorgelegt.
       
       Stietzel erinnerte daran, dass es auch vor der Wahl 2021
       Reformankündigungen gab, ohne dass sich aus seiner Sicht viel getan hätte –
       man müsse „aus den Lippenbekenntnissen herauskommen“, sagte der
       IHK-Präsident. Eine Wahlempfehlung mochte er genauso wenig abgeben wie
       jüngst im Tagesspiegel der Verein Berliner Kaufleute und Industrieller.
       
       Stietzels Vorvorvorgänger als Kammerpräsident, Eric Schweitzer, noch an
       eine Abschaffung der Bezirke gedacht. Seine Vorstellung war [3][laut
       damaliger Berichterstattung,] dass alle Senatsverwaltungen „lokale
       Anlaufstellen“ in den zwölf Bezirken haben sollten, die das
       Verwaltungsgeschäft auf lokaler Ebene erledigen, fachlich beaufsichtigt von
       der Hauptverwaltung. Ähnliches hatte kurz vor Weihnachten
       FDP-Spitzenkandidat Sebastian Czaja gefordert, der viele Aufgaben über
       Landesämter erledigen lassen würde. Anders als die IHK damals will Czaja
       aber die Bezirksparlamente bestehen lassen.
       
       Für den aktuellen rot-grün-roten Senat gab es von der IHK Lob wie Kritik:
       Bei den Themen Mobilität und Digitalisierung habe sich seit dessen
       Vereidigung im Dezember 2021 „viel bewegt“, beim Topthema Wohnungsbau habe
       es „erste vielversprechende Schritte gegeben“. Die beabsichtigte
       Ausbildungsplatzumlage hingegen bezeichnet die IHK als „rein ideologische
       Idee“, weil es aktuell mehr Ausbildungsplätze als tatsächliche Nachfrage
       gebe.
       
       5 Jan 2023
       
       ## LINKS
       
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