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       # taz.de -- Makkabi Winter Games in Ruhpolding: Vom Schläger zum Stock
       
       > Lisa Michajlova ist eine bei jüdischen Sportspielen hochdekorierte
       > Tischtennisspielerin. Nun hat sie eine Medaille im Eisstockschießen
       > gewonnen.
       
   IMG Bild: Wie Bowling, bloß anders: Lisa Michajlova bei der Winter-Makkabiade
       
       Eigentlich hatte Lisa Michajlova nur als Volunteer, als freiwillige
       Helferin also, an den ersten Makkabi-Wintergames seit fast 87 Jahren
       teilnehmen wollen. Die 24-Jährige aus dem Ruhrgebiet wollte vor Ort in
       Ruhpolding beim Social-Media-Team mitarbeiten – dann kam aber alles ein
       bisschen anders als geplant und nun ist sie Silbermedaillen-Gewinnerin im
       Eisstockschießen.
       
       [1][Bei einer Makkabiade] auf dem Siegerpodest zu stehen und eine Medaille
       umgehängt zu bekommen, ist für Lisa Michajlova nichts Neues. Nur tut sie
       das normalerweise bei den Sommerspielen, und das ziemlich oft. „Ich hab im
       Tischtennis schon mehrfach Gold geholt“, berichtet sie, „2017 zum Beispiel
       zweimal, im Einzel und im Damen-Doppel.“ Bei der europäischen Makkabiade
       2019 kamen weitere Titel hinzu, ebenso wie 2022.
       
       „Meistens habe ich im Finale gegen meine Schwester Katharina gewonnen oder
       verloren“, sagt sie. Wo verwahrt man derart viele Auszeichnungen? „Ach“,
       sagt Lisa und lacht, „einige haben wir der Jüdischen Gemeinde gegeben, die
       sie in einer Vitrine ausstellt. Und der Rest ist bei meinen Eltern, sie
       haben einen riesigen Schrank für Pokale und so weiter.“
       
       Die Michajlovs waren schließlich Tischtennis-Profis und haben die Liebe zu
       ihrer Sportart an ihre Kinder weitergegeben. „Ich spiele seit 16, Halt
       nein, schon seit 18 Jahren“, stellt Lisa fest. Zusammengerechnet hat die
       Familie bei Makkabiaden „insgesamt zwölfmal Gold gewonnen“ – und nun eben
       auch Edelmetall im Eisstockschießen.
       
       Und das kam so: Als bekannt wurde, dass Makkabi Deutschland 90 Jahre nach
       den ersten Makkabi-Winterspielen im polnischen Zakopane wieder Winter Games
       veranstalten wollte, war für Lisa klar, dass sie dabei sein will. Sie habe
       zwar gewusst, dass es die Idee gab, und das auch schon seit geraumer Zeit,
       „aber dann kam Corona und damit auch die ganzen Einschränkungen im Sport –
       und nun auf einmal sitzen wir hier in den Alpen. Dass diese Tradition
       wiederbelebt werden konnte und wir Teil davon sein dürfen, das ist schon
       etwas ganz Besonderes“, sagt sie.
       
       ## Die kurze Geschichte der Winter-Makkabiade
       
       [2][Die Spiele 1933 in Zakopane] waren zwei Tage nach Hitlers Ernennung zum
       Reichskanzler eröffnet worden, die Gazeta Warszawska hatte die polnische
       Jugend dazu aufgerufen, die „Verjudung der polnischen Wintersportgebiete zu
       verhindern“. 1936 fanden im slowakischen Banska Bystrica noch einmal
       jüdische Winterspiele statt, das war’s – bis Ruhpolding.
       
       Lisa Michajlova freute sich auf die Begegnungen mit Juden aus 20
       verschiedenen Nationen, „es gab einen coolen Mix aus Leuten, die man immer
       wieder trifft, und solchen, die man zum ersten Mal sieht, weil sie eben nur
       Wintersport machen“. Dann aber fragte ihre Zimmernachbarin, die als Medical
       Volunteer arbeitet, ob Lisa nicht beim Eisstockschießen einspringen könne,
       dem deutschen Team Ha’Koach um Wladimir Olchow und Michal Nassi fehle noch
       jemand. „Ich hatte das zuvor noch nie gemacht, aber dann ging es eigentlich
       ganz gut, es ist halt wie Bowling, nur eben auf dem Eis.“ Man trainierte
       und „in unseren Spielen hatten wir sogar voll die Taktik“.
       
       Und sonst? In Ruhpolding sei es toll gewesen, „und sehr bayrisch“, findet
       Lisa. Beim Gottesdienst und der Schabbathfeier habe man sogar Leute in
       Tracht gesehen, „sie waren vom Trachtenverein und´ wollten sich das Ganze
       mal angucken“. Außerdem gab es eine „typische Après-Ski-Party, mit
       „Schlagerliedern und Karaoke und, ja, auch den einschlägigen Getränken“.
       
       Das koschere Essen im Hotel, in dem alle Teilnehmer und Mitarbeiter
       wohnten, sei von sieben Chefköchen aus Israel organisiert worden, „sie sind
       extra hergekommen und haben in der koscher gemachten Küche unfassbar gutes
       Essen gezaubert“. Besonders gefreut hat sich Michajlova, dass viele
       Ukrainer an den Spielen teilgenommen haben, „meine Eltern sind ja
       ursprünglich von dort, wir haben Freunde und Verwandte im Land, mein
       Großvater ist vor dem Krieg zu uns geflohen“.
       
       Für Lisa Michajlova bedeutet das Ende der Wintergames den Anfang der
       Klausurphase. Sie studiert Mathematik und Philosopie sowie „Cognitive
       Science“ im Master. Ob sie sich vorstellen kann, bei etwaigen nächsten
       Wintergames wieder dabei zu sein? „Es wird sicher wieder Winterspiele
       geben“, sagt sie. „Viele Leute hatten es ja bis zu dieser Makkabiade gar
       nicht auf dem Schirm, dass das schon einmal möglich war.“
       
       Hier und jetzt „haben wir den Anfang einer Tradition erlebt, ob die nächste
       Winter-Makkabiade nun wieder von Deutschland organisiert wird, ist unklar,
       gerüchteweise sind die USA schon sehr interessiert, die Spiele
       auszurichten“.
       
       9 Jan 2023
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Elke Wittich
       
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