# taz.de -- Klimapolitik in Berlin: Gefangen in der Autoblase
> Der Senat übernimmt den Großteil der Maßnahmen des
> Klimabürger*innenrats. Bis zur emissionsfreien Stadt wird es aber
> noch dauern.
IMG Bild: Gegen die Autoliebe des Senats hilft auch die Installation „Auto-Blase“ aus dem Sommer 2022 nichts
Berlin taz | „Klimaschutz hat oberste Priorität. Er muss zügig,
entschlossen und sozial gerecht umgesetzt werden.“ So lautet der oberste
Leitsatz des Klimabürger*innenrats, dem 97 Prozent der Mitglieder
zugestimmt haben. Von April bis Juni vergangenen Jahres haben 100 zufällig
ausgeloste Berliner*innen über die Frage beraten, wie die Stadt
möglichst schnell klimaneutral wird. [1][Herausgekommen sind 47
Handlungsempfehlungen], die nun vom Senat bewertet wurden.
Als „zukunftsweisende Impulse für die Klimaschutzpolitik in unserer Stadt“
bezeichnet die rot-grün-rote Koalition die Maßnahmen in einer Stellungnahme
an das Abgeordnetenhaus. 31 davon sollen nun vollständig und 12 teilweise
in das Energie- und Klimaschutzprogramm 2030 aufgenommen werden: etwa der
schrittweise Austausch von Öl- und Gasheizungen, weniger bürokratische
Hürden beim Ausbau erneuerbarer Energien oder Dachbegrünung.
Nicht übernommen wurde die Empfehlung, leerstehende Gebäude zwangsweise in
Wohnraum umzufunktionieren. Weder das Bundesrecht noch das Berliner
Zweckentfremdungsrecht würden dazu eine Handhabe bieten, heißt es.
Eine weitere Forderung des Klimarats ist eine sozial gerechte
Kostenverteilung für energetische Sanierungen. Demnach sollen große
Immobilienkonzerne mehr zahlen als kleine Vermieter*innen. Immerhin 77
Prozent wollen dafür Teile der Gewinne von profitorientierten
Wohnungsunternehmen abschöpfen.
Der Senat sieht hier jedoch gleich zwei Probleme: Berlin habe dafür keine
Gesetzgebungskompetenz und es sei nicht ersichtlich, wie dies unter Wahrung
des Gleichbehandlungsgebots geregelt werden könne.
## Senat und Klimabürger*innenrat gegen Stadtautobahn
Ebenfalls nicht übernommen wurde die Empfehlung, in der Hauptstadt eine
City-Maut einzuführen. Der Senat konzentriere sich lieber auf andere
Maßnahmen wie eine Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung, neue
Finanzierungsinstrumente des ÖPNV sowie die „mittelfristige Einführung
einer Nullemissionszone“.
Fragt sich nur, was „mittelfristig“ heißt. „Die konkreten Zielzahlen der
Maßnahmen hat der Senat nicht übernommen“, kritisiert Michaela Zimmermann
von der Initiative Klimaneustart Berlin, die den Bürger*innenrat durch
eine Volksinitiative erwirkt hat. So will der Senat von der geforderten
[2][Verbannung von Verbrennermotoren] ab diesem Jahr sowie einer
emissionsfreien Innenstadt bis 2030 nichts wissen. „Es muss alles schneller
passieren, dafür braucht es konkrete Ziele“, sagt Zimmermann zur taz.
Doch das vom Bürger*innenrat ausgegebene Ziel einer Innenstadt, „in der
grundsätzlich nicht mit dem Auto gefahren wird“, teilt der Senat explizit
nicht. Einig ist man sich dafür in der Ablehnung der umstrittenen
Stadtautobahn. „Das Land Berlin will den Weiterbau nicht – die A100 muss
mit einem qualifizierten Abschluss am Treptower Park enden“, sagt
Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) zur taz. Bundesverkehrsminister
Volker Wissing (FDP) müsse das ernst nehmen, statt eine „Verkehrspolitik
der Vergangenheit“ zu betreiben.
Danach sieht es aber nicht aus. Laut Tagesspiegel will das
Bundesverkehrsministerium den 17. Bauabschnitt bis 2035 fertigstellen. Ganz
ohne Probleme mit „konkreten Zielzahlen“.
10 Jan 2023
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## AUTOREN
DIR Marie Frank
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