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       # taz.de -- Tagebuch aus Lützerath (10): Thermosocken und Pfefferspray
       
       > Die Räumung kann jeden Moment beginnen. Die Eltern unseres Autors haben
       > sich deshalb erstmals umfassend über die Besetzung in Lützerath
       > informiert.
       
   IMG Bild: Lützerath am Dienstag: Polizei und Protestierende Aug' in Aug'
       
       Der Energiekonzern RWE will den Weiler Lützerath abreißen, um seinen
       Braunkohleabbau auszuweiten. Die Besetzer:innen wehren sich. Die
       Räumung soll im Januar stattfinden. Unsere Autor*innen Aron Boks und
       Annika Reiß leben mit den Aktivist*innen vor Ort. Ein Tagebuch
       
       Ein Alarm schubst mich aus dem Bett. Es ist gerade mal kurz nach 8 Uhr und
       vor dem Fenster sehe ich eine Hundertschaft der Polizei näher an das Dorf,
       in dem ich zusammen mit Klimaaktivist:innen lebe, heranrücken.
       [1][Die offizielle Räumung könnte nun jeden Moment beginnen]. Die Polizei
       entwarnt durchs Megafon. Will nur, dass eine Sitzblockade den Weg schon
       einmal frei macht. Dutzend Aktivist:innen eilen zur Hilfe. Die Polizei
       fordert zum Rückzug auf. [2][„Sonst lassen wir Sie räumen!“]
       
       In meinem besetzten Haus haben sich alle gegenseitig aufgeweckt, um den
       anderen bei der Sitzblockade zu helfen. „Auf die Barrikaden!“, singt ein
       Chor von dort und die Hundertschaft rückt weiter vor.
       
       Vor ein paar Tagen haben sich meine Eltern bei mir gemeldet. Egal wie alt
       ich bin, immer denke ich in etwas heiklen Situationen, sie wollten mich
       abholen oder so. „Das ist ja ein Wahnsinn, der da passiert!“, hatte mein
       Vater gesagt.
       
       Meine Eltern hatten angerufen, weil sie sich mit der anstehenden Räumung
       erstmals umfänglich darüber informiert haben, weswegen meine neuen
       Mitbewohner:innen und ich eigentlich in Lützerath sind. Gut, ich hatte
       das Ganze hier im Voraus auch nur eher grob umschrieben und bekam zu
       Weihnachten Sachen wie Thermosocken geschenkt „für diese Outdooraktivität“.
       
       „Die wollen einfach 280 Millionen Tonnen Kohle abbaggern!“, fuhr mein Vater
       in ähnlich leicht beunruhigter und aufgeregter Stimme fort, mit der jetzt
       draußen ein Aktivist vor „schwerem Räumungsgerät“ warnt. Meine Mutter hatte
       mir geraten, auf mich aufzupassen, und noch gefragt, ob ich hier in meinem
       neuen Zelt schlafen würde.
       
       „Die Polizei hält Sie dringend an, sich den Maßnahmen nicht zu
       widersetzen“, ruft ein Polizist. Der Typ mit Vollbart setzt sich neben mich
       und wir stellen klar, dass wir bleiben. Noch kurz vor der Räumung sind
       Hunderte neue Aktivist:innen angereist und eigentlich sollte es ein
       Kennenlernfrühstück für das Haus geben, das jetzt aus gegebenem Anlass
       verschoben wird. Durchs Dorf schwirrt die Meldung: Pfefferspray gegen
       Akivist:innen. Draußen ist es heute kälter als gestern. Aber noch sitze ich
       ja im Haus, in Thermosocken.
       
       10 Jan 2023
       
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