# taz.de -- Lagebericht Rassismus in Deutschland: „Antirassismus ist systemrelevant“
> Die Integrations- und Antirassismusbeauftragte der Bundesregierung legt
> einen Rassismusbericht vor. Der adressiert explizit strukturellen
> Rassismus.
IMG Bild: Staatsministerin Alabali-Radovan ist Beauftragte der Bundesregierung für Migration und Antirassismus
Berlin taz | Es mangelt nicht an klaren Worten, als die Integrations- und
Antirassismusbeauftragte der Bundesregierung am Mittwoch vor die Presse
tritt. „Antirassismus ist systemrelevant für unsere Demokratie“, sagt Reem
Alabali-Radovan bei der [1][Vorstellung des Lageberichts Rassismus], und:
Rassismus sei keine „abstrakte Gefahr, sondern eine schmerzliche Erfahrung
für viele, viele Menschen in unserem Land“.
Als Integrationsbeauftragte der Bundesregierung erstattet Alabali-Radovan
alle zwei Jahre dem Bundestag Bericht. Das nun vorgestellte Dokument ist
der 13. Lagebericht dieser Art – aber der erste, der sich explizit und
umfassend mit Rassismus beschäftigt. Der Kampf gegen Rassismus sei eine
gesamtgesellschaftliche Kraftanstrengung, erklärt Alabali-Radovan. [2][90
Prozent der Menschen im Land wüssten, dass Rassismus existiert, 22 Prozent
hätten ihn schon selbst erlebt]. Das Phänomen dürfe nicht reduziert werden
auf Gewalttaten oder auf das Fehlverhalten Einzelner.
Vielmehr gelte es, auch strukturellen Rassismus ins Visier zu nehmen, so
die Integrationsbeauftragte. Um diesen gehe es zum Beispiel, [3][wenn ein
Junge mit dem Vornamen Murat im Diktat bei gleicher Fehlerzahl schlechter
benotet werde als ein Junge namens Max]. Das ist ein Beispiel aus einer
Studie, die im Lagebericht zitiert wird.
In der Pressekonferenz geht es auch um die [4][Gewaltexzesse in der
Silvesternacht]. „Wir schaffen es auch 2023 noch nicht, solche Themen in
unserem Einwanderungsland zu diskutieren, ohne rassistische Ressentiments
zu schüren“, kritisiert die Beauftragte.
## Von Schule bis Polizei
Besonders adressiert Alabali-Radovan die Union: Man müsse die „Täter nach
ihren Taten beurteilen, nicht nach ihren Vornamen“, kommentiert sie eine
Initiative der Berliner CDU, die nach den Vornamen der Festgenommenen mit
deutscher Staatsangehörigkeit gefragt hatte. Aktuelle Äußerungen des
CDU-Bundesvorsitzenden Friedrich Merz über „kleine Paschas“ lehne sie
„entschieden“ ab: Solche Bemerkungen könnten zur Stigmatisierung ganzer
Gruppen führen. „Ich habe gedacht, wir sind weiter.“
Der Bericht listet auch konkrete Handlungsfelder im Bereich
institutionellen oder strukturellen Rassismus auf – etwa Schule, Arbeit,
Repräsentanz in der Politik, aber auch in der Polizei oder im
Gesundheitsbereich. Zudem enthält er eine Übersicht von Maßnahmen der
Bundesregierung wie auch Vorhaben der Antirassismusbeauftragten.
Sie werde die niedrigschwellige Beratung für Betroffene durch
Migrant*innenorganisationen fördern und [5][Opferinitiativen mit
mehr Ressourcen für eigene Räume und Projekte ausstatten], kündigt
Alabali-Radovan an.
Ein „Expertenrat Antirassismus“ mit Mitgliedern aus Wissenschaft und Praxis
soll unter anderem damit beauftragt werden, für das Verwaltungshandeln eine
Arbeitsdefinition von Rassismus zu entwickeln, „damit wir gezielter
gegensteuern können“. Wichtig sei auch das Vorhaben aus dem
Koalitionsvertrag, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) zu
reformieren.
## Mehr Schutz vor Diskriminierung
Darauf drängt auch [6][Ferda Ataman, unabhängige Bundesbeauftragte für
Antidiskriminierung]. Der Lagebericht adressiere zum ersten Mal auch
strukturellen Rassismus. Dazu zählten auch Verwaltungspraktiken in
Behörden, Schulen, in der Justiz oder etwa [7][Racial Profiling bei der
Polizei].
Für ein „Antidiskriminierungsrecht, das Menschen effektiv vor rassistischer
Benachteiligung schützt“, sei eine Reform des AGG „dringend nötig und ich
freue mich, dass sie als Handlungsempfehlung im Lagebericht steht“, so
Ataman.
11 Jan 2023
## LINKS
DIR [1] https://www.integrationsbeauftragte.de/ib-de/staatsministerin/antirassismus
DIR [2] /Bericht-zu-Diskriminierung/!5852903
DIR [3] https://www.uni-mannheim.de/newsroom/presse/pressemitteilungen/2018/juli/max-versus-murat-schlechtere-noten-im-diktat-fuer-grundschulkinder-mit-tuerkischem-hintergrund
DIR [4] /Sozialpsychologe-ueber-Gewalt-an-Silvester/!5903996
DIR [5] /Betroffene-ueber-Rechtsextremismus/!5873062
DIR [6] /Ferda-Ataman-ueber-Kritik-an-Nominierung/!5869271
DIR [7] /Kampf-gegen-Racial-Profiling/!5885625
## AUTOREN
DIR Dinah Riese
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