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       # taz.de -- Handball als Weltsport: Klein und doch auch ganz groß
       
       > Der Handball expandiert. Das kann man auch bei der WM in Schweden und
       > Polen beobachten. Um olympisch zu bleiben, braucht es globale
       > Bündnispartner.
       
   IMG Bild: Hoch ist das Handballniveau in Europa: die Polen im Auftaktspiel gegen Frankreich in der Offensive
       
       Er ist etwas für Feinschmecker. Für Handballgourmets, für Freunde
       ungewohnter Paarungen wie: Belgien gegen Cape Verde. Oder USA gegen
       Saudi-Arabien. Für manchen tief gefallenen Favoriten wird es sich wie
       Nachsitzen anfühlen, wenn man doch nach Hause möchte. Aber für Novizen des
       Handballs ist der „Presidents Cup“ der krönende Abschluss einer
       Weltmeisterschaft. Hier ist man endlich unter sich. Weitgehende
       Chancengleichheit.
       
       Ab dem 18. Januar spielen im polnischen Plock die Kleinen dieser WM
       gegeneinander, am 25. Januar wird dann feststehen, wer die Titelkämpfe als
       25. beendet und somit der Beste vom Rest geworden ist. Es wird auch einen
       32. geben, und das ist leider – hochtrabender Name hin oder her – eindeutig
       der letzte.
       
       [1][Nach Ägypten 2021] veranstaltet der Welt-Handballverband IHF zum
       zweiten Mal eine WM mit 32 statt 24 Teilnehmern. Es gibt Teams aus dem
       Nahen und Mittleren Osten, aus Asien, aus Südamerika, aus Afrika. Auch die
       USA sind dabei; sie sollen als Gastgeber der Olympischen Spiele 2028
       Handballerfahrung sammeln.
       
       Es spottet sich leicht über Spiele wie am Donnerstagabend in Kattowitz;
       leere Halle, kaum Stimmung, als Slowenien im Schlaf Saudi-Arabien schlägt.
       Doch „Let’s stick together“, der Slogan dieser WM in Schlesien, passt ganz
       gut, denn irgendwie halten die beiden Teams tatsächlich zusammen, als
       Slowenien dem Gegner aus Saudi-Arabien ein paar Tore schenkt, in der Abwehr
       nicht mehr zupackt. Die Spieler aus Nahost jubeln über jeden Treffer, auch
       der pummelige Torwart strahlt, als er einen Ball abwehrt:
       [2][Handball-Entwicklungshilfe.]
       
       ## Europäisches Kernland
       
       Es ist keine kühne These, dass der Weltmeister aus Europa kommen wird.
       Hallenhandball wurde hier erfunden, und nur hier wird er professionell
       gespielt. Die IHF möchte aber eine weltweite Sportart aus ihm machen, wohl
       wissend, dass „Handball“ in Amerika und Großbritannien etwas völlig anderes
       ist und ein Nischendasein fristet.
       
       Das nimmt Hassan Moustafa, 78, nicht den Mut, eifrig für den Handball als
       Weltsport zu trommeln. Der Ägypter hält sich schon lange an der Spitze der
       IHF, hat ein paar Skandale ausgesessen, einiges angestoßen, gilt als guter
       Freund der Deutschen, weil er früher in Leipzig studiert hat, und ist
       erstaunlich unumstritten. Ein recht dicker Vermarktungsvertrag hat dazu
       beigetragen und auch eine WM mitten in der Pandemie in Ägypten, die zu Ende
       gespielt wurde und einen Weltmeister hervorbrachte – Dänemark. Deutsche
       Teilnehmer berichteten, sie hätten sich [3][nirgends so gut vor dem Virus
       geschützt gefühlt wie in Ägypten.]
       
       Moustafa treibt etwas um. Es ist der olympische Status des Handballs. Der
       steht auf dem Spiel. Wenn stets nur Europäer gewinnen, wenn für die große,
       weite Welt Handball unbekannt oder ein Spiel ist, bei dem man einen kleinen
       Gummiball mit der Handfläche gegen eine Wand schlägt, dann ist es schlecht
       bestellt um die olympischen Chancen der Team-Ballwerfer. Deswegen
       akquiriert Moustafa auf dem afrikanischen Markt, dem asiatischen, im
       Mittleren Osten.
       
       Handball soll olympisch bleiben, dafür braucht er Bündnispartner. Er würde
       seinen Lieblingssport gern in die Winterspiele einordnen, schließlich sei
       er als Hallensport ja gar kein Sommersport. Und die größte Aufmerksamkeit
       bekommt der Handball jeden Januar, wenn EM oder WM gespielt werden. Die
       würde dann alle vier Jahre ausfallen, wegen Olympia, was auch den
       proppenvollen Kalender entzerren würde.
       
       ## Zu großes Teilnehmerfeld
       
       Der Expansionskurs hat also Gründe. In der Gegenwart wirft er Fragen auf.
       Kaum ein Land hat die Infrastruktur, um eine WM allein auszurichten.
       Deutschland und Dänemark 2019, nun Polen und Schweden, in zwei Jahren
       Norwegen, Dänemark und Kroatien: Das ist unter dem Aspekt der
       Nachhaltigkeit kein Ruhmesblatt, betrachtet man allein die Flüge zwischen
       den Spielorten.
       
       Andererseits wird fast überall in bestehenden Hallen gespielt; Auswüchse
       wie beim Fußball mit Stadien im Regenwald gibt es nicht. Und verglichen mit
       dem Basketball, wo während der EM in Georgien und Deutschland, Tschechien
       und Italien gepunktet wurde, gibt es den Nachbarschaftsaspekt beim
       Handball wenigstens annähernd.
       
       Es ist kein ganz leichtes, aber doch ein ordentliches Leben im
       Aufmerksamkeitsschatten, den der Fußball lässt. Begeisterung in den
       Kernmärkten, TV-Präsenz, [4][ein Eventpublikum], das verlässlich kommt –
       und dann den Handball bis zum nächsten Großereignis wieder vergisst. Daraus
       machen die IHF und ihr europäischer Ableger EHF ein vernünftiges Produkt.
       Dass beide den Vergleich mit dem Fußball scheuen, nicht versuchen, sich an
       ihm abzuarbeiten, ist von Vorteil. Das sind andere Dimensionen mit anderen
       Debatten, an denen man sich nur verbrennen kann.
       
       Am Produkt WM wird von Mal zu Mal ein bisschen poliert, manches wird
       verbessert (Mülltrennung in den Hallen), anderes bleibt dürftig (Nahbarkeit
       des Verbands, Informationsfluss), doch insgesamt wirkt es, als sei die
       große, kleine Handball-Community mit ihrer WM, ihrer Aufmerksamkeit und
       ihrem Sport ganz zufrieden.
       
       15 Jan 2023
       
       ## LINKS
       
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