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       # taz.de -- Amtseinführung von Lula da Silva: Ein Demokrat regiert wieder Brasilien
       
       > Der linksgerichtete Staatschef da Silva will das „Land wieder aufbauen“.
       > Er ernennt elf Ministerinnen und stellt den Klimaschutz in den
       > Mittelpunkt.
       
   IMG Bild: Übergabe der traditionellen Schärpe unter anderem durch den Häuptling des indigenen Kayapó-Volkes
       
       Santos/Brasilia dpa/afp | Nach vier Jahren unter einem rechtsradikalen
       Präsidenten regiert in Brasilien wieder ein bekennender Demokrat: Der
       Politikveteran Luiz Inácio Lula da Silva legte [1][am Sonntag vor dem
       Kongress in Brasília seinen Amtseid ab]. Der 77-Jährige versprach, die
       Spaltungen zu überwinden und das Land wieder zu versöhnen. Zahlreiche
       Staats- und Regierungschefs nahmen an der Amtseinführung teil, unter ihnen
       Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Lulas Vorgänger Jair Bolsonaro
       boykottierte die Zeremonie; er war zwei Tage zuvor in die USA gereist.
       
       Die Vereidigungszeremonie begann mit einer Schweigeminute für die
       brasilianische Fußballlegende Pelé und den emeritierten Papst Benedikt
       XVI., die am Donnerstag beziehungsweise am Samstag gestorben waren.
       Gemeinsam mit dem Volk werde er „das Land wieder aufbauen“, sagte Lula in
       seiner Rede vor dem Kongress.
       
       Die Amtszeit Bolsonaros hatte [2][zu einer tiefen Spaltung der
       brasilianischen Gesellschaft geführt]; Lula sprach von einer „verheerenden“
       Bilanz seines Vorgängers. Dieser habe das Gesundheits- und das
       Bildungssystem ebenso geschwächt wie Wissenschaft und Kultur. Den
       Umweltschutz habe er „zerstört“. Der linksgerichtete Präsident versprach,
       die unter Bolsonaro vorangetriebene [3][Abholzung des Amazonas-Regenwaldes
       zu stoppen]. Brasilien brauche keine Abholzung zugunsten der
       Landwirtschaft, sagte er.
       
       Zehntausende Anhänger hatten sich schon Stunden vor Lulas Amtseinführung
       unter sengender Sonne im Regierungsbezirk von Brasília versammelt. Als der
       77-Jährige in Begleitung seiner Frau Rosangela „Janja“ da Silva sowie des
       neuen Vizepräsidenten Geraldo Alckmin im traditionellen Rolls-Royce-Cabrio
       vorbeifuhr, brandete lauter Jubel auf.
       
       ## Keine Bürger zweiter Klasse mehr
       
       „Ich werde für 215 Millionen Brasilianer regieren und nicht nur für
       diejenigen, die mich gewählt haben“, rief Lula später der Menschenmenge zu.
       Er werde den Hunger bekämpfen, „das schlimmste aller Verbrechen“, und er
       werde „alle Formen der Ungleichheit bekämpfen“, sagte Lula, der von der
       Hitze und den Zeremonien sichtlich erschöpft war und teils mit den Tränen
       kämpfte. „Niemand wird mehr ein Bürger zweiter Klasse ein“, rief Lula, der
       in den 80er Jahren einer der Mitbegründer der sozialdemokratischen
       Arbeiterpartei (PT) in Brasilien war.
       
       Begleitet wurde die Amtseinführung von einem massiven Polizeiaufgebot,
       nachdem ein Bolsonaro-Anhänger an Heiligabend einen Anschlagsversuch mit
       einer Autobombe verübt hatte. Für Lula ist es die dritte Amtszeit – er war
       bereits von 2003 bis 2010 Präsident des größten lateinamerikanischen
       Landes. Zwischen 2018 und 2019 saß [4][er mehr als anderthalb Jahre lang
       wegen Korruptionsvorwürfen im Gefängnis].
       
       Das Idol der lateinamerikanischen Linken hatte sich [5][am 30. Oktober in
       der Stichwahl] mit hauchdünnem Vorsprung gegen Bolsonaro durchgesetzt. Der
       rechtsradikale Amtsvorgänger, der mit der Amtsübergabe seine
       Präsidenten-Immunität verlor, verließ Brasilien am Freitag Richtung
       Florida. In einem seit dem Ende der Militärdiktatur 1985 beispiellosen
       Vorgang brach er mit der demokratischen Tradition und weigerte sich, Lula
       im Palácio do Planalto, dem Amtssitz des Präsidenten, die traditionelle
       Schärpe des Staatsoberhaupts zu übergeben.
       
       Die Schärpe übergab stattdessen eine Gruppe von Bürgern, unter ihnen der
       international bekannte Häuptling des indigenen Kayapó-Volkes, [6][Raoni
       Metuktire], der seit langem für den Erhalt des Amazonas-Regenwaldes kämpft.
       
       Als eine seiner ersten Amtshandlungen ernannte Lula 34 Minister, 14 mehr
       als unter der Vorgängerregierung und darunter elf Frauen, so viel wie noch
       nie in Brasilien. Auch unterzeichnete er mehrere Dekrete, welche den unter
       Bolsonaro erleichterten Zugang zum Waffenbesitz rückgängig machten und die
       Umweltinstitutionen im Amazonasgebiet stärkten.
       
       Bundespräsident Steinmeier war am Samstag nach Brasilien gereist, um dem
       Amtsantritt Lulas beizuwohnen. Er sicherte dem neuen Staatschef die
       Unterstützung Deutschlands zu: Die Bundesrepublik stehe bereit, Lula „bei
       seinen ambitionierten Plänen zum Schutz des Regenwaldes bestmöglich zu
       unterstützen“.
       
       ## Präsident Lula bei Totenwache für Pelé erwartet
       
       Nur wenige Stunden nach seiner Vereidigung als neuer brasilianischer
       Präsident wird Luiz Inácio Lula da Silva bei der Totenwache für
       Fußballlegende Pelé in der Hafenstadt Santos erwartet. Der Staatschef wolle
       persönlich Abschied nehmen von dem dreifachen Weltmeister, berichtete das
       Nachrichtenportal „G1“ am Sonntag unter Berufung auf mit dem Protokoll
       vertraute Personen. Demnach werde Lula am Montag von der Hauptstadt
       Brasília nach Santos fliegen.
       
       Bei der Totenwache im Stadion des FC Santos werden am Montag zahlreiche
       Fans dem Ausnahmespieler die letzte Ehre erweisen. Pelés Leichnam wird ab
       10.00 Uhr (Ortszeit) in der Spielfeldmitte des Estádio Urbano Caldeira im
       Stadtteil Vila Belmiro aufgebahrt, wie sein langjähriger Verein FC Santos
       mitteilte. Zuvor sollen ihn Polizisten und Feuerwehrleute vom Hospital
       Albert Einstein in São Paulo in die etwa 80 Kilometer entfernte Hafenstadt
       Santos bringen.
       
       Die Totenwache soll 24 Stunden dauern. Am Dienstag wird eine
       Trauerprozession den Leichnam durch das Viertel, in dem Pelés 100-jährige
       Mutter noch immer lebt, zu dem Friedhofshochhaus Memorial Necrópole
       Ecumênica bringen. Dort soll Pelé dann im Kreis der Familie beigesetzt
       werden.
       
       2 Jan 2023
       
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