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       # taz.de -- Showdown beim HSV: Endspiel für den Präsidenten
       
       > Sportlich läuft es beim Hamburger SV. Aber auf der bevorstehenden
       > Mitgliederversammlung gibt es zwei Abwahlanträge gegen Präsident Jansen.
       
   IMG Bild: Nach seinem Kopf verlangt HSV-Großinvestor Klaus-Michael Kühne: HSV-Präsident Marcell Jansen
       
       Hamburg taz | Das Jahr hätte so schön beginnen können für den Hamburger
       Sportverein. Dem neuen Vorstandsduo Jonas Boldt und Eric Huwer trauen viele
       Beobachter zu, endlich Kontinuität und Ruhe ins operative Geschäft zu
       bringen. Sportlich startet der Klub von einem Aufstiegsplatz ins neue Jahr
       und freut sich nach der langen Winterpause zum Re-Start in vierzehn Tagen
       auf den Nord-Klassiker gegen Eintracht Braunschweig. Daran konnten auch die
       deftigen Testspiel-Niederlagen gegen die Bundesligisten 1. FC Köln (0:4)
       und den SC Freiburg (2:6) nichts ändern.
       
       Aber dann gibt es doch wieder ein paar Themen abseits des grünen Rasens,
       die die Vorfreude trüben. Zum einen den nicht geklärten Dopingfall um den
       im Augenblick gesperrten Verteidiger Mario Vusković, für den kurzfristig
       Noah Katterbach aus Köln ausgeliehen wurde. Und eine Woche bevor der Ball
       wieder rollt, wartet am kommenden Samstag eine Mitgliederversammlung, auf
       der über die Zukunft von Klubpräsident Marcell Jansen entschieden wird.
       
       Außerdem geht es um die Weichenstellung für die nächste große
       Strukturreform der Profiabteilung nach der Ausgliederung 2014. Im
       Hintergrund spielt auch das Verhältnis zu dem Mann eine Rolle, an dem sich
       wie eh und je die HSV-Geister scheiden: Investor und Logistik-Unternehmer
       Klaus-Michael Kühne.
       
       Der hat den Klub Ende des vergangenen Jahres aus einer misslichen Situation
       befreit. Vor zwei Jahren hatte der HSV für den Verkauf des
       Stadiongrundstücks von der Stadt 23,5 Millionen Euro erhalten, das ihm
       dieselbe Stadt einst für eine Mark verkauft hatte. Die Millionen sollte der
       HSV nun in die Sanierung des Stadions stecken, um dieses für die fünf dort
       geplanten Spiele bei der Fußball-Europameisterschaft 2024 funktionsfähig zu
       machen. Tatsächlich sind bislang allerdings [1][nur knapp zehn Millionen
       Euro in einen ersten Bauabschnitt geflossen] – der Rest wurde verwendet, um
       die während der Coronapandemie neu gerissenen Lücken im laufenden Etat zu
       schließen.
       
       ## Drohende Blamage für die Sportstadt Hamburg
       
       Da dann auch noch infolge des Ukraine-Krieges die Baukosten gestiegen sind,
       fehlten zuletzt etwa 20 Millionen Euro für die Erneuerung der Dachmembran
       sowie der Sanitäranlagen. Ein Finanzierungsangebot des Trikotsponsors
       Hanse-Merkur wurde nicht wirksam, weil die Stadt nicht bereit war, die
       dafür geforderte Bürgschaft zu leisten. Die Europameisterschaft schien zu
       wackeln, der Sportstadt Hamburg drohte eine erneute Blamage.
       
       Dann vor vier Wochen die Entwarnung: „Finanzierung der Baumaßnahmen im
       Volksparkstadion steht“, gab der HSV auf seiner Website bekannt. Die
       Kühne-Holding und weitere Darlehensgeber, die ungenannt blieben, würden
       Millionenbeträge zur Verfügung stellen. Laut Presseberichten soll es sich
       um 20 Millionen Euro handeln – und die Hälfte davon von Kühne stammen. Der
       verlangt keine Bürgschaft, allerdings soll ihm in Aussicht gestellt worden
       sein, das Darlehen zukünftig in weitere Anteile am HSV Fußball umzuwandeln
       zu können.
       
       Im Sommer hatte Kühne ein 120-Millionen Euro-Angebot unter anderem mit dem
       Ansinnen verbunden, seine Anteile an der HSV AG von aktuell 15,21 auf 39,9
       Prozent erhöhen zu können. Dies hatte Präsident Marcell Jansen mit Verweis
       auf die Satzung, die das Fremdkapital auf die bereits vergebenen 24,9
       Prozent begrenzt, abgeblockt.
       
       [2][Der damalige Vorstandschef Thomas Wüstefeld] versuchte stattdessen
       vergeblich, eine Finanzierungslösung ohne Kühne auf die Beine zu stellen.
       Am Ende musste Wüstefeld gehen, nicht nur weil er statt der Finanzierung
       der Stadionsanierung mit einem Hunderte Millionen schweren
       Wolkenkuckucksheim namens „HSV-Park“ um die Ecke kam. Auch wegen seines
       privaten Geschäftsgebarens und möglicher Interessenkonflikte stand er in
       der Kritik. Am Ende schien nicht mal mehr der von Wüstefeld geführte
       Doktortitel über alle Zweifel erhaben.
       
       „Für das personelle Hickhack ist er verantwortlich, was sich auf den Verein
       negativ auswirkt“, sagte Kühne im November über Jansen. „Ich wünsche mir
       neue Leute, die von außen kommen. Wir brauchen einen Neubeginn.“
       
       ## Neuer Vorstand, neues Klima
       
       Der neue Finanzvorstand Huwer kommt zwar nicht von außen, scheint aber ein
       neues Klima in die Verhandlungen mit Kühne gebracht zu haben. Der
       machtbewusste Investor verzichtete bislang auf weitere öffentliche
       Einmischungen, obwohl auch Huwer ihm keine Erhöhung seiner Anteile
       garantieren kann. Dafür wäre eine Änderung der Rechtsform der
       Kapitalgesellschaft von einer AG hin zu einer GmbH & Co. KGaA nötig.
       
       In dieser bei sieben Bundesligisten vorhandenen Struktur hat ein Klub die
       Möglichkeit, mehr als die laut der im deutschen Profifußball geltenden
       „50+1-Regel“ auf 49,9 Prozent begrenzten Anteile zu verkaufen, ohne dadurch
       die Kontrolle über den Verein zu verlieren.
       
       Seit Mai prüft eine Arbeitsgruppe unter Vorsitz des Vizepräsidenten Michael
       Papenfuß die Möglichkeiten einer solchen Strukturreform. Auf der
       Mitgliederversammlung will diese über Vor- und Nachteile beider
       Rechtsformen informieren und ein Stimmungsbild einholen. Eins ist von
       vornherein klar: Die Rechtsform kann eine künftige Mitgliederversammlung
       nur mit einer Zweidrittelmehrheit verändern. Nach den enttäuschenden
       Erfahrungen mit der 2014 euphorisch begrüßten Ausgliederung der
       Profiabteilung kann so ein Ergebnis alles andere als gesichert gelten.
       
       ## „Grob fahrlässige Verletzung von Kontrollpflichten“
       
       Ebenfalls eine Zweidrittelmehrheit ist für eine Entscheidung erforderlich,
       die Samstag an Ort und Stelle getroffen wird: Zwei Anträge fordern die
       Abwahl von Präsident Jansen. Ihm wird unter anderem in Bezug auf
       Ex-Vorstand Thomas Wüstefeld „Auswahlversagen“ und eine „grob fahrlässige
       Verletzung von Kontrollpflichten“ sowie ein „zerrüttetes Verhältnis“ zu
       Sportvorstand Jonas Boldt vorgeworfen, dessen Vertrag gerade erst
       verlängert wurde.
       
       Eine Abwahl Jansens dürfte Kühne als günstiges Zeichen in Richtung seiner
       Investitionspläne deuten, die er ja schon mal mit 120 Millionen Euro
       beziffert hatte.
       
       16 Jan 2023
       
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   DIR Ralf Lorenzen
       
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