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       # taz.de -- Rücktritt von Christine Lambrecht: Ein kurzer Brief zum langen Abschied
       
       > Christine Lambrecht wirft als Verteidigungsministerin hin und gibt den
       > Medien die Schuld am Scheitern. Kanzler Scholz will die Nachfolge bald
       > regeln.
       
   IMG Bild: Nun ist der Rücktritt offiziell: Pannenministerin Christine Lambrecht
       
       Berlin taz | Die Erklärung kam Montag früh, schriftlich und knapp. „Ich
       habe heute den Bundeskanzler um Entlassung aus dem Amt der Bundesministerin
       der Verteidigung gebeten.“ So beginnt die [1][Rücktrittserklärung von
       Christine Lambrecht] von ihrem Amt. Der öffentliche Druck auf sie war nach
       etlichen Pannen, Fehlern und Durchstechereien aus dem Ministerium und ihrem
       Umfeld zu groß geworden.
       
       [2][Lambrechts Rückzug] ist genauso abgelaufen wie ihre Amtszeit:
       unerfreulich und geprägt von Indiskretionen. Zuerst hatte am Samstag die
       Bild, offenbar aus Quellen im Verteidigungsministerium, von dem
       bevorstehenden Rücktritt berichtet. Dass Lambrecht noch nicht mal ihren
       Abgang selbst publik machen konnte, darf man als Demütigung deuten.
       Allerdings lässt Lambrechts kurzer Brief zum langen Abschied auch jede Art
       von Souveränität vermissen. Dort heißt es: „Die monatelange mediale
       Fokussierung auf meine Person lässt eine sachliche Berichterstattung und
       Diskussion über die Soldatinnen und Soldaten, die Bundeswehr und
       sicherheitspolitische Weichenstellungen im Interesse der Bürgerinnen und
       Bürger Deutschlands kaum zu.“ Übersetzt heißt das: Die Medien sind schuld
       an ihrem Rücktritt.
       
       Das dürfte auch Kanzler Olaf Scholz, der Lambrecht bis zuletzt verteidigt
       hatte, wenig beeindrucken. Denn Scholz’ erklärter Grundsatz lautet:
       [3][„Don’t complain, don’t explain. Beschwere dich nicht darüber, was war –
       und erkläre es auch nicht.“]
       
       Lambrecht hatte nie ein glückliches Händchen mit den Medien – und ist sich
       da bis zur letzten Sekunde treu geblieben. Scholz will nun zeitnah die
       Nachfolge regeln. Und die Zeit drängt. Denn am Freitag treffen sich die
       VerteidigungsministerInnen der Ukraine-Kontaktgruppe in Ramstein, um über
       Waffenlieferung an die Ukraine zu beraten. Dass sich Deutschland dort von
       einer Staatssekretärin oder einem Staatsekretär vertreten lässt, ist
       unwahrscheinlich.
       
       ## Nachfolge ist kompliziert
       
       Die Nachfolge ist allerdings kompliziert. Ideal wäre: Eine Frau, die
       Erfahrung als Ministerin hat und Ahnung vom Militär. Das Problem: Sie gibt
       es nicht. Dass es bei der Auswahl die Quote im Kabinett zu beachten gilt,
       macht die Sache nicht einfacher. Und dieser Umstand mindert die Chancen von
       SPD-Chef Lars Klingbeil, der, mit viel Affinität zur Bundeswehr
       ausgestattet, weniger Anpassungsschwierigkeiten hätte als Lambrecht.
       
       Aber wenn Klingbeil Minister würde, müsste ein Mann im Kabinett durch eine
       Frau ersetzt werden. Auch der Doppeljob als SPD-Chef und Minister spricht
       gegen Klingbeil. Aus dem Umfeld von SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil,
       dem viele zutrauen, auch den schwerfälligen bürokratischen Apparat des
       Verteidigungsministeriums zu steuern, war am Montag die Andeutung zu
       hören, dass ein Wechsel in den Bendlerblock nicht anstehe.
       
       Auch Kanzeramtschef Wolfgang Schmidt, der sich intensiv mit Rüstungs- und
       Außenpolitik befasst hat, trauen viele zu, das Ministerium in den Griff zu
       bekommen. Doch auch bei Schmidt gibt es das Quotenproblem – zudem ist er
       als Alter Ego von Scholz als Kanzleramtschefs schwer ersetzbar.
       
       Matthias Wachter, beim BDI als Abteilungsleiter für Rüstung zuständig,
       nannte Lambrechts Rücktritt „eine große Chance für die Bundeswehr und die
       Zusammenarbeit mit der Industrie“. Die Rüstungsindustrie erwartet von der
       neuen Leitung des Ministeriums „strukturelle Reformen, um
       Beschaffungsprozesse zu vereinfachen und zu beschleunigen“.
       
       ## Scholz mag Kontinuität
       
       Die naheliegendste Kandidatin für die Nachfolge von Lambrecht wäre die
       SPD-Politikerin Eva Högl, derzeit Wehrbeauftragte, die zwei der drei
       Kriterien erfüllt. Erfahrung mit der Ministerialbürokratie hat die
       54-jährige Sozialdemokratin nicht, dafür ist sie vertraut mit der
       Bundeswehr. Der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion,
       Florian Hahn, hält sie für geeignet, weil die neue Ministerin „Affinität
       zur Truppe, hohe Einsatzbereitschaft und gewisse Vorerfahrungen“ mitbringen
       solle.
       
       Hans-Peter Bartels, Högls Vorgänger als Wehrbeauftragter, nannte die
       Neubesetzung im Deutschlandfunk „eine existenzielle Frage für Deutschland.
       Diese Besetzung muss jetzt sitzen.“ Der Vorsitzende des Bundeswehrverbands,
       André Wüstner, forderte eine führungsstarke Nachfolge.
       
       Scholz ist eher bekannt dafür, auf personelle Kontinuität zu setzen und
       große Umbauten zu scheuen. Als Regierungschef in Hamburg feuerte er kein
       Mitglied in seinem Senat.
       
       16 Jan 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Kanzler-Scholz-ueber-Lambrecht-Ruecktritt/!5908819
   DIR [2] /Ruecktrittsplaene-von-Christine-Lambrecht/!5908724
   DIR [3] https://www.zeit.de/2013/26/olaf-scholz-scholzomat/seite-2
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Stefan Reinecke
       
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