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       # taz.de -- Politikerin in Afghanistan getötet: Tod einer Kämpferin
       
       > Nach dem Tod von Mursal Nabizada sind die Täter und das Motiv noch
       > unbekannt. Einige verdächtigen die herrschenden Taliban.
       
   IMG Bild: Die Haare sichtbar, der Blick wirkt herausfordernd: die afghanische Ex-Abgeordnete Mursal Nabizada
       
       Mumbai taz | In der Nacht zum Sonntag wurden die Politikerin Mursal
       Nabizada sowie einer ihrer Personenschützer in deren Zuhause in der
       afghanischen Hauptstadt Kabul von Unbekannten erschossen. Als die Schüsse
       erklangen, sei es bereits zu spät gewesen, erzählte eine Frau unter Tränen
       in einem Bericht des privaten afghanischen Fernsehsenders Tolo.
       
       Nach Polizeiangaben wurden bei dem Anschlag auch Nabizadas Bruder und ein
       weiterer Bodyguard verletzt, ein dritter soll mit Geld und Schmuck vom
       Tatort geflohen sein. Gegenüber Medienvertretern von Tolo zeigte sich
       Nabizadas Familie überrascht. Ihre Schwester betonte, dass es keine
       Drohungen gegen sie gegeben habe.
       
       Aber: Nabizada stand für ihre Werte ein. Nach der Machtübernahme der
       Taliban im August 2021 entschied sich die Ex-Parlamentsabgeordnete bewusst
       dafür, ihre Heimat nicht zu verlassen. Die 32-Jährige gehörte zu den
       wenigen Parlamentarierinnen, die im Land blieben – auch als sich die
       [1][Sicherheitslage] besonders für Frauen immer weiter verschlechterte.
       
       Nabizada stammte aus der östlichen Provinz Nangarhar, wurde Ende 2018 in
       das Unterhaus des afghanischen Zwei-Kammer-Parlaments gewählt und war bis
       zur Machtübernahme Mitglied des parlamentarischen Verteidigungsausschusses.
       Die Paschtunin arbeitete laut Berichten bei einer privaten
       Nichtregierungsorganisation, dem Institute for Human Resources Development
       and Research.
       
       ## „Es ist mein Land“
       
       Afghanistan sei kein Restaurant, dessen Service sie nicht möge und das sie
       deshalb verlasse, soll Nabizada in einer in den sozialen Medien
       kursierenden Sprachnachricht gesagt haben. „Es ist mein Land und ich möchte
       an der Seite meines Volkes bleiben.“
       
       Nabizada hatte sich in der Vergangenheit kritisch über die Taliban
       geäußert, ebenso über [2][die Rolle Pakistans], das sie als einen der
       größten Unterstützer des Regimes bezeichnete. In einem Interview
       kritisierte sie die Bildungsverbote für Mädchen.
       
       [3][Seit Herbst 2021 verwehren die Taliban Mädchen den Besuch der
       Oberschule], [4][seit letztem Dezember ist Frauen auch der Besuch der
       Universität verboten]. Ebenfalls im Dezember hatten die Taliban Frauen
       außerdem [5][untersagt, in Zivilorganisationen zu arbeiten].
       
       Der gewaltvolle Tod Nabizadas sei der erste eines früheren
       Parlamentsmitglieds seit der Machtübernahme der Taliban, schrieb [6][das
       US-Radionetzwerk Voice of America.] Laut Khalid Zadran, einem Sprecher der
       Kabuler Sicherheitsbehörde, sei die Suche nach den bisher unbekannten
       Tätern eingeleitet. Auch das Motiv sei noch unklar.
       
       ## Afghanistan „Hölle auf Erden für Frauen“
       
       Nabizada war „eine echte Vorreiterin – eine starke, freimütige Frau, die
       für ihre Überzeugungen einstand, selbst im Angesicht der Gefahr. Obwohl ihr
       die Möglichkeit geboten wurde, Afghanistan zu verlassen, entschied sie sich
       zu bleiben und für ihr Volk zu kämpfen“, schrieb die [7][ehemalige
       Abgeordnete Mariam Solaimankhil] auf Twitter und bedauerte einen „großen
       Verlust“. Die afghanische Start-up-Gründerin Sara Wahedi bezeichnete ihr
       Heimatland nach dem Tod Nabizadas als „Hölle auf Erden für Frauen“.
       
       Auch von internationaler Seite wurde der Mord verurteilt. [8][Tirana
       Hassan], Interim-Exekutivdirektorin von Human Rights Watch, bezeichnete
       Nabizadas Tod als die jüngste Eskalation eines umfassenden Angriffs auf die
       Rechte der Frauen unter den Taliban.
       
       Sie sei traurig und wütend und wolle, dass die Welt davon erfahre,
       kommentierte die grüne Europaabgeordnete Hannah Neumann: „Sie wurde im
       Dunkeln getötet, aber die Taliban bauen ihr System der
       Geschlechter-Apartheid bei Tageslicht auf.“ Afghanische Frauen und
       demokratische Kräfte dürften angesichts der mörderischen Taliban nicht im
       Stich gelassen werden, forderte die österreichische Politikerin Berîvan
       Aslan.
       
       „Ich werde unsere Regierung weiterhin dazu drängen, mehr für das
       afghanische Volk, insbesondere für Frauen und Mädchen, zu tun. Das sind wir
       ihnen schuldig“, [9][versprach die britische Labour-Abgeordnete Sarah
       Champion].
       
       16 Jan 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Mindestens-fuenf-Tote-in-Kabul/!5905213
   DIR [2] https://www.hrw.org/reports/2001/afghan2/Afghan0701-02.htm
   DIR [3] /Schulverbote-fuer-Maedchen-in-Afghanistan/!5887257
   DIR [4] /Frauenrechte-in-Afghanistan/!5904166
   DIR [5] /Weiteres-Verbot-der-Taliban-fuer-Frauen/!5904599
   DIR [6] https://www.voanews.com/a/gunmen-assassinate-female-former-afghan-lawmaker/6919395.html
   DIR [7] https://twitter.com/Mariamistan
   DIR [8] https://www.hrw.org/de/about/people/tirana-hassan
   DIR [9] https://twitter.com/SarahChampionMP/status/1614734596146614272?s=20&t=vRrebu7V2b6veR4NCuOCMQ
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Natalie Mayroth
       
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