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       # taz.de -- Die Kunst der Woche: Die Rabenkinder
       
       > Explodierendes Archiv: „Exzentrische 80er“ im Kunstverein Tiergarten
       > zeigt Arbeiten von Tabea Blumenschein, Hilka Nordhausen und Rabe
       > perplexum.
       
   IMG Bild: Philipp Guflers Videoinstallation „Becoming-Rabe“ (2016) channelt den Raben
       
       Dass eine Ausstellung wie „Exzentrische 80er: Tabea Blumenschein, Hilka
       Nordhausen, Rabe perplexum und Kompliz*innen aus dem Jetzt“ das Zeug zur
       Dauerausstellung hat und sich gleichzeitig diesem kanonisierenden Impuls
       subversiv widersetzt, ist schon eine Leistung. Zumal dies dem Ansatz der
       drei Künstler:innen entspricht, die hier im Zentrum stehen. Das liegt
       mit Sicherheit auch daran, dass hier Künstler:innen, nämlich Ergül
       Cengiz (3 Hamburger Frauen), Philipp Gufler und Angela Stiegler, mit
       Kunsthistoriker:innen, Burcu Dogramaci und Mareike Schwarz, für die
       Kuration zusammengearbeitet haben. So lebhaft und dialogisch sind
       Ausstellungen selten.
       
       Anstatt die Werke der drei zu trennen, sind sie ineinander greifend
       präseniert. Auf den ersten Blick ist nicht trennbar, wer hier grade agiert,
       was widerum das Schaffen der drei Künstler:innen spiegelt, die
       Präsentationsräume für andere schufen, gerne Banden bildeteten, und hier
       auch selbst geremixed werden.
       
       So wie Rabe perplexum in der Arbeit „Becoming Rabe“ von Philipp Gufler. Der
       Rabe ruft und knarzt über die Videokabine hinaus. „Dieses Zitat
       explodiert“, schallt es noch. „2 Maler, 1 Rabe <leider in menschl.
       Verkleidung“ heißt es weiter in den Plakaten zu Rabes Mal-Happenings im
       Abraxas-Kollektiv und das Tier-Werden von Rabe, der zeitweise mit einem
       Geier kollaborierte, transportiert sich in seiner sprengenden Kraft
       gegenüber menschengemachten Geschlechterbildern.
       
       Drei ist hier die magische Zahl, denn die Künstler:innen aus München,
       Hamburg und Berlin wurden und werden mit der Wanderausstellung, die von
       einer [1][b_books-Publikation] begleitet wird, in allen drei Städten
       gewürdigt (Last Stop: [2][Kunsthaus Hamburg], 25.3.–21.5.2023). Flankiert
       werden Tabea Blumenschein (1952−2020), Hilka Nordhausen (1949−1993) und
       Rabe perplexum (1956−1996) von weiteren, heutigen Positionen – „aktuell“
       will man sie nicht nennen, dann die Herangehensweisen aus den 80ern wirken
       hier weitaus aktueller als so manche Position auf dem hiesigen Markt der
       Vereinzelung.
       
       Vielleicht war eine Künstler:in wie Hilka Nordhausen darum auch weltweit
       bekannter war als in Deutschland. Mit ihrer „Buch Handlung Welt“ schuf sie
       Ende der 70er einen Hamburger Projektraum. Oder, wie Michael Kellner es in
       seinem [3][Nachruf auf Nordhausen] für die taz Hamburg 1993 fomulierte, der
       hier ausliegt: ein „Gesamtkunstwerk“. Denn an diesem Ort entzogen sich
       schon allein die 60 Wandarbeiten von Künstler:innen wie Vlado Kristl, Elfi
       Mikesch oder Albert Oehlen der Marktlogik. Was dort temporär auf auf 5,70 x
       3,20 Metern auftrat, wurde wieder überstrichen und verschwand unter dem
       nächsten Bild.
       
       Nordhausens „Untersuchungen zur Handreichweite“ (1974) sowie ihre
       Übermalungen von Katalogen oder dem Stern-Magazin sind überlegt,
       eindringlich. Wie so vieles, das sich hier als Archiv entblättert, mit
       kritischer Distanz, wo es nötig ist, und mit Ironie, wo es einleuchtet:
       „Künstleridioten“ heißt das dann in der Zeichnung von Cosy Pièro, die in
       München ab Anfang der 60er die legendäre queere Künstlerbar [4][„Bei Cosy“]
       betrieb. Ein Ort, dem Rabe perplexum ca. 1984/85 mit dem Pinsel scheinbar
       eine Hommage malte, oder zumindest dem Gefühl, das er vermittelte – dazu
       sich selbst als buntes Federvieh, serviert auf einem Tablett.
       
       18 Jan 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.bbooks.de/verlag/exzentrische-80er
   DIR [2] https://kunsthaushamburg.de/#
   DIR [3] /Baby-du-warst-einfach-Spitze/!1586002/
   DIR [4] https://forummuenchen.org/blog/2021/03/08/cosy-piero-live/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Noemi Molitor
       
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