URI: 
       # taz.de -- Prozess gegen Letzte Generation: Aktivist scheitert in der Berufung
       
       > Landgericht bestätigt Urteil gegen ein Mitglied der Letzten Generation.
       > Dieser will nun vor das Bundesverfassungsgericht ziehen.
       
   IMG Bild: Klimaschutz ist Handarbeit. Das nimmt die Letzte Generation wörtlich
       
       Berlin taz | Es geht vor dem Landgericht am Mittwoch um eine
       Grundsatzfrage, so weit sind sich die Beteiligten einig. Ist es strafbar,
       eine Straße zu blockieren, um auf die Klimakrise aufmerksam zu machen? Der
       Andrang bei den Besucher:innen ist groß, nicht alle kommen in den
       Gerichtssaal.
       
       Ein Aktivist der Letzten Generation hatte sich am 4. Februar 2022 auf die
       Straße gesetzt und damit eine Auffahrt zur A100 blockiert. Das Amtsgericht
       verurteilte ihn dafür im Oktober wegen Nötigung zu 600 Euro Geldstrafe.
       Begründet ist das Urteil damit, dass die Autofahrer:innen für rund
       anderthalb Stunden feststeckten und der Blockade nicht ausweichen konnten.
       Gemeinsam mit seinem Anwalt Lukas Theune legte der 21-Jährige Berufung ein.
       
       Das Urteil sei fehlerhaft, Theune forderte darum Freispruch für seinen
       Mandanten und beruft sich auf Artikel 20a des Grundgesetzes: „Der Staat
       schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die
       natürlichen Lebensgrundlagen“, und zwar „nach Maßgabe von Gesetz und
       Recht“, heißt es da.
       
       Theune appellierte besonders an die Rechtsprechung in Form des Vorsitzenden
       Richters Ralf Vogl, der mit dem Fall ein Beispiel setzen könnte. Die
       friedlichen Blockaden der Aktivist:innen „sind nicht verwerflich,
       sondern notwendig“, sagte Theune. Grund dafür sei der höhere Zweck, den sie
       damit verfolgten: die Regierung zum Handeln in der Klimakrise aufzufordern.
       
       ## Der Aktivist steht zu seiner Tat
       
       Im Nachgang des Protestes hatte die Polizei die blockierten
       Autofahrer:innen dazu aufgerufen, sich bei ihnen zu melden. Dem Aufruf
       gefolgt sei aber nur eine Person, die sich nach eigener Aussage nicht
       dadurch gestört gefühlt habe.
       
       In einer emotionalen Rede erklärte der Aktivist seine Beweggründe: „Ich
       leugne nicht, was ich getan habe, ich stehe dazu“, sagte er. Es habe nie
       danach ausgesehen, dass er einmal vor Gericht stehen würde, doch die
       Klimakrise lasse ihn verzweifeln. „Ich habe das Vertrauen verloren, dass
       die Regierung die Krise im Griff hat.“ [1][Darum sehe er sich in der
       Pflicht, das „Weiter so“ mit friedlichen Protesten zu stören.]
       
       Seine Unterstützer:innen, die dem Geschehen im vollen Besucherbereich des
       Gerichtssaals folgen, applaudierten ihm. Davon zeigte sich Richter Vogl
       wenig begeistert. Er drohte den Besucher:innen, sie rauszuwerfen und ein
       Ordnungsgeld zu verhängen. „Das ist ein Gerichtsprozess, keine politische
       Veranstaltung“, sagte Vogl.
       
       Er wolle sich nur auf den Straftatbestand und weniger auf den Grund
       konzentrieren – und ein Exempel statuieren. Das wurde auch darin deutlich,
       dass er den [2][Klimafolgenforscher Wolfgang Lucht] als Sachverständigen
       ablehnte. Lucht ist unter anderem im Sachverständigenrat für Umweltfragen
       der Bundesregierung.
       
       ## Andere Protestformen gewünscht
       
       Immer wieder bekommt der Angeklagte zu hören, man verstehe die Sorgen. Die
       Folgen der Klimakrise seien nicht abzustreiten, aber er und die Letzte
       Generation sollten andere friedliche Protestformen wählen.
       
       „Man kann anderen nicht seinen eigenen Willen aufzwingen“, sagte
       Staatsanwalt Uwe Storm in seinem halbstündigen belehrenden Plädoyer. In
       seiner Erfahrung erreichten die Aktivist:innen mit ihren Blockaden
       wenig Zuspruch. „Danach wird nur über die Idioten, die die Straße
       blockieren, gesprochen.“
       
       Es ginge in der Entscheidung um eine Grundsatzfrage. Spreche das Gericht
       ihn frei, weil er ein übergeordnetes Ziel verfolge, müsse es das auch bei
       anderen tun, die andere Ziele verfolgten. Als Beispiel nannte er
       Reichsbürger.
       
       Am Ende bestätigte Vogl das Urteil des Amtsgerichts. Der Aktivist habe
       bewusst Gewalt angewendet und damit strafbare Nötigung begangen. Das
       verfolgte Ziel sei dabei nicht von Bedeutung. Bei dem 21-Jährigen sehe er
       Verbitterung und die Gefahr einer weiteren Radikalisierung.
       
       ## Aktivist will Verfassungsbeschwerde einreichen
       
       Über das Urteil zeigte sich der Aktivist enttäuscht. „Es hätte ein Zeichen
       gesetzt werden können“, sagte er zum Richter. Noch eine Woche lang kann das
       Urteil mit einer Revision angefochten werden. Die [3][Letzte Generation]
       kündigte im Nachgang in einer Pressemitteilung an, vor das
       Bundesverfassungsgericht zu ziehen.
       
       18 Jan 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Proteste-der-Letzten-Generation/!5831060
   DIR [2] /Budget-fuer-Deutschland/!5858119
   DIR [3] /Prozess-gegen-Letzte-Generation/!5899701
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Laura Mielke
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Klimawandel
   DIR Letzte Generation
   DIR Schwerpunkt Klimaproteste
   DIR Schwerpunkt Klimawandel
   DIR Schwerpunkt Klimawandel
   DIR Schwerpunkt Klimawandel
   DIR IG
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Klimaaktivist*innen vor Gericht: Letzte Ausfahrt Tiergarten
       
       An einem Morgen in Berlin finden fünf Verfahren gegen die Gruppe „Aufstand
       der letzten Generation“ statt. Ein Ortsbesuch im Gerichtssaal.
       
   DIR Straße in Berlin blockiert: Letzte Generation klebt weiter
       
       Klimaaktivist:innen blockieren eine Straße. Berlins Kultursenator
       Lederer (Linke) meint, die Proteste provozierten nur Ärger.
       
   DIR Klimaproteste weltweit: Mehr als die Letzte Generation
       
       Wer gegen die Klimakatastrophe demonstrieren will, muss nicht ständig über
       die Letzte Generation reden. Es gibt reichlich andere Klimaproteste. Ein
       Überblick.
       
   DIR Kritik an Methoden der Klimabewegung: Warum Klimaaktivismus alles darf
       
       Olaf Scholz spricht der Klimabewegung ihre Redlichkeit ab. Sie sei nicht an
       einer Diskussion interessiert. Richtig: Denn Klimakrise ist keine Meinung.