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       # taz.de -- Linken-Konzept für kommunalen Wohnungsbau: Lederer legt ne Schippe drauf
       
       > Die Linke will den Bau von bezahlbaren Wohnungen ankurbeln. Landeseigene
       > Gesellschaften sollen Eigenkapital erhalten – und 7.500 Wohnungen pro
       > Jahr bauen.
       
   IMG Bild: Wohnungsbau, aber sozial
       
       Berlin taz | „Bauen lohnt sich gerade nicht.“ Das sagte Rolf Buch,
       Vorstandschef des größten deutschen Immobilienkonzerns [1][Vonovia], Ende
       Dezember mit Blick auf die vor allem im vergangenen Jahr extrem gestiegenen
       Baukosten und Zinsen, die sich gar vervierfacht haben. In den vergangenen
       zwölf Monaten sind die Zahlen der Baugenehmigungen und fertiggestellten
       neuen Wohnungen gesunken, daran lässt sich dieser Trend bereits ablesen.
       Mit seiner vollen Wucht wird er aber erst im laufenden Jahr zu Buche
       schlagen. Linken-Chef Klaus Lederer warnt gar vor einem „kompletten
       Stillstand“ der Neubautätigkeiten.
       
       Damit es dazu nicht kommt, hat die Berliner Linke am Mittwoch ein
       [2][Konzept für ein kommunales Wohnungsbauprogramm] vorgeschlagen, durch
       das der Bau von jährlich 7.500 bezahlbaren Wohnungen durch die landeseigen
       Wohnungsbaugesellschaften (LWU) sichergestellt werden soll.
       
       Die Zielzahl von insgesamt 20.000 Neubauwohnungen im Jahr, an der die
       Politik immer wieder aufs Neue scheitert, und die dennoch von den Parteien
       wie ein Mantra vor sich hergetragen wird, bezeichnet Lederer als „Prinzip
       Hoffnung“. Das sei aber nicht mehr die relevante Größe. Stattdessen komme
       es darauf an, was gebaut wird: Neubauwohnungen mit Preisen von 20 Euro pro
       Quadratmeter „gehörten nicht dazu“, sagt Lederer. So sieht es auch der
       Berliner Mieterverein, deren Geschäftsführerin Ulrike Hamann bei der
       Pressekonferenz der Linken sagte: „Nicht jeder Neubau ist sinnvoll.“
       
       7.500 Neubauwohnungen im Jahr zu Mieten von 7 bis 7,50 Euro pro
       Quadratmeter, so wie es die Partei es sich vorstellt, wären für den
       sozialen Wohnungsbau in Berlin mehr als nur ein Meilenstein. Lediglich
       8.895 Sozialwohnungen sind von 2016 bis zum dritten Quartal 2022
       fertiggestellt worden – etwa doppelt so viel wurden genehmigt. Das Ziel von
       5.000 neuen Sozialwohnungen pro Jahr bleibt trotz zuletzt ansteigender
       Zahlen bei den landeseigenen Gesellschaften in weiter Ferne.
       
       Das Ergebnis ist niederschmetternd: Der Bau neuer Sozialwohnungen hält
       nicht Stand mit dem Verlust durch auslaufende Sozialbindungen. Der Bestand
       ist auf deutlich unter 100.000 gesunken – bei einer Million Berliner:innen,
       die aufgrund ihres geringen Einkommens Anspruch darauf hätten.
       
       ## Die Kommunalen sollen es richten
       
       „Der Markt wird es nicht lösen“, sagt Lederer und hätte verweisen können
       auf die nur 166 Sozialwohnungen, die 2022 durch Private gebaut wurden:
       Wohnungen zudem, [3][die 30 Jahre lang staatlich bezuschusst werden, ehe
       sie dann ohne Mietpreisbindung teuer vermietet werden können].
       Linken-Mietenexperte Niklas Schenker nennt das Konzept des privaten
       Sozialwohnungsbaus „Investorenförderung mit sozialer Zwischennutzung“.
       
       Es anders zu machen bedeutet für die Linke demnach, so Lederer: „Deutlich
       mehr Investitionen in den kommunalen Neubau.“ Damit sollten Wohnungen
       entstehen, die dauerhaft für den großen Teil der Berliner:innen zur
       Verfügung stehen, die nicht überdurchschnittlich verdienen.
       
       Das bisherige Fördersystem funktioniert so: Das Land vergibt
       zinsvergünstigte Darlehen und Zuschüsse. Die Linke will stattdessen nun den
       Landeseigenen direkt Eigenkapital zuführen. Diese sollen den Neubau also
       nicht mehr vor allem durch ihre Mieteinnahmen finanzieren müssen.
       
       6.5000 Wohnungen haben die sechs Gesellschaften im vergangenen Jahr
       fertiggestellt – und dabei die bisherige Sozialwohnungsquote von 50 Prozent
       knapp verfehlt. Zukünftig sollen sie also auf den Bau frei finanzierter
       Wohnungen, die auch schon mal 14 Euro pro Quadratmeter kosten, verzichten
       können.
       
       ## 1 Milliarde pro Jahr
       
       Insgesamt fast eine Milliarde Euro jährlich sollen den
       Wohnungsbaugesellschaften dafür vom Staat zur Verfügung gestellt werden,
       130.000 Euro pro Wohnung – etwa die Hälfte der tatsächlichen Kosten. Der
       Rest soll durch Eigenkapital der Wohnungsbaugesellschaften sowie Kredite
       finanziert werden.
       
       Was nach viel, viel Geld klingt, relativiert sich beim Blick auf die Summe,
       die bislang schon zur Verfügung steht – laut Senatsverwaltung für
       Stadtentwicklung 739 Millionen Euro pro Jahr. Abgerufen wird es dagegen nur
       zu einem Teil. Laut der Linken soll es auch weiter Fördergelder für
       Genossenschaften und Private geben – dies ist auch die Voraussetzung dafür,
       dass Berlin keine Mittel des Bundes verlorengehen.
       
       Um die kommunalen Gesellschaften in die Lage zu versetzen, mehr und
       bezahlbar zu bauen, will die Linke eine „eigenständige Projektentwicklung
       durch den Aufbau von landeseigenen Bau- und Planungskapazitäten“ an
       zentraler Stelle. Bislang ist es Usus, dass Degewo, Howoge und Co. jeweils
       für sich planen und private Entwickler mit dem Bau beauftragen. Die Linke
       will dagegen eine gemeinsame Tochter der LWUs zur Projektentwicklung sowie
       eine landeseigene Gesellschaft zur Baulanderschließung gründen.
       
       In ferner Zukunft stellt man sich auch eine „Bauhütte“ vor, in der Bauteile
       seriell gefertigt werden. Die Idee hat der linke Stadtforscher Andrej Holm
       schon vor Jahren aufgebracht.
       
       ## Geisel reagiert abwehrend
       
       Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) sagte auf taz-Anfrage: „Ich
       begrüße die Fähigkeit der Linkspartei zur Selbstkritik, nachdem sie
       jahrelang den Wohnungsbau verlangsamt oder gar gestoppt hat.“ Er verwies
       auf das bereits vereinbarte Ziel von 7.000 landeseigenen Neubauwohngen pro
       Jahr. Eine neue Gesellschaft sei eine „weitere Bürokratieebene“, es brauche
       dagegen „schlanke Strukturen, schnelle Planungs- und Genehmigungsverfahren,
       zügige Umsetzung, engagierte Aktivierung landeseigener Flächen“, sagt er.
       
       Der Linken-Abgeordnete Schenker sagte dagegen, Geisel habe unter Beweis
       gestellt, dass er „nicht willens oder ausreichend in der Lage ist, für
       bezahlbares Wohnen zu sorgen“. Der Bau von 7.500 Sozialwohnungen
       „entspricht einer Verdopplung des aktuellen bezahlbaren Neubaus“. Auch das
       Argument mit der weiteren „Bürokratieebene“ will er nicht gelten lassen.
       Der „Aufbau kommunaler Bauträger“ sorge für eine „Beschleunigung und
       Ausweitung des bezahlbaren Neubaus“, meint er.
       
       18 Jan 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Mieterhoehungen-bei-Vonovia/!5855159
   DIR [2] https://dielinke.berlin/kommunales-wohnungsbauprogramm-2023/
   DIR [3] /Mieterbund-ueber-sozialen-Wohnungsbau/!5904576
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Erik Peter
       
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