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       # taz.de -- Kinoempfehlungen für Berlin: Von aufdringlichen Gestalten
       
       > Die Filmreihe „Bis(s) zum Abspann“ nimmt sich der Untoten des Kinos an.
       > Und auch „Das Wachsfigurenkabinett“ kann als gruselig bezeichnet werden.
       
   IMG Bild: Szene aus Paul Lenis Stummfilm „Das Wachsfigurenkabinett“ (Deutschland 1924)
       
       Mit der Filmreihe „[1][Bis(s) zum Abspann]“ werden sich die Kinos Delphi
       Lux und Odeon in den kommenden Wochen der beliebtesten Untoten in Literatur
       und Kino annehmen: den Vampiren. Das Programm ist dabei breit gefächert,
       reicht von Jim Jarmuschs melancholischer Vampir-Modernisierung „Only Lovers
       Left Alive“ bis zur Action von „Blade“, mit Wesley Snipes als coolem
       Vampirjäger.
       
       Los geht es allerdings mit dem klassischsten aller Vampire, Bram Stokers
       Erfindung „Dracula“, [2][hier in der 1958 entstandenen Version] der
       britischen Filmgesellschaft Hammer. Die suchte nach ihrem großen
       kommerziellen Erfolg mit „The Curse of Frankenstein“ einen ähnlich
       erfolgreichen Horror-Nachfolger – und fand ihn bekanntlich auch.
       
       Die erstklassigen britischen Schauspieler Christopher Lee (als Dracula) und
       Peter Cushing (als Dr. Van Helsing) wurden zum Gruseltraumpaar jener Jahre,
       und überhaupt beschritt der Film, der davon erzählt, wie der blutrünstige
       Graf im viktorianischen London attraktiven Damen nachstellt, in der
       Darstellung von Gewalt und Erotik durchaus neue Wege: Das Blut tropft hier
       ziemlich dekorativ von Draculas Fangzähnen … (5. 1., 20.30 Uhr, [3][Delphi
       Lux]).
       
       Wenn man den Begriff Horror ziemlich weit dehnt, dann könnte man vielleicht
       auch Paul Lenis Stummfilm „Das Wachsfigurenkabinett“ als Horrorfilm
       bezeichnen – wenngleich wir heute wohl eher von einem #metoo-Film sprechen
       würden: In drei Episoden stellen Despoten am Rande des Wahnsinns (Harun
       al-Raschid, Iwan der Schreckliche, Jack the Ripper) jungen Frauen äußerst
       aufdringlich nach.
       
       Das Ganze ist allerdings lediglich die Fantasie eines jungen
       Schriftstellers, der sich die entsprechenden Geschichten für das Panoptikum
       eines Jahrmarktes ausdenkt. Unbestritten gilt der Film vor allem aufgrund
       seiner Dekorationen als ein Klassiker des deutschen Expressionismus.
       
       Zu sehen war „Das Wachsfigurenkabinett“ bis vor Kurzem allerdings nur
       äußerst selten, denn es hatte sich keine deutsche Kopie erhalten – das
       Originalnegativ war 1925 auf dem Pariser Zollamt verbrannt.
       
       Mittlerweile gibt es erfreulicherweise eine von der Deutschen Kinemathek
       digital restaurierte Fassung des Films auf Basis einer Nitrokopie aus dem
       British Film Institute National Archive – allerdings mit englischen
       Zwischentiteln (und deutscher Untertitelung), da die deutschen
       Zwischentitel aufgrund fehlender Zensurkarten und Textlisten nicht
       rekonstruiert werden konnten. Zur Vorführung im Kino Arsenal begleitet
       Eunice Martins „Das Wachsfigurenkabinett“ live am Piano (8. 1., 18 Uhr,
       [4][Arsenal]).
       
       Frederick Wiseman kennt man vor allem als Dokumentarfilmer von
       ausgesprochen zeitintensiven Institutionenporträts. [5][Sein jüngster Film]
       „Un couple“ ist nun allerdings das genaue Gegenteil: ein lediglich
       einstündiger Spielfilm, gedreht an nur einem Schauplatz (plus einem
       Interieur) und mit nur einer Schauspielerin.
       
       Nathalie Boutefeu, die auch das Drehbuch verfasste, verkörpert Sofja
       Tolstaja, die Ehefrau des Schriftstellers Lew Tolstoi, und monologisiert –
       auf der Basis von Tolstajas eigenen Aufzeichnungen und Tolstois Briefen –
       in einer Küsten- und Gartenlandschaft über die äußerst komplexe und
       schwierige, insbesondere von Tolstois Eifersucht und seinen
       Gemütsschwankungen geprägte Beziehung zu ihrem Mann, die ihr eigenes Leben
       und ihre Kreativität zu überschatten droht (6. 1., 19.30 Uhr,
       [6][Arsenal]).
       
       5 Jan 2023
       
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